„Thronfolge“ beim SR

update 15.4.: Thomas Kleist ist zum neuen Intendanten gewählt worden.

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CDU und SPD suchen einen Kompromiss-Kandidaten für die Nachfolge des verstorbenen SR-Intendanten Fritz Raff. Die beiden  aussichtsreichsten Kandidaten hat der Medienstratege vor seinem Tod selbst ins Gespräch gebracht. Sein diplomatisches Talent spiegelt sich in den Nachrufen aller politischen und öffentlich-rechtlichen Lager.

Text: Axel Buchholz

Fritz Raff, Foto:SR/Thomas Gundelwein
Fritz Raff, Foto:SR/Thomas Gundelwein

Gut möglich, dass der „kleine König vom Halberg“ (FAZ), der am 27. Januar verstorbene Intendant des Saarländischen Rundfunks Fritz Raff, auch die Thronfolge auf Schloss Halberg, dem Sitz des Senders, noch organisiert hat. Jedenfalls hat er die Namen zweier möglicher Nachfolger selbst ins Gespräch gebracht. Würde einer von beiden Mitte April tatsächlich vom Saarbrücker Rundfunkrat gewählt werden, wäre das ein eindrucksvoller Beweis mehr für eine besondere Qualifikation des Medienstrategen Raff: Er war ein pragmatischer Realist und begeisterter Macher des von ihm als machbar Erkannten. Und es war beileibe nicht wenig, was er nach nüchterner Analyse beherzt und durchsetzungsstark anging.

Seine eigene Nachfolge gehörte zuletzt dazu. Raff wusste: Wer den zweitkleinsten, finanziell bedrängten Sender an der Saar in krisenhaften Zeiten lenkt, kann entscheidend sein für dessen Zukunft als eigenständige Rundfunkanstalt. Und er wusste, dass ihm wenig Zeit bleiben würde, dabei das Gestaltbare noch zu gestalten. Sein Realitätssinn ließ auch in eigener Sache keine andere Erkenntnis zu: Der Muskelschwund als Folge der unheilbaren Nervenkrankheit ALS schritt viel schneller voran als ohnehin von ihm befürchtet.

ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel über Fritz Raff: „Mit seinem Weitblick hat er sich schon früh dafür eingesetzt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf allen Verbreitungswegen erreichbar bleibt. Kennzeichnend für ihn waren seine Willensstärke und seine Kraft – ob bei der Arbeit oder im Kampf gegen seine Krankheit.“

Zwei Kandidaten aus dem rechten Lager

Albrecht Frenzel, Foto:  NDR/Dirk Uhlenbrock
Albrecht Frenzel, Foto: NDR/Dirk Uhlenbrock

Als in einem CDU-regierten Land zweimal wiedergewählter Rundfunk-Intendant mit SPD-Parteibuch war Raff eine ziemliche Ausnahmeerscheinung. Dessen war er sich nicht ohne Stolz sehr bewusst. So hätte er des Hinweises eigentlich gar nicht bedurft, dass eine geschrumpfte und in der Jamaika-Koalition auf vorzeigbare Erfolge angewiesene Saar-CDU zu so viel parteipolitischer Selbstbeschränkung kaum mehr fähig sein würde. Also suchte Raff gleich nach geeigneten Kandidaten im rechten Lager. Er fand zwei, von deren Fähigkeiten er überzeugt war und die ins Anforderungsprofil passen. Beide verfügen über viel ARD-Erfahrung und haben als ehemalige SWR(SWF)-Mitarbeiter gute Kontakte zum großen SR-Nachbarn, dem natürlichen und bewährten vorrangigen Kooperationspartner. Beide können zudem durch ihre Tätigkeit beim europäischen Kulturprogramm ARTE in Straßburg Frankreich-Kompetenz aufweisen, die auch der SR zu seinen Markenzeichen zählt.

Christoph Hauser, Foto: SWR/Frederic Maigrot
Christoph Hauser, Foto: SWR/Frederic Maigrot

Der eine Kandidat ist der jetzige ARTE-Programmdirektor Dr. Christoph Hauser (Jahrgang 1956). Ehe er 2005 zu ARTE wechselte, war er beim SWR Hauptabteilungsleiter Kultur/Fernsehen. Er wäre ein journalistischer Intendant, ein reiner Programm-Mann an der Senderspitze. Ein Argument von Gewicht, nachdem mit Raff ein Verwaltungsmann fast 15 Jahre lang den SR geleitet hat.

