An der Qualität liegt es nicht

Dirk Birgel,

Chefredakteur

„Dresdner Neueste Nachrichten“,

Frauenanteil in der Redaktion: Zehn von 25 Mitarbeitern, darunter 1 stv. Chefredakteurin, 1 CVD, 1 Ressortleiterin. „Vor zehn Jahren gab es allerdings noch bei deutlich mehr Mitarbeitern einen Frauenanteil von ca. 60 Prozent.“

Fördermaßnahmen: Keine Projekte, aber: „im Einzelfall kann und muss man über alles reden. Im Hinblick auf Führungsaufgaben setzt sich Qualität immer durch.“

Dirk Birgel: „Generell ist es sicher so, dass die klassische Rollenverteilung in der alten Bundesrepublik hier nachwirkt, es überhaupt zu wenig Frauen im Beruf gab und somit auch die Medien bis weit in die 80-er Jahre a man’s world waren. So ein Umdenken braucht seine Zeit, und bis es dann so weit ist, dass Frauen in ernst zu nehmender Anzahl Führungspositionen besetzt haben, braucht es noch einmal seine Zeit.

Lutz Feierabend,

stellvertretender Chefredakteur „Kölner Stadt-Anzeiger“,

Frauenanteil in der Redaktion: bei 35,5 Prozent, bei Positionen mit Führungsverantwortung (Ressort-/Redaktionsleiter und Stellvertreter) 20,5 Prozent. Bei Volontären ist das Verhältnis 1:1.

Förderung: „Frauen nehmen selbstverständlich gleichberechtigt an den gezielt auf Führungsverantwortung zielenden Qualifizierungsmaßnahmen teil. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns ein großes Anliegen. Wir kommen den Kolleginnen, die das wünschen, nach Kräften mit dem Angebot von individuell zugeschnittenen Teilzeitstellen entgegen.“

Lutz Feierabend: „Die nach wie vor schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach meiner Einschätzung weiterhin die Hauptursache dafür, dass Frauen in Führungspositionen unterdurchschnittlich vertreten sind. Elternzeiten und der darauf folgende Wiedereinstieg auf Teilzeitbasis von Frauen geben Männern die Chance, sich länger für eine Ressortleitung zu qualifizieren.“

Fried Gehring,

Verleger und Chefredakteur

„Die Glocke“, Oelde

Frauenanteil in der Redaktion: zurzeit 25 Prozent, fünf Redakteurinnen haben Leitungsaufgaben wie Ressortchef. Bei den Volontären konstant 50 zu 50 Prozent.

Fördermaßnahmen: Teilzeit oder reduzierte Arbeitszeit nur, wo Abläufe auch in herabgesetzter Stundenzahl problemlos funktionieren.

Fred Gehring: „Es gibt keine fachlichen Gründe, aus denen Frauen auf der Führungsebene in den Redaktionen benachteiligt sein sollten. Somit kommen nur persönliche Umstände wie Familiengründung, Umzug aus privaten Gründen in Betracht.“

Peter Stefan Herbst,

Chefredakteur „Saarbrücker Zeitung“

Frauenanteil in der Redaktion: rund 30 Prozent, bei den Führungskräften bei 15 Prozent, bei den Volontären aktuell bei 66 Prozent – mit steigender Tendenz.

Fördermaßnahmen: keine speziellen, Familiensituation (Kinder, Pflegefälle) wird bei der Dienstplanung berücksichtigt; aktuell elf Teilzeitstellen in der Redaktion, Zusammenarbeit mit einer Kinderberatungsbörse für die Kinderbetreuung in Notfallsituationen; größtmögliche Flexibilität bei Wünschen zur Elternzeit. Angebote für Ferienfreizeiten in allen Schulferien. Die „Saarbrücker Zeitung“ erhielt kürzlich das Grundzertifikat 2007 audit beruf undfamilie.

Peter Stefan Herbst: „Historisch geringerer Frauenanteil in den Gesamtredaktionen. Trotz starkem Frauenanteil bei Volontären und Jungredakteuren setzen Frauen aus familiären Gründen häufiger aus oder brechen ihre berufliche Karriere ganz ab.“

Richard Kiessler,

Chefredakteur der „NRZ Neue Ruhr Zeitung – Neue Rhein Zeitung“

Frauenanteil in der Redaktion: 18,52 Prozent, in Führungspositionen 7,4 Prozent, im Volontariat mehrheitlich Frauen.

Fördermaßnahmen: „Wir haben in den letzten Jahren vermehrt Journalistinnen in Führungspositionen berufen, vor allen an die Spitze von Lokalredaktionen. Der Vereinbarkeit von Beruf und Familie kommen wir seit vielen Jahren mit Teilzeitangeboten oder Blockzeiten nach.“

Richard Kiessler: „Leider ist die Zeitungsbranche nach wie vor eine Männerdomäne – auch bei der NRZ. Es ist uns trotz intensiver Bemühungen noch nicht gelungen, mehr Journalistinnen für Führungspositionen zu gewinnen. Wir haben es immer wieder erlebt, dass angesprochene Kolleginnen zögerlich sind, sich Führungspositionen aufzubürden. Wir wollen allerdings konsequent weiter daran arbeiten, die Mischung von Journalisten und Journalistinnen zugunsten der Frauen auszubauen.“

Wolfram Kiwit,

Chefredakteur Medienhaus Lensing,

Dortmund

Frauenanteil in der Redaktion: 40 Prozent, in Führungspositionen (Chefredaktion, Lokal- und Ressortleitung, Newsdeskleitung): 10 Prozent, Anteil der weiblichen Volontäre wächst, ist „phasenweise“ mehr als die Hälfte, mit steigender Tendenz.

