Medienköpfe & Karrieren

Gleich einen doppelten Erfolg konnte Jochen Wegner Anfang April verbuchen: Erst wurde er zum Geschäftsführer der Tomorrow Focus Portal GmbH berufen – gleichberechtigt mit Martin Lütgenau (39).Zudem erreichten die März-Zahlen für focus online einen „neuen Rekordwert von 25 Millionen Visits", ein Plus von gut 53 %. Und wie vereinbart er seine neue Doppel-Rolle? „Ein Online-Chefredakteur muss beides zusammen denken können", sagt Wegner, denn: „Wer im Online-Journalismus erfolgreich sein will, muss sehr schnell entscheiden können – langatmige Gremienarbeit können wir uns nicht erlauben. Unser Medium ist einfach noch nicht etabliert und eingespielt – wir erfinden, wenn man so will, alle paar Monate die Druckmaschine neu. Und oft hängen derlei Neuentwicklungen eng mit neuen Geschäftsmodellen zusammen." Wegner will sich nun „noch stärker als bisher" um das klassische Geschäftsmodell der Online-Medien kümmern. Da hat er einiges zu tun: Focus Online bekommt „einige neue Beiboote". Und im Mai soll das ambionierte Projekt nachrichten.de live starten. Noch läuft die Testphase: „Das Herz unseres Nachrichten-Roboters schlägt bereits, nur das Gehirn arbeitet noch nicht völlig zufriedenstellend."

Generationenwechsel in Ostwestfalen: Thomas Seim, 49, löst nach mehr als acht Jahren im Spätsommer Uwe Zimmer, 64, als Chefredakteur der „Neuen Westfälischen" in Bielefeld ab. Seim kommt von der „Rheinischen Post" in Düsseldorf, wo er seit 2006 Politikchef war. Davor war er u.a. Bonner Korrespondent für die „WAZ" und Redakteur der „Berliner Zeitung". Sein Vorgänger Zimmer, ehemaliger Bonner Büroleiter des „Stern" und Chefredakteur der „Abendzeitung", übergibt Seim sein Blatt in bemerkenswertem Zustand: Mit 245.936 Exemplaren pro Ausgabe liegt die „Neue Westfälische" nur um 1 Prozent unter ihrem Vorjahresergebnis – unter Regionalzeitungen in Krisenzeiten keine Selbstverständlichkeit. „Allen Zeitungen bläst ein scharfer Wind ins Gesicht, aber für die Regionalzeitungen sehe ich eine große Zukunftschance. Die lokale und regionale Berichterstattung lässt sich durch nichts ersetzen", sagt Seim, der Neue. Und er hat auch schon ein Motto, das das „Hamburger Abendblatt" seit Jahrzehnten in seinem Untertitel führt: „Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen" – das Zitat von Gorch Fock ist als Tageszeitungsmotto sicher etwas antiquiert. Aber es beschreibt ganz gut die Herausforderungen an Regionalzeitungen, die heute noch gelten." Seims alter Arbeitgeber, die „Rheinische Post", deckt ihren Nachrichtenbedarf seit einiger Zeit ohne die Dienste der dpa. Mit einer Antwort auf die Frage, ob das auch ein Modell für die „Neue Westfälische" sei, will Seim sich nicht zitieren lassen. „Die Kompetenz der Redaktion ist das Pfund, mit dem Tageszeitungen heute wuchern können und müssen", sagt er und ergänzt: „Jede Nachrichtenagentur wird sich dieser Konkurrenz am Markt stellen müssen."

Via Twitter (wie übrigens auch Wolfgang Büchner, s. oben) meldete Romanus Otte, 46, seinen Jobwechsel: „Nun verkündet: Morgen wechsle ich als stv. Chefredakteur zu Welt Online. Große Freude auf die Arbeit mit Oliver Michalsky und der Redaktion". Otte tauscht den Job gegen seinen Posten als stellvertretender Chefredakteur der „Welt am Sonntag". Damit ist Ulf Poschardt dort alleiniger Vize neben Thomas Schmid, dem Chefredakteur aller „Welt"-Marken (mit Vorliebe für Print). Otte hatte bei der WamS vor allem als geschäftsführender Redakteur gewirkt und will jetzt wieder näher ans Produkt: „Ich habe den Newsroom vermisst", sagt Otte, „und ich wollte wieder journalistischer arbeiten." Welt Online hat, wie zuvor das „Hamburger Abendblatt", die Verantwortlichkeit der Print-Ressortleiter für die Online-Ressorts eingeführt. „In der gemeinsamen Konferenz um 10 Uhr wird künftig für Print und Online gleichermaßen geplant", sagt Otte. „Damit gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Online First." Während bisher die fertigen Texte erst online gingen, wenn sie auch gedruckt wurden, können sie jetzt auf die Seite gehoben werden, wenn der Autor sie fertiggestellt hat. Außerdem kündigt Otte an: „Künftig werden wir noch stärker aus einer Redaktion die unterschiedlichen Titel des Verlages bedienen, das ist die Herausforderung, vor der wir stehen."

