Das Wettrüsten Der Agenturen

Immer mittwochs schmieden sie Pläne. Dann schart Cord Dreyer, Chef von Deutschem Depeschendienst und Deutschem Auslands-Depeschendienst, ein festes Team um sich. Ihr gemeinsamer Auftrag: Sie sollen den Marktführer dpa „verzichtbar“ machen. Zumindest stellten das die ddp-Eigner Martin Vorderwülbecke und Peter Löw klar in Aussicht, als die beiden im Dezember zu ihrem bisherigen Agenturgeschäft auch noch den hiesigen Dienst der Associated Press hinzugesellten. 13,2 Millionen US-Dollar war ihnen dieser Deal wert – Lizenzgebühren für das internationale AP-Material on top.

Reinhardtstraße 52, vis-à-vis der Bundespressekonferenz, beste Lage. Im siebten Stock der ddp-Zentrale kommen die ddp/DAPD-Strategen jede Woche in einem schlichten Konferenzraum zusammen. Dreyer hat die Glaswände zukleben lassen. Niemand soll einen Blick hineinwerfen können, in diesen „war room“, wie ihn manche Beteiligte schon mal amüsiert nennen. Im Inneren: Schaubilder und Skizzen – die Zukunft des dpa-Rivalen.

Das Team bilden Dreyer, ddp-Vize Rainer Höhling, je ein Mitarbeiter von ddp und DAPD sowie Vertriebschef Holger Zöllner. Während Wolfgang Büchner bereits seine „neue dpa“ bewirbt, hält sich Dreyer noch bedeckt. Vieles sei noch nicht entschieden oder müsse erst noch mit dem Betriebsrat ausgelotet werden, sagt er – und berichtet stattdessen von mehr als 50 Gesprächen mit Zeitungen und Sendern, die er seit seinem Antritt im April geführt habe: „Unsere Kunden wollen mehr von den Landesdiensten, fast ausnahmslos ein Ende der Dopplungen in den Basisdiensten und mehr seitentragende Auslandsgeschichten.“

Dreyer sagt, er wolle all diese Wünsche erfüllen und dafür nur noch mit einer Agentur aufwarten. Dafür werde „unnötige Doppelarbeit abgeschafft“ und „vor allem die Interessen der Zeitungsredaktionen“ bedient: „Das Printgeschäft ist und bleibt unser Kerngeschäft.“ Für das Interesse dieser Zielgruppe baut Dreyer eine Spezialredaktion auf, die sich allein um Analysen und investigative Geschichten kümmert, kurzum: Schlagzeilen liefert. Dreyer sagt dazu: „Wir werden Kollegen haben, die entkoppelt von der Tagesaktualität arbeiten und so mit weit größerer Distanz an die Themen herangehen können, als das sonst im Agenturbetrieb üblich ist.“

Der Plan, eine solche Einheit aufzubauen, sickerte bereits durch. Dreyer und DAPD-Chef Peter M. Gehrig haben einige DAPD-Mitarbeiter, aber auch neue Kollegen, bereits in einer Firma angestellt, die laut Handelsregister passenderweise „DAPD Korrespondenz und Recherche GmbH“ heißt und erst in diesem Frühjahr gegründet wurde. In der Belegschaft beider Agenturen sorgt das für Unmut. Manch einer befürchtet, alle anderen Mitarbeiter würden zu reinen Termin-Maschinen degradiert, die Meldungen schrubben, aber nicht mehr an eher zeitlosen Themen arbeiten und Reportagen wie Portraits schreiben dürften.

„Quatsch! Jeder wird auch Features liefern und recherchieren, wie es sich für einen Agenturjournalisten gehört“, versichert hingegen Dreyer, der auch sagt: „Nicht jeder, der bei Korrespondenz und Recherche angestellt ist, wird ausschließlich investigativ arbeiten.“ Das würden „eher eine Handvoll, aber auf keinen Fall zwei Dutzend“ tun.

