Blasen und Phrasen

„Eine sehr gute Frage“

Vor allem im angelsächsischen Raum beliebt ist das ausdrückliche Loben von Interview-fragen. „Excellent question“ oder „Great question“ heißt es dann, und oft ist nicht ganz klar, warum eben diese Frage so ausgezeichnet gut sein soll und die zuvor gestellte nicht auch. Vermutlich nehmen sich in Interviews bewanderte Gesprächspartner vor, möglichst ein bis zweimal loszuwerden, dass die ihnen soeben gestellte Frage gefällt. Der Fragesteller kann, wenn er den Befragten nicht vollkommen unsympathisch findet, dann gar nicht umhin, zumindest für Sekundenbruchteile das Lob anzunehmen. „Ja, da habe ich eine gute Frage gestellt“, sagt er sich, bevor er überhaupt dazu kommt, sich zu wundern. Und befindet sich damit sogleich in einer veränderten Gesprächssituation: dort der Befragte, der quasi Schulnoten für die Qualität der an ihn gestellten Fragen verteilt, hier der Schüler, der nach einer Bewertung seiner Fragen japst. Für den Rest des Gespräches wird sich diese Rollenverteilung kaum verändern lassen. Wichtig ist, das Lob möglichst knapp und lässig hinzuwerfen und es nicht zu sehr auszuschmücken. Sonst wirkt das Manöver zu durchsichtig. Eine zweite Möglichkeit gibt es natürlich auch – dass der Befragte die Frage wirklich gut findet, weil sie ihm vielleicht noch nie gestellt wurde. Der Effekt ist trotzdem derselbe.

„Ich bin froh, dass Sie mich das fragen“

Eine Variation auf die vorhergehende Phrase, die allerdings deutlich riskanter ist, weil sie selten überzeugend klingt. Wer auf eine Frage sagt: „Ich bin sehr froh, dass Sie mich das fragen“, der wirkt wie ein Heuchler und ein Zeitschinder zugleich. Bei vielen Interviews ist schon vorab klar, was die entscheidende Frage und der Knackpunkt des Gespräches sein werden. Wer da sagt, er sei froh, dass ihm diese oder jene Frage gestellt wird, ist unglaubwürdig. Tatsächlich geht es also mehr darum, den Zuhörern und Zuschauern zu zeigen, dass man trotz einer kniffligen Frage die Haltung bewahrt. Wer das glaubwürdig hinbekommt, vor dem kann man den Hut ziehen. In 90 Prozent aller Fälle geht der Versuch aber in die Hose.

Erschienen in Ausgabe 09/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 54 bis 55. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.