Übung fürs Teamplay

?Welche Kompetenzen brauchen Journalisten heute, da immer mehr Medien auf crossmediale Angebote setzen?

Dr. Sonja Kretzschmar: Die erforderlichen Grundkompetenzen für guten Journalismus bleiben gleich. Aber Journalisten sollten heute die Stärken und Schwächen von allen Medien kennen, um das mehrmediale Potenzial einer Geschichte zu erkennen und realisieren zu können. Das gilt übrigens gleichermaßen für Print-,

TV- und Hörfunkjournalisten. Kenntnisse im Online-Journalismus sind für alle unerlässlich, denn das ist die Plattform für das crossmediale Publizieren. Notwendig sind auch Bereitschaft zur Arbeit in einem mehrköpfigen Crossmedia-Team und Offenheit für experimentelle Arbeitsformen, um den Arbeits- und Nachrichtenfluss bestmöglich zu verzahnen. Das erfordert auch Managementqualitäten. Im Idealfall kommt theoretisches Hintergrundwissen zur Mediennutzung dazu, nicht nur von Einzelmedien, sondern von crossmedialen Angebotspaketen.

Ein Wochenendseminar zum Training wird da aber kaum ausreichen, oder?

Das stimmt. Natürlich sollte jeder Journalist seine Kenntnisse erweitern, aber es bringt es wenig, einfach nur Redaktionsmitglieder auf Schulungen zu schicken. Oft werden die neuen Kenntnisse anschließend im Alltag dann kaum genutzt, weil diese Teamarbeit in der Praxis auch geübt werden muss. Das kommt oft zu kurz.

Wie kann eine Redaktion das parallel zum Tagesgeschäft üben?

Zum Beispiel, indem sie anhand eines konkreten Themenprojektes durchspielt, wie eine Geschichte quer durch alle Medien erzählt werden kann. Dabei können Journalisten erfahren, dass crossmediales Arbeiten eine Bereicherung von dem sein kann, was Journalismus im Kern ausmacht: kreativ Geschichten zu erzählen, und dabei über mehr Möglichkeiten zu verfügen, als es bisher der Fall war. Der zweite Schritt wäre dann die Überlegung, wie die Projekterfahrung in den redaktionellen Alltag integriert werden kann.

Viele befürchten aber in dem „Mehr an Möglichkeiten“ auch einen erheblich größeren Aufwand.

Die Gefahr besteht durchaus, wenn ohne ausreichende Kenntnisse zusätzlich zur normalen Arbeit vom Umfang her mehr geleistet werden soll. Dann werden meist nur die gleichen Inhalte über verschiedene Kanäle fast 1:1 ausgespielt. Der journalistische Qualitätsanspruch muss aber unabhängig vom Trägermedium auf allen Kanälen der gleiche sein. Sonst wird die Marke verwässert. Wer aber die Vorteile der verschiedenen Ausspielkanäle kennt, der begreift auch, mit welcher Logik eine Geschichte crossmedial erzählt werden kann und wo in den Arbeitsabläufen Synergien aktivierbar sind. Eine „Breaking News“ erst über das Handy zu schicken, dann als Tickermeldung auf die Website zu stellen, ist für den Einzelnen kein großer Mehraufwand. Das crossmediale Zusammenspiel in einer Redaktion einzuüben, braucht jedoch seine Zeit und ein gutes Management der Redaktionsleitung.

Gilt das nur für die Redaktionen?

Dieser Lernprozess betrifft ein Medienhaus insgesamt. Redaktion, Vermarktung, Marketing und Vertrieb sollten nicht weiter als voneinander getrennte Säulen begriffen werden, sondern als miteinander vernetzte Einheiten. Redaktionelle Inhalte müssen dabei aber natürlich unabhängig bleiben. Kurzum: Es ist wichtig, den Wandel selber zusammen zu gestalten, statt von außen gewandelt zu werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Organisation, um etwa in den Redaktionen themenorientiert Spezialisten-Teams für crossmediale Angebotspakete bilden zu können.

Welches Profil wird der Crossmedia-Journalist der Zukunft haben?

Spezialisten wird es weiter geben, auch Alleskönner, zum Beispiel Auslandskorrespondenten, die oft allein für mehrere Medien arbeiten. Er wird aber vor allem „Teamplayer“ sein, der mit den Kollegen gemeinsam jederzeit entscheiden kann, wie ein Thema am besten für die Nutzer, ob es nun Leser, Zuschauer oder Zuhörer sind, aufbereitet werden muss. Entscheidend ist, dass die Medienhäuser ihren Redaktionen die erforderliche Weiterbildung ermöglichen und sie gleichzeitig die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der beschriebene Lernprozess auch langfristig und nachhaltig den Wandel ermöglicht, hin zu einem crossmedial arbeitenden Medienhaus.

Steffen Büffel ist freier Journalist und Medienberater n Aachen, Kontakt: Autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Special“ auf Seite 58 bis 59 Autor/en: Interview: Steffen Büffel. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.