Blasen und Phrasen

„Bekennend“

Hui, da ist aber jetzt einer ganz schön offen. Und menschlich. Wer in Interviews nicht nur als bärbeißiger Zahlenfresser rüberkommen will, sucht sich irgendetwas, das möglichst alle gut finden und „bekennt“ sich dazu. „Ich bin ja bekennender ‚Stromberg‘-Fan.“ Oder: „Ich bin ja bekennender Horst-Schlämmer-Fan.“ oder „Ich bin ja bekennender Apfelwein-Fan.“ Okay, Letzteres trifft nicht auf jeden zu, aber es macht auch sympathisch. Diese Formulierung zeigt, es gibt noch ein Leben hinter der glatt rasierten Manager-Maske. Aber Vorsicht! Nicht übertreiben. Streng verboten sind: „Ich bin ja bekennender Mario-Barth-Fan“ sowie: „Ich bin ja bekennender Johannes-B.-Kerner Fan“ und sowieso: „Ich bin ja bekennender Dieter-Bohlen-Fan.“ Es gibt halt auch beim Bekennen gewisse Grenzen. Dieselbe Bedeutung hat übrigens der „eingefleischte Fan“ von Irgendwas oder Irgendwem. Klingt aber nicht so elegant.

„Echtzeit-Internet“

Wir brauchen neue Buzz-Words, her mit den neuen Buzz-Words! Bitte sehr, hier ist das neuste: „Echtzeit-Internet“. Ein Begriff, den jeder auf den Lippen führen muss (!), will er oder sie auch nur ansatzweise ganz vorne mitreden. Unter „Echtzeit-Internet“ versteht man gemeinhin, dass irgendwo (meistens in Berlin) irgendeiner (meistens Sascha Lobo) mit ‘nem iPhone hockt und alles was er sieht und hört eintippt und sofort bei Twitter veröffentlicht. Kein Mensch weiß, wie man damit Geld verdienen kann. Frank Schirrmacher hat vor lauter Überforderung mit dem Echtzeit-Internet ein Buch geschrieben („Payback“). Aber alle machen mit. Keine Angst, sie müssen es nicht verstehen, sie müssen es nicht erklären können. Sie müssen nur etwas sagen im Stile von: „Also meiner Meinung nach, wird das Web2.0…“ (kunstvolle Pause) „… also das so genannte Mitmach-Internet, gerade abgelöst vom Echtzeit-Internet … (kunstvolle Pause) „… ich meine damit Twitter und Co.“ Das sollte reichen.

„Warum sind Sie so erfolgreich“

Die nächsten zwei Phrasen tanzen ein bisschen aus der Reihe und passen eher in die Schublade „Kollegenschelte“. „Warum sind Sie so erfolgreich?“ und „wirklich“ sind keine Phrasen, deren sich Manager bedienen, sondern solche, die allzu oft von Journalisten angewendet werden. „Warum sind Sie so erfolgreich?“ steht meistens am Anfang von Interviews. Weil diese Phrasen-Frage sich aber in jüngster Zeit virusartig ausbreitet, hier mal ein paar Gedanken dazu. Übersetzt lautet die Frage „Warum sind Sie so erfolgreich?“ eigentlich: „Jetzt erzählen Sie doch einfach mal ganz lange und unwidersprochen alles, was sie wollen!“ Fängt so ein interessantes Interview an? Eher nicht. Natürlich wird die Frage „Warum sind Sie so erfolgreich?“ meistens nicht in dieser direkten Form gestellt. Sie wird meist notdürftig verkleidet. Zum Beispiel so: „Wie haben Sie es geschafft, die Auflage um 30 Prozent zu steigern?“ Oder: „Warum glauben Sie, hat dieses Konzept funktioniert?“ Es mag ja durchaus sein, dass man den Befragten wirklich ganz toll und superklasse findet – aber in einem Interview wirkt diese Art der Ranschmeiße oft peinlich. Man merkt übrigens, dass man garantiert auf dem falschen Dampfer ist, wenn der Befragte die eigene „Fragetechnik“ anfängt zu loben: „Danke für diese Frage“ oder „Das ist wirklich eine sehr gute Frage“. Bei solchen Repliken sollte die innere Alarmglocke in höchsten Tönen schrillen.

„Wirklich“

Es gibt so eine Gruppe von Phrasen-Worten, die haben gar keine Bedeutung aber trotzdem eine Wirkung. Die kann man einfach einstreuen und sie funktionieren als eine Art Schlüsselreiz. Das Hirn ist darauf konditioniert, anzuspringen. So ein Wort ist „wirklich.“ Im Sinne von: „Was die Stars wirklich denken …“ oder „Welche Rheuma-Mittel wirklich helfen …“ oder auch: „Finanztipps, die wirklich krisenfest sind …“ „Wirklich“ ist ein Versprechen, das niemals eingelöst wird. Denn natürlich „wirken“ diese Tipps nicht oder sind eben bloß die schon tausendfach gehörten 08/15-Ratschläge aus der „Focus-Money“. Und natürlich weiß auch kein Mensch, was die Stars „wirklich“ denken. Denen hat ja keiner „wirklich“ ins Hirn geschaut. Aber dem eigentümlichen Reiz des Wortes „wirklich“ kann man sich nur schwer entziehen.

Tipp:

Aktuelle Lesetipps von Bernd Stößel finden Sie unter www.mediummagazin.de, Aktuelles

Erschienen in Ausgabe 01+02/2010 in der Rubrik „Rubriken & Kolumnen“ auf Seite 50 bis 50. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.