Fördermaßnahmen: sind für alle zugänglich, Vereinbarkeit von Beruf und Familie Teilzeitstellen und individuelle, flexible Arbeitszeitmodelle (Heimarbeit, Projektarbeit etc.)

Wolfram Kiwit: „Hier unterscheidet sich die Medienbranche nicht von anderen Branchen. Frauen haben es schwerer, in Führungspositionen zu kommen, weil Männer es ihnen schwer machen. Zudem sind Arbeitszeiten in der Medienbranche ja nicht gerade freizeit- und familienfreundlich. Wer hier Erfolg haben will, muss Privates dem Job weitgehend unterordnen. Männer können das, ohne gegen ein traditionelles Rollenbild ankämpfen zu müssen, Frauen haben es da – auch heute noch – spätestens nach dem ersten Kind deutlich schwerer. Die Anforderungen an eine Führungskraft in der Zeitungs-, besser Medienbranche, haben sich grundlegend gewandelt. Heute sind in erster Linie Managementqualitäten gefragt, die Frauen und Männer gleichsam mitbringen können.“

Stefan Hans Kläsener,

stellvertretender Chefredakteur

„Braunschweiger Zeitung“

Frauenanteil in der Redaktion: bei 40 Prozent, unter den Ressortleitern knapp 13 Prozent, aber bei den Stellvertreterinnen gut 35 Prozent. Der Frauenanteil unter den Volontären ist in den vergangenen Jahren auch deutlich gestiegen, von knapp 30 auf fast 50 Prozent.

Fördermaßnahmen: zwei Teilzeitstellen auf Wunsch von Frauen, aber keine geschlechtsspezifischen Förderprogramme. Die Qualifizierungsprogramme der Redaktion stehen allen offen.

Stefan Hans Kläsener: „Redaktionen waren in der Vergangenheit sehr hierarchisch organisiert, mit vielen männlichen Häuptlingen und Indianern, die wenig zu melden hatten. Das verändert sich, weil keine Redaktion heute mehr ihre Ressourcen verschleudern kann und neue Arbeitsweisen wie der Newsdesk Hierarchien abbauen. Die bessere Geschichte hat es heute viel leichter, ins Blatt zu kommen. Folglich setzt sich Qualität durch, und auch soziale Kompetenzen spielen bei der Vergabe von Führungspositionen eine deutlich höhere Rolle. Die Prognose: Frauen kommen im Journalismus vielleicht langsamer als in manchen Wirtschaftsbereichen. Aber gewaltig.“

Christian Lindner,

Chefredakteur „Rhein-Zeitung“,

Koblenz

Frauenanteil in der Redaktion: Von rund 170 Redakteuren bei der „Rhein-Zeitung“ sind 45 Frauen (Volontäre nicht mitgezählt). 6 der 45 Frauen arbeiten in der Führungsebene wie in Redaktionsleitungen bzw. in hervorgehobenen Positionen wie Korrespondentenfunktionen, „deutlich“ steigender Anteil in den Volontariaten – auf Grund von Bewerbungen und Qualifikationen.

Fördermaßnahmen: gezielte Ansprache der Frauen für ein Traineeprogramm zur Weiterentwicklung erfahrener Lokalredakteure zu Führungskräften. „Meist waren diese dann gerne bereit, das Programm zu absolvieren. Selber dafür beworben hatten / hätten sie sich teils nicht.“

Christian Lindner: „Etliche konkrete Erfahrungen zeigen, dass Journalistinnen den Schritt in die Führungsebene konsequenter als männliche Kollegen auch bei Ermunterung durch die Chefredaktion bewusst nicht machen, um weiter mehr journalistisch arbeiten zu können statt managen zu müssen. Hinzu kommt: Frauen sind offenbar eher als Männer bereit, die Führungsebene nach einer Phase des Redaktionsmanagens etw
a zugunsten des Schreibens wieder zu verlassen. Es fällt Frauen offenbar leichter, Schulterklappen auch wieder zurückzugeben. Und danach geht es ihnen auch noch gut.“

Sergej Lochthofen,

Chefredakteur „Thüringer Allgemeine“,

Erfurt

Frauenanteil in der Redaktion: Ein Drittel, davon sechs Frauen in leitender Position, darunter eine stellvertretende Chefredakteurin und Ressortleiterin in der Mantelredaktion.

Fördermaßnahmen: in gleicher Weise wie für männliche Kollegen, hängt von den Bedürfnissen der einzelnen Ressorts und Ausgaben ab.

