Quandt-Preis mit Anmerkungen

Es war heiß diesmal bei der 23. Preisverleihung des Herbert-Quandt-Medien-Preises am 22. Juni in Frankfurt, und das lag keineswegs nur am Wetter: Der ARD-Film „Das Schweigen der Quandts“ von Eric Friedler und Barbara Siebert Ende 2007 (s. a. mm 11/07) über NS-Verstrickungen des Industriellen Günther Quandt und seines Sohnes Herbert (dem Namensgeber des heutigen Journalistenpreises) habe auch die Unternehmerfamilie (u. a. BMW, Altana, Delton) „sehr beschäftigt“, wie der Sohn Herbert Quandts, Stefan, bei der Ehrung in ungewohnter Offenheit „in eigener Sache“ erklärte. Dem vorangegangen waren offenkundig Kontroversen im Kuratorium des Medien-Preises: Die Mitglieder Mathias Müller von Blumencron („Spiegel“), Gabriele Fischer („brandeins“) und Christoph Keese (Axel Springer) hatten dafür plädiert, den mit 50.000 Euro dotierten Medienpreis, der traditionell am Geburtsdatum des Namensträgers Herbert Quandt verliehen wird, drei Jahre lang auszusetzen – also für den Zeitraum, die der von der Familie beauftragte Kölner Zeithistoriker Joachim Scholtyseck für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Quandt-Geschichte veranschlagt. Dafür spreche nicht zuletzt auch der Respekt vor den noch lebenden betroffenen Opfern, die als Fremdarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten. Als die Entscheidung gegen eine Aussetzung fiel, weil ein solche als Vorverurteilung gesehen wurde, verließen die drei das Kuratorium, dem außerdem Johanna und Stefan Quandt, hr-Indentant Helmut Reitze und nun „WirtschaftsWoche“ Chef Roland Tichy angehören.

Umso mehr betonte nun Stefan Quandt, dass es auch im Hinblick auf einige „Fakten, die in dem Film – der uns als Familie ein „Verschweigen der Vergangenheit“ vorwarf – unerwähnt bleiben“, und nach dem eigenen Wissensstand von heute keinen Grund gebe, den Preis, der den Namen Herbert Quandt trägt, nicht zu verleihen. Und es sei das Anliegen der Familie, mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung eine „gesicherte Plattform“ zu schaffen, „die den Opfern und uns heute – sowie zukünftig unseren Kindern und der Öffentlichkeit – ein gemeinsames und umfassendes Verständnis der tatsächlichen Ereignisse ermöglicht.

Der Quandt-Preis will „in einer Zeit, in der zunehmender Wettbewerb die Versuchung groß werden lässt, dem schnellen „scoop“ den Vorzug vor fundierter Recherche zu geben“, Beiträge prämieren, die als „lobenswerte Beispiele für guten Journalismus dienen können“. Diesen Anspruch erfüllen die diesjährigen Preisträger allemal: Ausgezeichnet wurden Ulrike Franke und Michael Loeken für ihren Dokumentarfilm „Losers and winners“, Horst von Buttlar für seinen Artikel „Die Außendienstarmee“ (2.2.08, FTD), Wolfgang Minder für seine ARD-Dokumentation „Die Entscheidung: Entlassen oder investieren“ (28.1.08) sowie Regina Beck und Kai Karsten für Idee und Konzept ihrer Wissen-Serie „Tim fragt Tom“ (SWR 3). ami

Info: Der komplette Wortlaut der Rede von Stefan Quandt ist abrufbar unter www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 7/2008 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 9 bis 9. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.