Keine Panik!

Das Jahr 2008 war, gestehen wir es ein, kein gutes Jahr für den Journalismus. Zu viele Aufstiegschancen, zu viele freie Stellen und vor allem zu viel Geld haben die Branche nachhaltig verunsichert. 2009 wird da anders werden – glaubt man den Trends, die sich schon jetzt abzeichnen.

Einer der schönsten ist mit Sicherheit der Trend zum Heimwerkerjournalismus – denn nur, wer alles selber macht, kann sich sicher sein, dass auch alles gelingt. Im „Spiegel" war zu lesen, dass Fernsehteams meist gar keine Teams mehr sind: das Budget reicht oft nicht einmal für einen Kameramann; immer mehr Fernsehjournalisten filmen selbst. Eine Qualitätseinbuße? Mitnichten!

Der Heimwerkerjournalismus garantiert eine völlig neue Authentizität: verwackelte, unscharfe Bilder verleihen selbst einem Bericht über steigende Milchpreise die Aura eines „embedded report" live aus der Milchkrisenregion; das Wegfallen der glatten Nachrichtenoptik gibt einem Kommentar zum Nachtragshaushalt die Atmosphäre eines spannenden Mockumentary, eines „Cloverfield" oder „Blair Witch Project". 2009 werden wir Musikjournalisten erleben, die Hörbeispiele auf dem Kamm blasen, und wir werden Leitartikler lesen, die ihre Meinungen nicht mehr fix und fertig beim Verleger abholen können, sondern sie sich mühsam aus eigenen Beobachtungen und Gedanken zusammensetzen müssen.

Ein weiterer schöner Trend: Mit den Finanzen bricht auch der Finanzjournalismus zusammen. Das ist nur gerecht, waren die Damen und Herren Analysten und Prognostiker doch offenbar unfähig, auch nur den eigenen Untergang vorherzusehen. Und dem Rat solcher Menschen wollte man das Schicksal seines Vermögens anvertrauen? Nein, diese Leute sollten in wirklich zukunftsträchtigen Bereichen neu anfangen. Etwa in der Trendsparte „wertige Lifestyle-Magazine für Tierfreunde", welche der erfolgreiche Zeitschriftennewcomer „Dogs" anführt. Sicherlich brauchen auch die 2009 erscheinenden Spartenblätter „Mein schöner Hamster", „GQ – Goldfish Quarterly" und „Meerschweinchen’s Health" engagierte Mitarbeiter – und ist der Finanzmarkt nicht einem großen Haustier sehr ähnlich? Ständig will er gefüttert werden, ist bissig, launisch, und wenn er sich nicht zu benehmen lernt, wird er eingeschläfert.

Mit den Entlassungen bei den Wirtschaftstiteln hat sich ein weiterer Trend angekündigt: der zur Konzentration. Die Mantelredaktion ist das Gebot der Stunde, Stock- und Hutredaktionen werden folgen. Niemand weiß wirklich, warum „Frau aktuell", „Frau im Spiegel", „Frau mit Herz", „Die neue Frau", „Bild der Frau" und „Echo der Frau" jeweils eigene Büros unterhalten; niemand hat je glaubhaft erklären können, warum „Süddeutsche" und „FAZ" wirklich eigene Nachrichtenredaktionen brauchen. Die Meldungen sind doch immer dieselben – und was gerade wichtig ist, erfährt man aus der „Tagesschau". Es hat nichts mit Vielfalt zu tun, wenn eine DPA-Meldung entweder mit „Steinmeier in der Kritik" oder mit „Merkel attackiert Steinmeier" betitelt wird, vielmehr mit der blanken Verschwendung publizistischer Energie. Langfristig steht zu hoffen, dass analog zur DPA irgendwann eine DPR, eine einheitliche Deutsche Presse-Redaktion antritt, die chaotische Presselandschaft zu ordnen.

Das Spannendste an 2009 ist aber der jetzt schon tobende Wettstreit: „Wer wird die deutsche Huffington Post", wer gründet die erste deutsche Blogzeitung? Keiner der derzeitigen Favoriten kann überzeugen: Wenn es Stefan Niggemeier macht, wäre die „Niggerian Times" viel zu flapsig formuliert, und ihr permanenter Kreuzzug gegen die betrügerischen Machenschaften von Call-in-Sendern würde die Leser auf die Dauer recht rasch ermüden; das steht wohl auch zu befürchten, wenn Stefan Austs Magazin „Austmitteilungen" der Öffentlichkeit die Schwierigkeiten der Pferdezucht auseinanderzusetzen suchte. Und wenn Matthias Matussek zum Zuge käme, entstünde daraus etwas so ungeheuer Lärmiges, dass der Presserat eine Interventionsstreitmacht entsenden müsste. Auf 2009 sollten wir uns freuen – fürchten können wir uns immer noch.

Erschienen in Ausgabe 01+02/2009 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 13 bis 13 Autor/en: Leo Fischer. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.