Versteckte Verurteilung

Moskau Schon Wochen vorher konnte man gespannt sein: Wie würde sich der russische Premierminister Wladimir Putin am 7. April in Katyn aus der Affäre ziehen? Dort gedachte er gemeinsam mit seinem polnischen Amtskollegen Donald Tusk der 22.000 polnischen Kriegsgefangenen, die hier 1940 von Stalins NKWD ermordet worden waren. Also von der Vorgängerorganisation des KGBs, in dem Putin zu Sowjetzeiten jahrzehntelang gedient hatte.

Er löste das Problem sehr intelligent. Putin vermied jede direkte Entschuldigung, erfreute aber seine polnischen Zuhörer und westliche Korrespondenten mit der Erklärung, die Verbrechen der Stalinzeit seien in keiner Weise zu rechtfertigen. „Und wie unangenehm diese Wahrheit auch sein mag, wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass unsere Leute diese Wahrheit erfahren.“ Allerdings straften ihn Russlands staatlich kontrollierte Fernsehsender sofort Lügen: Diese Sätze strahlte nur ein russischer Sender aus, der englischsprachige PR-Kanal „Russia Today“. Die übrigen russischen TV-Sender zeigten zwar Putin in Katyn, aber seine entscheidenden Zitate blieben im Off. Zumindest der liberale Teil der schreibenden Presse hatte seine Katyner Worte durchaus registriert. Aber die fällige Diskussion wurde von den Nachrichten der Flugzeugkatastrophe bei Smolensk drei Tage später im Keim erstickt.

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Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 13 bis 13 Autor/en: Stefan Scholl. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.