Spezialist in der Nische

Eine spezielle Ausbildung als Fachjournalist braucht man dafür nicht unbedingt. Ich bin ein typischer Quereinsteiger: Ich habe zwar in den neunziger Jahren Agrarwirtschaft in Gießen studiert, Energiethemen spielten damals aber noch keine Rolle. Das Fachwissen für den Energiebereich habe ich mir bei Seminaren, Messen und mit Fachliteratur angeeignet. Da ich vor allem Nutzwertjournalismus mache, brauche ich ein gutes Grundlagenwissen und Kontakte in der Branche, um beispielsweise ein neues Gesetz, eine neue Technik oder eine neue Einkommensmöglichkeit bewerten und gut lesbar aufbereiten zu können.

Wie findet man ein Thema, mit dem man eine Nische besetzt? Dass ich meinen Schwerpunkt auf erneuerbare Energien gelegt habe, war eher Zufall. Als Diplom-Agraringenieur war ich fast sieben Jahre lang Redakteur bei einem landwirtschaftlichen Monatsmagazin. Ende 1999 zeichnete sich ab, dass die Bundesregierung Strom aus erneuerbaren Energien stärker fördern will. Mich interessierte das Thema und ich besuchte Seminare, Vorträge usw. und wurde so zum Ansprechpartner für regenerative Energie in der Redaktion. Da mich das Thema sehr interessierte und ich es für vielversprechend hielt, lag es nahe, mich beim Schritt in die Selbstständigkeit 2004 ganz darauf zu konzentrieren. Mir war zu diesem Zeitpunkt natürlich auch klar, dass es eine Nachfrage nach solchen Themen geben würde. Grundsätzlich gilt sicher: Das Thema sollte man so wählen, dass man damit eine möglichst breite Leserschaft erreicht. Beim Thema „Erneuerbare Energien“ haben z. B. Hausbesitzer, Landwirte, Rechtsanwälte, Banken, Händler und Hersteller Interesse. Entsprechend breit ist die Basis potenzieller Kunden. Und natürlich sollte man entweder Vorkenntnisse oder Interesse für das Spezialthema mitbringen.

Warum ist eine Spezialisierung wichtig? Aus zwei Gründen: Ohne Fachwissen fehlt einem das Gespür für neue Themen und für die Probleme der Leser. Mit dem Fachwissen, einem gut geführten Archiv, einer elektronischen Adressdatei und einschlägiger Literatur reduziert sich aber auch die Recherchezeit. Nur so kann man wirtschaftlich arbeiten.

Ein weiterer Vorteil aus der Spezialisierung ist, dass man mit der Zeit auch als Experte zu diesem Thema gefragt ist und sich damit Einkommensmöglichkeiten auch außerhalb des unmittelbar journalistischen Bereichs erschließt. Ich habe zum Beispiel begonnen, auch Vorträge zum Thema „Bioenergie“ zu halten. Außerdem folgten Einladungen zur Moderation von Podiumsdiskussionen. Parallel dazu entwickelten sich Seminare an der Volkshochschule oder auch für Firmen zum Thema „Pressearbeit“. Im optimalen Fall ergeben sich so Rückkopplungen auch auf den Journalismus. Bei mir wurden durch die Vorträge auch immer wieder neue journalistische Auftraggeber auf mich aufmerksam.

Wie kommen Fachjournalisten an Kunden? Viele Fachredaktionen sind spärlich besetzt und arbeiten gern mit freien „Spezialisten“ zusammen. Die Akquise ist deshalb für Spezialisten deutlich einfacher als im Publikumszeitschriftenbereich. Ich sprach am Anfang meiner Selbstständigkeit auf Messen mehrere Redaktionen an und bekam sofort Aufträge. Darunter war beispielsweise ein Wochenmagazin, das nur für Landmaschinenhändler schreibt. Daraus hat sich dann mehr entwickelt: Nach gut einem Jahr hat mich die Redaktion gefragt, ob ich nicht den Bereich „Motor- und Gartengeräte“ übernehmen möchte, zu dem es einmal monatlich einen Schwerpunkt gibt. Später bekam ich von der gleichen Redaktion das Angebot, ein Magazin für Agrar- und Landtechnikstudenten zu betreuen, das zweimal im Jahr herauskommt.

Ich habe von der engen Spezialisierung aus meinen Themenbereich also wieder stärker aufgefächert, weil es mir als allein verdienendem Familienvater zu riskant war, thematisch nur auf eine einzige Karte zu setzen. Ein weiterer fester Kunde ist heute ein Publikumsmagazin zum Thema „Leben auf dem Land“, für das ich regelmäßig Geschichten über Wildtiere schreibe.

Bieten Fachjournalisten Themen an oder werden sie angefragt? Bei den Redaktionen, bei denen ich als fester Freier arbeite, schlage ich die Themen meistens selbst vor. Häufig entwickeln wir aber auch in Redaktionsbesprechungen gemeinsam Geschichten. Bei den anderen Auftraggebern kommen die Redaktionen mit Anfragen meistens auf mich zu, weil sie wissen, dass ich das von ihnen gesuchte Fachwissen habe. So ergeben sich auch Absatzmöglichkeiten bei regionalen und überregionalen Tages- und Wirtschaftszeitungen, wie zum Beispiel bei der „Financial Times Deutschland“.

Wie viel Zeit muss man als Fachjournalist in Fortbildung investieren? Bei der Arbeit an den einzelnen Themen bleibt man ja kontinuierlich auf dem neuesten Stand des Themas. Trotzdem ist es natürlich wichtig, auf Kongressen und Messen präsent zu sein – einerseits, um sich zu informieren, andererseits aber auch, um potenzielle Kunden kennenzulernen. Pro Monat besuche ich im Schnitt zwei Kongresse, etwa sechs Mal im Jahr eine Messe.

Kann man von Fachzeitschriften-Honoraren leben? Ja. Meine Einkünfte setzen sich aus Tagessätzen sowie Seiten- und Zeichenhonoraren zusammen. Übliche Seitenhonorare bei Fachmagazinen bewegen sich zwischen 100 und 200 Euro. Bei jedem Auftrag kalkuliere ich anhand des vereinbarten Honorars und meines angestrebten Tagessatzes, wie viel Arbeitszeit ich für den Beitrag maximal zur Verfügung habe. Sollte ich länger benötigen, versuche ich, Teile der Recherche-Ergebnisse für einen anderen Artikel zu verwerten. Als Faustregel gilt: Je höher das Honorar und je fester die Zusammenarbeit mit einer Redaktion, desto exklusiver ist die Berichterstattung. Eine klassische Zweitverwertung bleibt da eine Ausnahme.

Unterm Strich hat sich der Schritt in die Selbstständigkeit für mich sehr gelohnt. Ich hatte in den letzten fünf Jahren drei Angebote für eine Festanstellung, die ich aber alle abgelehnt habe. Auch wenn sich die Arbeitszeit auf etwa 60 Stunden pro Woche erhöht hat: Auf das höhere Einkommen, die Vielseitigkeit und die Arbeitsqualität durch die Arbeit von zu Hause aus möchte ich heute nicht mehr verzichten.

Serie „Freie Köpfe“:

„mediummagazin“ stellt gemeinsam mit Freischreiber e.V., dem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, hier iProjekte und Profile von Freien vor und wie sie sich im Markt behaupten.

Bisher sind erschienen: Das Online Magazin „16vor“ (mm 4-5/09),

Das Büro „Freizeichen“ (mm 6/09), nachzulesen auch unter

www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 32 bis 32 Autor/en: Hinrich Neumann. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.