Passen Sie auf Ihre Themen auf

Natürlich sind Redaktionen bemüht, fair mit ihren freien Mitarbeitern umzugehen. Und natürlich passiert es trotzdem: Ein Autor bietet ein gutes Thema an, der Redakteur lehnt dankend ab. Später macht es dann doch jemand – und zwar einer aus der Redaktion.

Journalisten, denen das schon einmal passiert ist, erzählen hier von ihren Erlebnissen. Übrigens gibt es die Sorge um das Copyright am eigenen Thema nicht nur bei Freien, sondern auch innerhalb von Redaktionen, wie die Mitarbeiterin einer Nachrichtenagentur berichtet. Oder auch bei Ideen für Sachbüchern wie das Beispiel von Kathrin Passig zeigt. Umgekehrt berichten aber auch Redakteure vom unguten Gefühl, des Ideenraubs verdächtigt zu werden oder eine fantastische Idee zurückgeben zu müssen, weil der Autor leider ungeeignet ist.

Experten stellen klar, dass der Schutz des geistigen Eigentums bei einer Themenidee noch lange nicht greift. Allerdings kann es sinnvoll sein, wenn es um größere Projekte etwa fürs Fernsehen geht, schon im Vorfeld einen Anwalt aufzusuchen.

Manchmal sind die Bestohlenen auch selber schuld: Journalisten reden einfach viel zu gerne. Vielleicht steckt dann gar keine böse Absicht dahinter. Vielleicht weiß ein gestresster Redakteur nach 100 Mails und 70 Anrufen schlicht nicht mehr, wo er das erste Mal von der tollen Idee gehört hat. Oder war es nicht doch die eigene? Überhaupt, die Postfachüberflutung, sie ist ein zunehmendes Problem. Wie können freie Journalisten überhaupt noch durchdringen, wenn neben ihrem noch hundert weitere Angebote im gleichen Postfach landen? Ein Querschnitt mit Stimmen von Journalisten und Urheberrechtsexperten:

1. Die Sicht der Journalisten

Eine freie Kulturjournalistin aus Hamburg:*

„Es war zu Beginn meiner Karriere: Ich habe einem monatlichen Frauenmagazin ein Interview mit einer jungen Filmprofessorin angeboten, die zu dem Zeitpunkt noch nicht sehr bekannt war. Ich erhielt eine Absage. Doch schon in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift entdeckte ich ebenjenes Interview mit der Professorin. Ich habe mich sofort beschwert. Die verantwortliche Redakteurin stritt jedoch ab, das Thema geklaut zu haben. Seitdem biete ich meine Themen nur noch ohne die Namen der Protagonisten an – zumindest, wenn ich die Redaktion noch nicht kenne.“

Eine freie Wirtschaftsjournalistin aus Bonn:*

„Ich habe vor Urzeiten bei der Bewerbung für die RTL-Journalistenschule mein Reportage-Thema auch der, Berliner Zeitung‘ angeboten. Die haben es am Telefon ganz unfreundlich abgelehnt mit Sätzen wie:, Zu uninteressant‘,, Wer sind Sie überhaupt?‘. Als ich dann eine halbe Stunde später bei meinem Interviewpartner anrief, sagte der:, Ach, das ist ja lustig, bei meinem Sekretariat hat gerade auch die Berliner Zeitung nach einem Interview-Termin gefragt.‘ Ich war natürlich total sauer und habe ganz dreist gesagt:, Ja, das war doch ich, ich bin von der Berliner Zeitung, können wir also jetzt das Interview machen?‘ Er hat Ja gesagt und wir haben fröhlich eine halbe Stunde geredet. Die RTL-Journalistenschule hat mich dann übrigens nicht genommen – vielleicht lag’s am Karma.“

Eine festangestellte Auslandskorrespondentin einer Nachrichtenagentur:*

„Themenklau ist auch innerhalb von Redaktionen ein Problem. Ich habe zwei Arten erlebt. Zum einen: Man will was über ein Thema schreiben und jemand anderes behauptet, das Thema sei aus seinem Standard-Themengebiet oder er säße schon dran. Da hilft nur von Anfang an maximale Transparenz, jeder muss sich in den gemeinsamen Themenpool eintragen. Zum anderen kommt es vor allem in kleineren Büros oder im Ausland oft zu Gerangel um Kompetenzen. Da muss man, wenn das Senioritätsprinzip gilt, halt in den sauren Apfel beißen als Jüngerer und seine Chance abwarten.“

Kathrin Passig, freie Autorin aus Berlin:

„Ich hatte eine Idee für ein Sachbuch lange mit mir herumgetragen, als ich schließlich hörte, dass eine Freundin dasselbe Buch schreiben wollte. Vielleicht war die Idee so naheliegend, vielleicht hatte ich ihr auch vor Jahren davon erzählt und sie hatte es wieder vergessen. Als ihr Buch fertig war, stand allerdings ziemlich genau das Gegenteil von dem drin, was ich an ihrer Stelle geschrieben hätte. Aus derselben Idee entsteht noch lange nicht derselbe Text.“

* Weil sie für die gleichen Auftraggeber noch arbeiten oder nicht als Anschwärzer dastehen möchten, wollten diese Gesprächspartner anonym bleiben.

