Was können Journalisten tun, um nicht auf Sie hereinzufallen, Herr Stahlberg?

Wie der Regisseur Jan Hendrik Stahlberg die Medien narrte, um einen Film zu promoten.

Glückwunsch, Herr Stahlberg, viele Redaktionen sind auf ihre Meldung über den angeblichen Selbstmordanschlag in der fiktiven US-Stadt Bluewater reingefallen, allen voran die dpa. Wie weit gehen Sie beim Marketing für Ihren nächsten Film?

Jan-Hendrik Stahlberg: Ich bin erstaunt, dass Bluewater einfach als PR-Gag abgebügelt wird; es ging mir auch um den Inhalt. Unser Film „Shortcut to Hollywood“ ist eine Mediensatire, in der drei talentfreie Rapper ein Attentat vortäuschen, weil sie einen Skandal brauchen, um berühmt zu werden. Es geht um Skandaljournalismus und das unfassbare Tempo der Medien und den Druck, unter dem Journalisten arbeiten müssen. Mit Bluewater haben wir das in die Realität geholt. Die Aktion ist ein Vehikel, das nicht losgelöst vom Film funktioniert, auf den ich natürlich aufmerksam machen wollte. Aber wir wollten keine Panik wegen eines Anschlages auslösen. Selbstmordattentate sind nicht satirefähig, vielleicht hat es ja noch niemand gemerkt: Es ist ein Film, auf den man reingefallen ist – niemals wurde irgendwo ein echter Mensch in eine höchst unangenehme Situation gebracht.

Sie haben einigen Aufwand betrieben: Websites und Wikipedia-Einträge gefälscht, Schauspieler als angebliche Augenzeugen aufgeregt bei Redaktionen anrufen lassen, Telefonnummern von vermeintlichen Feuerwehrleute und Polizisten eingerichtet.

Ja, über Skype Rufumleitungen nach Berlin-Friedrichshain. Wenn man uns jetzt erzählen möchte, dass man da nicht hätte draufkommen können, sollte man den „Bildblog“ lesen. Da steht alles drin. Wir haben uns sogar im Impressum der Homepage von VPK – dem falschen Fernseh-Sender – selbst entlarvt. Jeder hätte das lesen können. Wir hätten den ersten Journalisten, der so weit gelesen hätte, zu einem Candlelight-Dinner eingeladen.

Was sollten Journalisten tun, um nicht auf Sie hereinzufallen?

Recherchieren. Ohne Zeitdruck wäre kein Mensch dieser Welt auf uns hereingefallen. Wenn man aber der Erste sein will und muss: Ja, ich hätte nicht in der Haut des Redakteurs stecken wollen, der entscheiden musste, ob die Geschichte stimmt. Wir müssen uns überlegen, wie wir den totalen Zeitdruck in den Redaktionen minimieren, auch im Online-Zeitalter. Viele Journalisten, mit denen ich sprach, zeigten sich absolut solidarisch mit dieser Aktion – das Problem gibt es. Ich denke nicht, dass unser „Aufwand“ das Problem ist. Die nächste Ente kommt bestimmt.

Der Vize-Chefredakteur von dpa, Wolfgang Büchner, hat sechs Lehren aus Bluewater gezogen, z. B. dass bei wichtigen Informationen zusätzliche Redakteure für die Recherche freigestellt werden. Sinnvoll?

Das ist doch großartig. Ganz ohne Häme: Wir haben im Journalismus das Problem, dass immer weniger Zeit für Recherche bleibt, dass ein Skandal auf den nächsten folgen muss, immer lauter, immer schneller. Wenn sich nichts ändert, passiert wieder etwas Ähnliches wie Bluewater, nur dass dann nicht eine Satire dahintersteckt. Es gab Medien, die haben geschrieben, dass man am Ende über Bluewater eigentlich auch wirklich herzhaft lachen kann. Das kommt mir bei der Berichterstattung viel zu kurz – ich hätte es als souveräner empfunden, wenn Journalisten auch einfach sagen: Okay, da haben wir ein Problem und jetzt beheben wir’s. So wie die dpa das gemacht hat.

Interview: Oliver Trenkamp

Erschienen in Ausgabe 10+11/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 12. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.