Der Profi-Besserwisser – künftig auch beim „Spiegel“

Deutschlands Hoffnung habe einen Namen, sagte Michael Jürgs (64) dem „Spiegel“, als er gerade seine 256-seitige Medienkritik „Seichtgebiete“ mit viel Prügel für das Fernsehen veröffentlicht hatte. Die Hoffnung heiße Stefan Raab, so jemanden müssten sich ARD und ZDF dauerhaft ins Haus holen, weil der andere Formate verarsche und sie gleichzeitig besser mache. Jetzt soll Jürgs selber zeigen, was er besser machen will, im Auftrag der „Spiegel“-Gruppe, die ihn zum 1. Mai als Berater ins Haus holt: „Er wird an der Entwicklung neuer Print- und Online-Formate mitwirken“, heißt es knapp aus dem Verlag. Jürgs selbst gefällt sein neuer Titel nicht sonderlich: „ Ich bin kein Berater, das klingt wie Eunuch. Ich gebe Ideen weiter, was eventuell neue Projekte betrifft“, sagt er. Wo er denn Beratungsbedarf beim „Spiegel“ sieht? Seine knappe Antwort: „Das ist allein Entscheidung der Chefredakteure des, Spiegel‘, die im Übrigen ganz bestimmt nicht meine Beratung brauchen, dafür haben sie eine große Redaktion.“ Wie könnte die neue Zusammenarbeit also konkret aussehen – den „Spiegel“ fürs iPad vorbereiten? Neue Magazin-Ableger erfinden? Dass Jürgs kaum eine Aufgabe als zu groß empfindet, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Auf die Frage „Als was würden Sie wann gerne leben?“ antwortete er der „Hamburger Morgenpost“ einmal: „Als Pariser beim Sturm auf die Bastille 1789.“ Stürmisch verlief auch Jürgs Karriere: Mit 16 will er Journalist werden, mit 23 leitet er das Feuilleton der Münchner „Abendzeitung“, mit 31 ist er jüngster Ressortleiter beim „stern“ (Unterhaltung/Kultur), mit 41 Chefredakteur. Er verlässt das Heft im Streit, wechselt zu „Tempo“, schreibt Bücher über Romy Schneider, Axel Springer, Günter Grass, die Treuhand, Ossis und Wessis – alles Bestseller; sein Gespür für Themen lässt Jürgs nie im Stich. Die Hoffnung des „Spiegel“ hat einen Namen: Michael Jürgs. Er selbst reagiert auf diese Formulierung gewohnt deutlich, aber ungewohnt bescheiden: „Ich bin weder Hoffnungsträger noch Raab.“

Erschienen in Ausgabe 04+05/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 78 bis 78. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.