Der andere Kandidat, NDR-Verwaltungsdirektor Dr. Albrecht Frenzel (Jahrgang 1966) ist zwar auch gelernter Journalist, hat aber im organisatorischen Bereich Karriere gemacht. Er könnte mit besonderer Finanz- und Verwaltungs-Erfahrung punkten, dem Gebiet, auf dem die entscheidenden Schlachten für die SR-Zukunft zu schlagen sind. Und beide können für sich ins Feld führen, dass Fritz Raff sie als kompetente und bewährte Führungskräfte ins Spiel gebracht hat. Das wiegt schwer im SR-Rundfunkrat, quer durch die politischen Lager.

SWR-Intendant Peter Boudgoust über Fritz Raff: Fritz Raff hat Großes geleistet für die ARD und den Saarländischen Rundfunk… Wir verlieren einen ganz Großen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks…“

Presse-Schlagzeilen zum Tod von Fritz Raff:

Saarbrücker Zeitung: Intendant mit Leidenschaft
Die Tageszeitung: Stratege mit Humor
Bild Saarland: Trauer um einen großen Medienmacher
Der Tagesspiegel: Der Saarländer
Frankfurter Allgemeine Zeitung: Kleiner König vom Halberg
Frankfurter Rundschau: Unerschütterlich öffentlich-rechtlich
Süddeutsche Zeitung: Der Teamarbeiter
Nordwest-Zeitung: Mit Leidenschaft für Ideale

Ausschlusskriterium: SPD-Parteibuch

Eine „saarländische Lösung“ bei seiner Nachfolge, den langjährigen SR-Verwaltungsratsvorsitzenden Thomas Kleist, hat Raff „als politisch kaum machbar“ gar nicht erst ins Spiel gebracht, obwohl er ihr ansonsten vielleicht den Vorzug gegeben hätte. Der

Quelle: Saarländischer Rundfunk
Quelle: Saarländischer Rundfunk

selbständige Rechtsanwalt Kleist kennt als Saarländer das Land und den SR, bei dem er zuerst Rundfunkratsmitglied war und 2000 dann Verwaltungsratsvorsitzender wurde. In elf Jahren als Direktor und Vorstandsvorsitzender der Landesmedienanstalt im Saarland lernte er die private Rundfunklandschaft kennen und als ehemaliger Staatssekretär im Sozialministerium sammelte Kleist auch Verwaltungserfahrung. Kein Wunder also, dass er von vielen im Land, in der SR-Belegschaft und im Rundfunkrat als geeigneter Raff-Nachfolger angesehen wird. Nur: Kleist ist SPD-Mitglied.

Zur Wahl will er sich aber stellen, wenn sich für ihn eine „breite Mehrheit abzeichnet“. Dafür müssten die Konservativen im CDU-Freundeskreis des Rundfunkrats erneut großzügig über ihren Schatten springen. Dabei mag eine Rolle spielen, dass die SPD bei der Intendantenwahl eine Versorgungslösung für saarländische CDU-Politiker von vornherein ausgeschlossen hatte.

Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) über Fritz Raff: In der Vergangenheit war es üblich, dass der ARD-Vorsitz von einer der großen Anstalten wahrgenommen wird. Mit Fritz Raff hat sich das verändert.“

Ohne SR wackelt das Saarland

Kleist bindet sich mit seiner Haltung in eine lange rundfunkpolitische Tradition im Saarland ein, die aus zwei Leitsätzen besteht. Erstens: Ein selbständiger Saarländischer Rundfunk ist ein wichtiger Faktor für das Fortbestehen des Saarlands als Bundesland. Und zweitens: Entscheidungen über den SR werden deshalb möglichst nur im breiten politischen Konsens getroffen.

Für die anstehende Wahl heißt das: Da die CDU-Geneigten derzeit die stärkste Gruppe im Rundfunkrat stellen, hat dieses Lager auch die Möglichkeit, nach einem ihm genehmen Kandidaten zu suchen. Der freilich muss auch von der zweitgrößten Fraktion, dem SPD-Freundeskreis, mitgetragen werden können. Und noch besser, wenn auch die neuerdings gebildete, vergleichsweise kleine Gruppe der „Grauen“ dem zustimmen könnte.

SR-Rundfunkratsvorsitzender Volker Giersch über Fritz Raff: „Insbesondere während (seiner) ARD-Vorsitzzeit hat er die Weichen auch für die zukünftige Selbständigkeit des SR gestellt. Er hat die Anstalt gerade auch in der schwierigen Zeit des enormen Spardrucks auf Kurs gehalten.“

Paketlösung wahrscheinlich

Da fügt es sich gut, dass in absehbarer Zeit auch die Verträge des Programmdirektors Dr. Hans-Günther Brüske und des Verwaltungs- und Betriebsdirektors Norbert Holzer (beide auf CDU-Ticket) auslaufen. Das ermöglicht eine Paketlösung, die dann jedenfalls einen SPD-nahen Programmdirektor zur Folge hätte.