2. Die Sicht der Redaktionen

Diemut Roether, Chefredaktion, EPD-Medien, Frankfurt

„Es gibt Schreiber, von denen ich tatsächlich keine Themen annehme, weil ich weiß, dass sie nicht ordentlich recherchieren und dass ich viel zu viel Arbeit damit hätte, die Fakten zu überprüfen. Ich will keine Namen nennen, aber es ist ein Kollege dabei, der selbst Seminare zum Thema Recherche gibt. Und E-Mails im Sinne von: ‚Dann und dann ist die und die Konferenz, darüber würde ich gern für Sie berichten‘, sind in meinen Augen keine Themenangebote, auf die ein Autor ein Copyright anmelden könnte. Es gibt Kollegen, die beglücken alle Redaktionen mit solchen unspezifischen Angeboten. In der Regel fühle ich mich bei solchen ‚Sammelmails‘ nicht bemüßigt, überhaupt zu antworten.“

Nikola Haaks, Ressortleitung Zeitgeschehen, „Brigitte“, Hamburg

„Entweder man hat das Thema tatsächlich schon selber in der Pipeline; oder man muss wirklich ehrlich sein und sagen:, Gutes Thema, aber ich traue es dir nicht zu. Und ich zahle dich für die Idee und den Support, aber schreiben muss es ein anderer.‘ Das ist nicht leicht, aber ehrlich. Zur Not muss man halt das gute Thema lieber ablehnen.“

Marit Hofmann, Redaktion Kultur, „Konkret“, Hamburg

„Themenklau kommt bei uns nicht vor, nicht nur, weil wir die Guten sind, sondern auch, weil, Konkret‘ ohnehin fast nur mit freien Autorinnen und Autoren arbeitet, die Experten auf ihrem Gebiet sind. Unsere kleine Redaktion lebt also auch von ihren Ideen und Angeboten, Themenklau wäre kontraproduktiv.“

3. Die Sicht der Experten

Claudia Gips, Rechtsanwältin für Medien- und Urheberrecht, Hamburg

„Sicherlich macht der Gang zum Anwalt im Vorfeld insbesondere dann Sinn, wenn es um größere Investitionen oder exklusive Angebote geht. Ein Journalist sollte eine solche Beratung nicht allein als Kostenfaktor sehen, sondern auch als Investition in die Zukunft. Es ist zum Beispiel nicht schutzfähig, dass bei einer Gameshow ein Moderator einem Kandidaten eine Frage stellt und bei richtiger Antwort eine nächste Gewinnstufe erreicht wird. Die konkrete Art der Darstellung, Logo, Hintergrundmusik, Abläufe, also die individuellen Merkmale, können aber geschützt sein. Auch das Vorhaben, eine bestimmte Person zu einem bestimmten Thema zu interviewen, wäre allein noch nicht geschützt. Schon anders sieht es aus beim individuellen Setting und einzelnen Fragestellungen. Bei Konzepten wird auch der Titel eine Rolle spielen. Eine sogenannte Titelschutzanzeige bietet einen gewissen Schutz, man sollte auch über die Anmeldung einer Marke oder die Registrierung einer Domain nachdenken. Wenn möglich, sollte der Journalist dann darum bitten, dass die Gespräche mit der Redaktion vertraulich verlaufen, und sich das eventuell auch mit einer Verschwiegenheitserklärung zusichern lassen. Im Gespräch kann ein Dritter als Zeuge anwesend sein. Im Übrigen sollten Dokumente und Unterlagen, die vor oder nach einem solchen Gespräch übersandt werden, immer mit dem Namen des Autoren und für den jeweiligen Empfänger (Name, Datum) gekennzeichnet werden. Wurden schutzfähige Elemente übernommen oder gegen eine vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen, kann der Betroffene rechtlich im Wege der Unterlassung dagegen vorgehen. Es lohnt sich, schnell einen spezialisierten Rechtsanwalt einzuschalten. Den
n der Antrag auf Unterlassung muss innerhalb von vier Wochen seit Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung bei Gericht eingereicht werden.“

Carsten Lommartzsch, Rechtsanwalt DJV-Sachsen, Dresden

„Hat man Kontakt zu einem besonders interessanten Interviewpartner, der vielleicht auch als einziger wichtige Dokumente oder Fotos besitzt, kann man sich Exklusivität zusichern lassen. Zumindest für einen gewissen Zeitraum darf er dann mit niemandem sonst über das Thema sprechen. Die reine Idee hingegen kann man nicht schützen. Ich muss das ganz klar so sagen: Dass die Redaktionen den Journalisten keine Themenangebote wegnehmen, ist eine freiwillige Selbstverpflichtung der Redaktion gegenüber den Freien, auf deren Zuarbeit sie angewiesen ist. Kein Freier hätte vor Gericht reale Chancen, dieses Recht zu erstreiten.

Erst das abgelieferte Text- oder Bildmaterial ist dann wieder geschützt. Was nicht veröffentlicht wurde, muss zurückgeschickt werden, es sei denn, es wurde komplett bezahlt. Es steht der Redaktion natürlich frei, sinngemäß zu dem Thema etwas Eigenes zu verfassen. Es wäre ja auch wenig sinnvoll, wenn jemand zum Beispiel ein Copyright auf alle Interviews mit alleinstehenden alten Damen oder schwäbischen Duschgel-Herstellern anmelden könnte. Wie sollte dieser Rechtsschutz auch aussehen?“

Tina Klopp ist freie Journalistin in Berlin.

redaktion@mediummagazin.de

Aktueller Tipp: Mehr über Themenfindung in der „Werkstatt“ von Peter Linden, die dieser Ausgabe exklusiv für Abonnenten beiliegt (bestellbar für 4,90 Euro per E-Mail an vertrieb@oberauer.com).

Erschienen in Ausgabe 04+05/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 56 bis 58. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.