Beim Gong-Verlag in München teilt Chefredakteur Tonio Montel, 63, im Sommer sein Reich unter Kronprinzessinnen und -prinzen auf. Den wöchentlichen Programm- und Frauentitel „Die 2" übergibt er an Carsten Pfefferkorn, 37, der bereits die TV-Zeitschriften „Gong", „Bild+Funk" und „Super TV" leitet. Die Chefredaktion von „Die Aktuelle" erhält Anne Hoffmann, 36, die vom Chefposten des Bauer-Titels „Das Neue" nach München wechselt. Ihr folgt Bild-Redaktionsleiter Jörg Schumacher. Hoffmann, die ihren Job im Mai beginnt, gehört zur raren Gattung weiblicher Chefredakteure. Wie schafft man es in die oberen Etagen, Frau Hoffmann? „Ich würde meinen Führungsstil als kommunikativ, offen und ehrlich beschreiben. Die Frage, ob das explizit weibliche Fähigkeiten sind, müssen andere beantworten. Auf jeden Fall haben sie mir sehr genutzt", sagt sie und ergänzt: „Ich habe als Journalistin und Chefredakteurin keine Benachteiligungen erlebt und musste keinen Konkurrenten an mir vorbeiziehen lassen, bloß weil er ein Mann war."

Nach 32 Jahren im SFB, ORB und rbb verlässt Helmut Lehnert, 58, als Unterhaltungschef den Berlin-Brandenburgischen Sender zum 1. Mai und zieht sich, wie etwas ominös verlautet, „aus der Medienwelt zurück". Nach Ruhestand klingt die Formulierung nicht, eher nach Resignation. „Über einen längeren Zeitraum habe ich erkennen müssen, dass auch meine Energien endlich sind", sagt Lehnert, der seinen Abgang weiter nicht kommentieren will. Seit 2005 war Lehnert Leiter des Programmbereichs Film und Unterhaltung beim rbb, wo er Erfolgs-Formate wie „Krömer – Die internationale Show", „Thadeusz" oder „Feinkost" entwickelte. Der von ihm konzipierte Radiosender „Radio Eins" wurde zum Erfolgsmodell und Vorbild öffentlich-rechtlichen Qualitätsradios. Ex-Sat.1-Chef Roger Schawinski bediente sich bei seiner Schweizer Radiogründung nicht nur des Namens Radio Eins, sondern kopierte – nach seinen Angaben mit Lehnerts Einverständnis – auch den Werbe-Slogan „Nur für Erwachsene."

Beim privaten Radiosender Hitradio FFH („Funk und Fernsehen Hessen") übernimmt Rooel Oosthout, 44, den Posten des Programmchefs von Andreas Schulz, 42, der zum Chefredakteur befördert wurde. Der gebürtige Niederländer arbeitet seit 1997 bei FFH, war zuvor Musikchef und Moderationscoach und bisher Programmchef beim FFH-Jugendableger planet radio. Mit einem Verlust von 82.000 Hörern in der Durchschnittsstunde war Hitradio FFH der Verlierer der jüngsten Radio-Mediaanalyse, woraufhin FFH-Geschäftsführer Hans-Dieter Hillmoth für den Herbst „deutliche Veränderungen" im Programm ankündigte – keine leichte Startsituation für den neuen Programmchef Oosthout. „Es gibt immer mehr verschiedene Interessens-Sparten, was es für einen Mainstream-Sender wie Hitradio FFH schwer macht, Hörer aller Altersgruppen zu halten", sagt er. „Wir müssen den 17-Jährigen ebenso wie den 47-Jährigen ansprechen, das ist die Herausforderung, vor der wir stehen." Technisch werde, glaubt Oosthout, der Internet-Stream die Ukw-Frequenz in naher Zukunft ablösen. „Wir haben deshalb ein I-Phone-Applet entwickelt, mit dem man FFH schon jetzt streamen kann." Der Holländer glaubt nicht, dass sich die Rolle und Funktion des Radios in der Medienlandschaft grundsätzlich ändern wird, es gehe aber darum, im Programm die Gemeinsamkeiten der Menschen im Sendegebiet noch deutlicher herauszustellen: Berichte über Fußballspiele müssten ebenso vorkommen wie
die Begleitung von landesweiten Veranstaltungen wie dem Hessentag. „Hessen bleibt ein fester Bestandteil unserer Berichterstattung", sagt Oosthout. Dieses Regionalitätsprinzip hätten Sender wie der Hessische Rundfunk vom FFH übernommen. Die Öffentlich-Rechtlichen profitierten überdies von einer besseren Sendeabdeckung. „Angesichts der technischen Vorteile und der Gebührenfinanzierung kann ich nur staunen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender keinen größeren Marktanteil haben", sagt Oosthout.

