Blasen und Phrasen

„Spannend“

Oftmals bedeutet eine Phrase genau das Gegenteil des Gesagten. So auch hier. Wenn ein Wortgewaltiger, ein Medienmensch zumal, das Wort „spannend“ in den Mund nimmmt, dann kann man in der Regel erst einmal entspannen. „Das ist ein spannendes Thema …“ Generationen von Redakteuren wissen es – mit diesen Worten wird kein „spannendes“, sondern ein „ätzendes“ Thema in die Diskussion eingebracht. Meistens sind es geklont wirkende Anzugsträger, die dieses oder jenes „spannend“ finden auf der Scuhe nach ihrer nächsten „Herausforderung“. Aber auch nur dann, wenn sie sich nicht selbst ihrer „spannenden“ Aufgabe oder ihrem „spannenden“ Thema widmen müssen. Und wenn ein Chefredakteur den üblichen 08/15-Mix aus Mode, Beauty und Lifestyle zusammenrührt, um ein paar Anzeigenkunden mit sogenannten Umfeldern zu betören, was bringt er da heraus? Klar: „Ein total spannendes Heft.“ Man kann den Spieß aber auch umdrehen und Vorgesetzte mit fortgeschrittener Pharsenkunst verblüffen. Wenn ein offensichtlich todlangweiliges/unsinniges/unangenehmes Projekt oder Thema in einer Konferenz auf den Tisch kommt, dann ergrteifen sie die Initiative mit dem Satz „Das finde ich jetzt total spannend.“ Nur nicht vergessen, den Mist gleich an eine andere Abteilung weiterzureichen.

„Wir müssen hintergründiger werden.“

Wenn wir schon beim Thema neue Magazine oder Relaunchs sind. Neben dem meist nicht näher definierten Allheilmittel „Qualität“ wird gerne gefordert, z. B. Printmedien müssten „hintergründiger“ werden, um heil aus der Krise zu kommen. Aus der Chefredaktion erschallt dann der Ruf: „Wir brauchen mehr Hintergrund!“ Dahinter steckt der Gedanke, dass man sich abheben möchte vom alltäglichen Nachrichten-Einerlei, man will den „Blick hinter die Kulissen“ bieten, die „Zusammenhänge deutlich machen“. Eigentlich ein löblicher Gedanke. Dumm nur, wenn die Entscheidungsträger merken, dass mit fisseliger Hintergrund-Arbeit kaum Ruhm und Ehre einzusammeln sind. Und teuer ist es obendrein. Was ist zu tun? Man könnte einfach das übliche Zeug ein bisschen länger schreiben und nennt es einfach „Hintergrund“. Das ist dann freilich nicht mehr löblich, sondern schlicht lang und langweilig. Oder eben „spannend“ im beschriebenen Sinne.

„Schnelle Schritte, fester Händedruck“

Beide Formulierungen gehören zum unverzichtbaren Phrasen-Schatzkästlein des Porträt-Schreibers. In den allermeisten Fällen treten sie gemeinsam auf. Was soll man schon immer schreiben, wenn einen die Redaktion beauftragt hat, einen stinklangweiligen Bürohengst zu porträtieren? Da hockt man eine Dreiviertelstunde im schmucklosen grauen Büro, an der Wand hängen irgendwelche Kurven und der Schreibtisch ist so aufgeräumt wie die Ansichten des Gegenübers. Wo es keine Reibungspunkte gibt, stürzt man sich eben auf das Erstbeste. Und das sind oft die wenige Sekunden während der Begrüßung. Da kam unser Bürohengst eilig herangaloppiert und drücke unserem Reporter die Hand. Das war‘s. Diese Banalität wird dann im Text zum hervorstechenden Charakterzug umgedeutet. Der „schnelle Schritt“ steht für Entscheidungsfreudigkeit, der „feste Händedruck“ für Entschlusskraft. Wohl dem, der solche Porträt-Schreiber hat.

„Integrierter Newsroom“

Es gibt zahlreiche Phrasen, die in der aktuellen Krise die Runde machen. „Crossmedia“, „Kanäle“ oder besser: „Channels“, die „bespielt“ werden usw. Eines der schönsten Windbeutel-Worte ist „Integration“, bzw. das dazugehörige Verb „integrieren“. Ohne diesen Zusatz kommt heutzutage kaum ein Großraumbüro aus. Das öde Großraumbüro ist nämlich zum „integrierten Newsroom“ mutiert. Was meist nichts anderes bedeutet, als dass Print- und Online-Kollegen in einem Großraumbüro zusammensitzen und zusammenarbeiten. Was genau, wohin „integriert“ wird, das erschließt sich meisten nicht so genau. Werden die Onliner bei den Print-Leuten integriert? Wird Print bei Online integriert? Werden die einzelnen Ressorts oder die Chefredaktion integriert? Und wenn ja, wohin? Alles wird integriert, juhuu! Weitere Fragen überflüssig. Vor einigen Jahren noch war die Werbebranche vom Integrations-Virus befallen. Statt Fernsehwerbung oder Anzeigen wurde plötzlich nur noch „integrierte Kommunikation“ angeboten. Auch da ließ sich nicht so ganz genau sagen, was eigentlich wie und wohin integriert wurde, was dem Erfolg der Phrase freilich keinen Abbruch tat. Im Gegenteil. Je mehr wir uns phraseologisch im Ungefähren bewegen, desto wirkungsvoller.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 70 bis 70. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.