Aber auch wenn keiner der Wortführer Konfrontation und Kampfabstimmungen zu wollen scheint, muss die angestrebte „einvernehmliche Lösung zum Besten des Senders“ noch einige Hürden nehmen. So ist zu sondieren, für welchen Kandidaten sich die in den ersten sechs Wahlgängen die erforderliche 2/3 Mehrheit organisieren ließe. Nur wenn ihm dies in Aussicht gestellt wird, dürfte sich wohl einer der genannten qualifizierten Kandidaten tatsächlich ins Rennen begeben. Die Ausschreibung läuft noch bis zum 23. März

ZDF-Intendant Markus Schächter über Fritz Raff: „Besonders geliebt habe ich seinen wundervollen Humor und seine offen Art, die Dinge anzupacken.(…) Er gab wichtige und zentrale Impulse zur Modernisierung, Digitalisierung und finanziellen Konsolidierung des Systems.“

Raff-Humor

Bei der Begrüßung

„Bis jetzt war’s ein schöner Tag.“Fritz Raff

Bei der Verabschiedung

„Gutes Gelingen – gegen wen auch immer.“Fritz Raff

Bei passender Gelegenheit:

„ Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.“Fritz Raff

Keine „politische Lösung“, aber auch keine „unpolitische“.

Verhandlungsführer auf CDU-Seite ist Verwaltungsratsmitglied Karl Rauber, Chef der Staatskanzlei und Kultusminister. Für die SPD nimmt sich letztlich der Fraktionsvorsitzende Heiko Maas der Sache an. Beide müssen sich auf einen Personalvorschlag einigen, der in den jeweiligen offenbar zunehmend selbstbewussten Freundeskreisen des Rundfunkrats Unterstützung findet. Es ist an der CDU, dafür den überzeugenden Kandidaten zu präsentieren – was allerdings mit den genannten kaum ein Problem sein dürfte. Wenn aber doch, dann ist das die Chance für den Verwaltungsratsvorsitzenden Kleist.

So ist denn richtig sicher bislang nur eins: Karl Rauber selbst und auch CDU-Finanzminister Peter Jacoby oder der frühere CDU-Kultusminister Jürgen Schreier werden sich nicht bewerben. Rauber zu entsprechenden Spekulationen: Er sei gegen eine „politische Lösung“. „Unpolitisch“ wird sie deshalb auch nicht. Aber wie es Anfang März aussieht, könnte Fritz Raff mit ihr sehr zufrieden sein.

Der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) über Fritz Raff: Mit scharfem Verstand und warmherzigem Humor hat Fritz Raff nicht nur sein Haus geführt, sondern auch die ARD, deren Vorsitzender er 2007 und 2008 war.“

Zur Person

Fritz Raff, geb. 1948 in Ludwigsburg starb am 27. Januar 2011 mit 62 Jahren. Er wurde von seiner hart arbeitenden Mutter allein erzogen, lernte früh, sich in bescheidenen Verhältnissen selbst zu behaupten. Sein Vater war fünf Monate vor seiner Geburt gestorben. Raffs Stationen: mit 21 Jahren Diplomverwaltungswirt; mit 22 Geschäftsführer des Südwestdeutschen Journalistenverbandes; als 28-jähriger Hauptgeschäftsführer des Deutschen Journalistenverbandes in Bonn.
Mit 37 Jahren zog der rote Schwabe Raff 1985 als SPD-Überraschungssieger ins Bürgermeisteramt der „Großen Kreisstadt“ Mosbach in Baden-Württemberg ein. Fünf Jahre später wechselte er zum SR, zuerst als Verwaltungsdirektor und ab 1996 als Intendant. Zweimal wird er wiedergewählt und in seiner dritten Amtszeit 2007 und 2008 auch ARD-Vorsitzender.

Vor etwas mehr als drei Jahren schrieb ein SR-Mitarbeiter über seinen Chef im großen SR-Geschichtsbuch: Der Medienmanager Fritz Raff (der mit seinem Arbeitsstil aus Akribie und Spontaneität leitende Mitarbeiter mühelos zu leidenden Mitarbeitern machen könne) sei noch weit entfernt von einem Leben nach und neben dem Beruf: „Kein Requiem bitte, sondern Richtfeste.“ Die beiden wichtigsten hat er noch erlebt, für die auf sein Betreiben kernsanierten SR-Gebäude für Hörfunk und Fernsehen.