Vom Chefsessel ins Lehrerzimmer wechselt Oscar Tiefenthal, 52: Ab Juni wird der stellvertretender Chefredakteur des Neubrandenburger „Nordkuriers" die Leitung der Evangelischen Journalistenschule übernehmen und in Berlin junge Journalisten ausbilden. Er habe, heißt es beim „Nordkurier", „das Blatt auf eigenen Wunsch verlassen." Tiefenthal, seit 2002 Vize, war in den vergangenen Jahren für die Umsetzung des Regionalisierungskonzepts der Zeitung verantwortlich, das vor allem die Gründung von vier Regionalverlagen bedeutete. In den einzelnen Redaktionen führte Tiefenthal einen Regio-Newsdesk für je zwei bis vier Lokalausgaben ein. „Die Auflage einer Tageszeitung in Ostdeutschland halbwegs konstant zu halten erfordert sehr viel mehr Aufwand und Kreativität als in den alten Bundesländern", sagt Tiefenthal über seine Zeit im Osten, in der ihm der Kostendruck die eine oder andere schlaflose Nacht gekostet haben dürfte. „Der demographische Wandel trifft uns hier besonders stark, und die Kaufkraft in der Region, in der der, Nordkurier‘ erscheint, ist die geringste in Deutschland." In Berlin muss sich Tiefenthal um die Zukunft nicht mehr sorgen: Die Evangelische Kirche hat die Finanzierung der Journalistenschule gerade erst auf Jahre hinaus gesichert.

Lob & Preis

Astrid Frohloff (46), Vorstandssprecherin der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG), hat in Berlin den „Roland-Berger-Preis für Menschenwürde" stellvertretend entgegengenommen. Der mit 900.000 Euro dotierte Preis wird das Budget der auf Spenden und Mitgliedsbeiträgen angewiesenen Organisation mit Sitz in Paris um ein Fünftel aufstocken. ROG will das Preisgeld dafür einsetzen, akut bedrohten Journalisten zu helfen, zusätzliche Recherchen bei gravierenden Verstößen gegen die Pressefreiheit anzustellen und für das Anliegen von ROG mehr Öffentlichkeit herzustellen. Roland Berger und die Jurymitglieder, darunter Joschka Fischer und Kofi Annan, zeichnen mit dem Preis Personen und Institutionen aus, die sich um Achtung, Förderung und Schutz von Menschenwürde und Menschenrechten in einer weltweit offenen und friedlichen Gesellschaft verdient gemacht haben.

Info: www.rolandberger-stitung.org

Jörg Schindler und Matthias Thieme von der „Frankfurter Rundschau" werden für ihre Recherchen zu den Spendengebahren bei der deutschen UNICEF am 6. Mai in Frankfurt mit dem Jubiläums-"Wächterpreis der Deutschen Tagespresse" ausgezeichnet. Die Auszeichnung wird 2009 zum 40. Mal vergeben.

Der 2. Preis geht an Christiane Wolff („Trierischer Volksfreund"), der 3. an Jürgen Bock („Stuttgarter Nachrichten"). Den Volontärspreis erhält Philip Eppelsheim (FAZ). Für sein journalistisches Lebenswerk wird der Publizist Klaus Harpprecht ausgezeichnet.

Info www.waechterpreis.de

Thomas Roth (57) und Stephan Stuchlik (42) sind die Preisträger des diesjährigen „Liberty Award". Mit dem mit 15.000 Euro dotierten Preis zeichnet Reemtsma 2009 zum dritten Mal Auslandskorrespondenten aus, die sich um das Thema Freiheit verdient gemacht haben. Die ARD-Korrespondenten Roth und Stuchlik überzeugten laut Jury mit ihrer umfassenden und differenzierten Berichterstattung über den Krieg in Georgien. Der „Liberty Award" ist mit 15.000 Euro dotiert und wurde 2007 von der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH ins Leben gerufen.

Info: www.liberty-award.de

Erschienen in Ausgabe 04+05/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 76 bis 77. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.