Die Journalisten des Jahres

Innere Unabhängigkeit wächst nicht einfach, man muss sie sich antrainieren“, sagt Nikolaus Brender (s. a. Interview S. 26ff). Dazu hatte er als Journalist beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk – erst bei der ARD, dann in den zehn Jahren als Chefredakteur des ZDF – reichlich Gelegenheit. Bis 2009. Kaum jemals zuvor haben sich Politiker so massiv und unverhohlen in die Besetzung journalistischer Spitzenämter eingemischt, wie es Hessens Ministerpräsident Roland Koch bei der vom Intendanten vorgeschlagenen Vertragsverlängerung Brenders tat. Nach dem Votum der Unions-Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat am 27. November gegen jenen Vorschlag endet die Amtszeit von Brender offiziell Ende März 2010, nicht aber die Debatte um die Unabhängigkeit und Garantie der Rundfunkfreiheit.

Mit der Wahl von Nikolaus Brender zum „Journalist des Jahres 2009“ setzt die „medium magazin“-.Jury ein Zeichen – das den Journalisten Brender in seinem langjährigen, unbestrittenen Bemühen um Unabhängigkeit ehrt und zugleich ein medienpolitisches Statement ist. In der Begründung der Jury heißt es: „In der „Causa Brender“ offenbarte sich ein medienpolitischer Sündenfall, der das ZDF und den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv trifft. Die „medium magazin“-Jury fordert daher die Verantwortlichen in der Politik auf, Lehren aus der Auseinandersetzung um den ZDF-Chefredakteur zu ziehen und die eigene Haltung selbstkritisch zu prüfen. Statt Lippenbekenntnisse sind jetzt konkrete Taten gefordert: Der ZDF-Staatsvertrag muss so geändert werden, dass eine parteipolitische Instrumentalisierung von journalistischen Spitzenpositionen des Senders künftig unmöglich ist.“

Außer der Reihe hat die Jury für 2009 einen Sonderpreis vergeben – für eine herausragende politische Berichterstattung, die ein kritisches Thema zum Jahresende auf besondere Weise ins öffentliche Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte: den Afghanistan-Konflikt als Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Mit dem Bericht von Stefan Kornelius in der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) am 12. Dezember unter dem Titel „Er wollte die Menschen treffen, nicht die Fahrzeuge“ wurden erstmals Details des geheimen Isaf-Berichts über den deutschen Bombardement-Befehl in Kundus öffentlich: Nämlich die Tatsache, dass der Angriff der gezielten Tötung mlitiärischer Gegner galt, somit klar wurde, dass die Bundeswehr aktiv Aufständische bekämpft und nicht nur auf Gegner reagiert. Damit sind die ohnehin virulenten Fragen nach dem militärischen Selbstverständnis der Deutschen, der Ehrlichkeit im Umgang mit dem schwierigen Thema Krieg und insbesondere mit dem Afghanistan-Einsatz unausweichlich geworden.

Der SZ-Beitrag erschien erst nach Abschluss unseres Nominierungsverfahrens für 2009. Die Jury befand aber, dass diese Berichterstattung in der Würdigung der „Journalisten des Jahres 2009“ nicht unberücksichtigt bleiben sollte.

Ebenfalls wurde über die Preiswürdigkeit der „Bild“-Berichterstattung diskutiert, die am 26. November mit der Aufdeckung des Feldjäger-Berichts und der darin enthaltenen Kritik an jenem Einsatz den Stein in der öffentlichen Debatte ins Rollen brachte. Die Mehrheit der Jury sprach sich jedoch dafür aus, Stefan Kornelius als den Autor des SZ-Berichts mit dem Sonderpreis zu ehren für eine besondere Recherche- und Berichterstatterleistung: weil sie weit über die Frage nach der politisch-personellen Verantwortung hinausreicht und eine klärende Auseinandersetzung über das militärische Selbstverständnis Deutschlands erzwingt (s.a.Seite 3, 25).

Termin. Am 14. Januar 2010 findet die 6. Preisverleihung an die „Journalisten des Jahres“ im Deutschen Historischen Museum Berlin statt. Eingeladen sind wie immer die Top-Preisträger 2009, die Jury und Sieger der Vorjahre. An dieser Stelle bereits ein herzlicher Dank an die Metro Group und die Otto Group, die die Preisverleihung 2010 ermöglichen.

1 Nikolaus Brender

Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF)

Begründung: „Nikolaus Brender hat mit seinem konsequenten Beharren auf journalistische Unabhängigkeit Zeichen gesetzt, die über den eigenen Sender hinaus auf die ganze Medienbranche ausstrahlen – umso mehr, als unter wirtschaftlichem Druck eine unabhängige Berichterstattung in allen Medienbereichen zunehmend gefährdet ist. Mit seinen klaren Vorstellungen von journalistischer Qualität und seiner oft von nützlicher Sturheit geprägten Diskussionsbereitschaft hat er das journalistische Ideal der politischen Unabhängigkeit stets wacker gegen politische Partikularinteressen verteidigt: Nikolaus Brender ist ein unbequemer, authentischer Journalist mit Haltung. Umso mehr kritisiert die medium magazin-Jury, dass der ZDF-Chefredakteur 2009 zum Spielball parteipolitischer Interessen wurde und der Verwaltungsrat des Senders die vom ZDF-Intendanten vorgeschlagene Vertragsverlängerung verhinderte.“

Linktipp:

Die Liste mit den vollständigen Begründungen für die Wahl der Journalisten des Jahres 2009 und den Erklärungen zum Wahlverfahren ist nach der Preisverleihung am 14. Januar abrufbar unter www.mediummagazin.de – exklusiv für Abonnenten bis Ende Februar mit Passwort JJ09

Erschienen in Ausgabe 01+02/2010 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 16 bis 16 Autor/en: Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.