Viele Baustellen, an denen dpa und ddp/DAPD arbeiten, gleichen sich: Der Marktführer löst mit dem Redaktionssystem „Ines“ seine veraltete Technik ab. „Ines“, entwickelt in Kooperation mit einer tschechischen Agentur, läuft bereits am Fotodesk, wohl aber erst in einigen Monaten auch bei den Textredakteuren. ddp/DAPD führen „Mars“ ein, ein Einkauf von der Austria Presse-Agentur (APA), die einst Technikpartner der dpa war, jetzt aber der neuen Agentur-Allianz das Feld bestellt. „Mars“ läuft bereits in der Online-Redaktion, wohl aber ebenfalls erst gegen Herbst in den anderen Bereichen. Beide Systeme sind darauf ausgelegt, dass Redakteure Text, Foto und Grafik auf einen Schlag ausspielen. Bisher brauchen sie dafür nachgelagerte Teams wie die dpa-Infocom.

So wie die dpa zum Juli einen neuen Newsroom beziehen wird, steht das auch bei ddp/DAPD an: Wenn es im Herbst an die Umsetzung des neuen Konzepts geht, ziehen die bisher strikt getrennt werkelnden Inlands-Redakteure von ddp und DAPD zusammen. Wer bisher für DAPD-Inland in Frankfurt saß, wird in die Hauptstadt ziehen müssen. Nur die Auslandsredaktion soll weiter am Main bleiben. Insgesamt arbeiten für die neue Agentur-Allianz gut 250 Mann, bei der dpa sind es noch gut 450, wobei Chefredakteur Wolfgang Büchner mit dem Umzug etwa 30 Stellen streicht. ddp/DAPD stellt im Gegensatz ein.

Derzeit arbeiten der Basisdienst von ddp sowie die Hauptstadt-Korrespondenten von ddp und DAPD noch im dritten Stock der Agentur-Zentrale, das sogar in getrennten Büros, um die laufenden hoch datierten Verträge der ehemaligen AP-Deutschland nicht zu gefährden. Sie tauschen zwar ab und an Zitate aus, aber keine Meldungen oder Bilder, wie „medium magazin“ neben Dreyer auch mehrere Redakteure versicherten. Das sei „tabu“ und werde erst mit dem Relaunch der Agentur gegen Herbst aufgelöst, wenn alle im zweiten Stock Platz nehmen sollen, der derzeit noch einer Großbaustelle gleicht.

Der Unterschied aber sind die Dimensionen: Die Zentralredaktion des Marktführers wird mehr als 300 Mitarbeiter auf knapp 4.500 Quadratmetern umfassen – die von ddp/DAPD nur etwa 100 Mitarbeiter auf gerade einmal 840 Quadratmetern.

Ein Wettlauf zeichnet sich nicht nur bei der Umstellung der Technik, den Newsrooms und Redaktionskonzepten ab, sondern auch bei den Kundenportalen. Die dpa testet bereits zusammen mit ausgewählten Verlagen „dpa News“. Dort bereitet die Agentur klassische Tickermeldungen wie auf einem Online-Portal auf, gewichtet das Material, verteilt es in Ressorts und bietet Kunden die Möglichkeit, das Angebot in dem geschützten Bereich zu kommentieren und Wünsche zum Tagesprogramm zu äußern. Ähnliches plant offenbar auch der ddp. Dreyer sagt jedenfalls, ohne aber konkret zu werden: „Wir sind mit einer Portallösung in den letzten Zügen und werden sie noch in diesem Sommer präsentieren.“

Bei dieser Materialschlacht in der Hauptstadt geht fast unter, was sich in Köln tut: Dort hat gerade der Sport-Informations-Dienst (SID) sein neues Quartier samt Newsroom bezogen, am logistischen Knotenpunkt der Stadt, dem Hauptbahnhof. Auf den 1.200 Quadratmetern produzieren etwa 60 Redakteure ein Spartenangebot, das für den Wettstreit zwischen dpa und ddp/DAPD ein wichtiger Baustein ist. Wer wie die WAZ-Gruppe gänzlich auf die dpa verzichten will, der kommt am SID nicht vorbei, der eine Tochter der Agence France-Presse (AFP) ist: Weil der Aufbau eines flächendeckenden Sport-Angebots zu teuer ist, fehlt der neuen Agentur-Gruppe dieses wichtige Segment. Wer Dreyer darauf anspricht, der erfährt: Das wird auch künftig so bleiben.

Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 24 bis 24 Autor/en: Daniel Bouhs. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.