Sergej Lochthofen: „Der Beruf des Journalisten ist attraktiv, aber extrem frauen- und familienfeindlich, vor allem wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten bis in den späten Abend hinein.“

Jost Lübben,

Chefredakteur „Nordsee-Zeitung“,

Bremerhaven

Frauenanteil in der Redaktion: 38 Prozent, darunter eine Ressortleiterin (insgesamt sechs Ressorts). Der aktuelle Volontärjahrgang besteht ausschließlich aus Frauen (4).

Fördermaßnahmen: Teilzeit-Modelle zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, z. B. eine Ressortleiterin mit einer 80-Prozent-Stelle, ein stellvertr. Ressortleiter in Teilzeit, unterschiedliche Modelle der Stundenreduzierung.

Jost Lübben: „Das Problem sehe ich für die Führungspositionen in der hohen zeitlichen Belastung und in den oft familienunfreundlichen Arbeitszeiten. Das setzt (im Fall von Kindern) einen Partner voraus, der kompensiert. Nach meiner Einschätzung sind außerdem Beobachtungen aus anderen Branchen übertragbar. Es fehlen in Deutschland z. B. flexible Betreuungsmodelle für Kinder und auch ein gesellschaftlicher Konsens für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In Schweden zum Beispiel gibt es nach 17 Uhr für die Minister praktisch keine dienstlichen Termine mehr – weil auch sie Zeit für ihre Familie haben sollen.“

Thomas Satinsky,

Chefredakteur „Südkurier“,

Konstanz

Frauenanteil in der Redaktion: 30 Prozent – Führungsebene nur in den Nischenprodukten Wochenendkurier, LebensArt und Gesundheitsjournal, seit zwei Jahren ca. 80 Prozent bei den Volontariaten.

Fördermaßnahmen: Teilzeitstellen in allen Bereichen ja. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ja. Projekte, die Frauen leiten, na klar. Fördermaßnahmen werden bei uns über die v. Holtzbrinck-Verlagsgruppe oder die Personalabteilung organisiert. Da sind natürlich auch Frauen vertreten.

Thomas Satinsky: „Das war und ist letztlich eine Frage der Personalentwicklung. Und entscheidend ist schon, ob Frauen auch tatsächlich in Führungspositionen wollen. Nur die Forderung nach Proporz oder einem Quorum halte ich für problematisch. Für mich ist der Wille, verbunden mit Kompetenz und Führungsqualitäten, entscheidend.“

Horst Thoren,

stellvertretender Chefredakteur

„Rheinische Post“, Düsseldorf

Frauenanteil in der Redaktion: ca. ein Drittel von 200 Redaktionsmitgliedern. In Leitungsfunktionen: zwei von sechs Ressortleitungen, 5 von 24 Lokalchefs.

Fördermaßnahmen: „Qualität setzt sich einfach durch – auch ohne spezielle Fördermaßnahmen.“ im Einzelfall Sonderlösungen für Kolleginnen mit Kindern.

Horst Thoren: „Unsere Zeitungsredaktionen sind in ihrer Zusammensetzung ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn heute noch in fast allen Branchen Männer auf der Führungsebene bestimmend sind, ist das historisch gewachsen. Aber die Frauen holen auf – weil sie gut sind. Die Tendenz der vergangenen Jahre beim Nachwuchs geht bei uns in Richtung 60 Prozent Frauen und 40 Prozent Männer. Dabei wählen wir unseren Nachwuchs nicht nach Geschlecht, sondern nach Qualität aus. Die Frauen sind oft besser – haben gute Noten in den Zeugnissen, können mehr Praktika vorweisen, sind selbstbewusst und schreiberisch talentiert.“

Hartmut Troebs,

Chefredakteur

„Reutlinger General-Anzeiger“

Frauenanteil in der Redaktion: knapp 39 Prozent (19 von 49), von 14 Führungspositionen (Chefredaktion, Ressortleitungen, Außenredaktionsleitungen) sind 5 mit Frauen besetzt (knapp 36 Prozent). Fördermaßnahmen keine speziellen Projekte, Einzelfall-Prüfung bei Wünschen einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, „Über die Besetzung von Führungspositionen entscheidet allein die Qualifikation.“

Hartmut Troebs: „Wie überall: Oft schwierige Vereinbarkeit von Familie und Karriere, das Fehlen einer geradlinigen Karriere(-Perspektive) und, wie meine Kollegin formuliert: schwächeres Selbst-Marketing.“

Uwe Zimmer,

Chefredakteur „Neue Westfälische“, Bielefeld

Frauenanteil in der Redaktion: 1:3, Führungsebene 1:10; Fördermaßnahmen: Teilzeitstellen, seit 1. Oktober einen Kinderbetreuungsservice zur Entlastung von Eltern bei Krankheit ihres Kindes.

Uwe Zimmer: „Die Ursachen: Mangelndes Selbstvertrauen der Frauen, Rücksichtnahme auf den Partner wegen der größeren zeitlichen Belastung, Männer-Netzwerke.“

Erschienen in Ausgabe 9/2007 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 22 bis 25 Autor/en: Umfrage Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.