Layoutkritik: Die „neue“ SZ

Die renovierte Süddeutsche Zeitung polarisiert. Den einen gehen die Layoutänderungen nicht weit genug, die anderen schätzen die nur behutsamen, unauffälligen Veränderungen. Und was sagt der Experte, Zeitungsdesigner Norbert Küpper? Wir haben ihn um eine erste Layoutkritik gebeten:

„Am Anfang einer jeder Layoutüberarbeitung steht die Frage, wie weit eine Neugestaltung gehen soll.
Ich denke, die SZ hat es richtig gemacht, sehr behutsam an die Sache heranzugehen. Ältere Leser mit hoher Bildung neigen gerade in Deutschland zur Renitenz. Und zu den derzeitigen Abonnenten der gedruckten SZ gehören sicher viele, bei denen bei dem bloßen Wort „Neugestaltung“ der Blutdruck steigt. Speziell Deutsche wollen, dass alles so bleibt wie es ist. Nicht zu Unrecht war das Wort „Reformstau“ einmal Wort des Jahres, weil Reformen aller Art – sei es politisch oder ein Verkehrsprojekt wie Stuttgart 21 – in der Regel zunächst auf wütende Ablehnung stoßen.

Was also hat sich nun geändert? Hat es den offenbar, wie es in der Zeitung selbst heisst, nicht geringen Aufwand gelohnt?

Norbert Küpper
Norbert Küpper

Norbert Küpper ist Zeitungsdesigner und Veranstalter des European Newspaper Award.  Er schreibt regelmäßig in „medium magazin“ als Kolumnist in der Rubrik „Layouttipp“ und Auto der jährlichen Journalisten-Werkstatt „Zeitungstrends“ (ET immer in der ersten mm-Ausgabe eines Jahres)

 

Es wird eine eigens entworfene Hausschrift eingesetzt. Eine mit Serifen, eine ohne Serifen.

SZ Schrifttype
SZ Schrifttype

Die gleiche Idee wurde vor ca. 9 Jahren zum Beispiel beim „Schwarzwälder Boten“ auch umgesetzt. Durch die eigens entwickelte Schrift ist ein unverwechselbares Erscheinungsbild zu erzielen.

Die neue Grundschrift ähnelt der bisher benutzten Excelsior, aber die etwas klobige Bleisatz-Anmutung wird verlassen. Die neue Grundschrift ist sehr gut lesbar und folgt trotzdem der bisherigen Tradition. Die Lesbarkeit ist genau so wie bisher.

Die neue serifenlose Überschriftentype ist allerdings etwas zu fett.

Es liegt seit einigen Jahren außerdem im Trend, Dekorelemente in das Layout einzubauen. Das sind oft waagerechte Linien oder Texte in Kapitälchen. Diesem Zeitgeist folgt die „Süddeutsche Zeitung“ nun bei den Autorennamen, die kleiner gesetzt sind als der Grundtext und eine waagerechte Dekorlinie als Abschluss haben. Ein bisschen retro….

Die Panorama-Seite mit neuen Überschriften und Autorenzeilen
Die Panorama-Seite mit neuen Überschriften und Autorenzeilen

Mehrzeilige Unterzeilen, dreizeilige Zwischenzeilen sind bereits vor ca. 12 Jahren bei der „Welt eingesetzt worden. Damit erwirkt man, wie jetzt auch bei der SZ, den Überschriften-Apparat zu verschlanken. Ein sinnvoller Trend. Hatten früher Zeitungen außer der Überschrift noch eine Dachzeile, Unterzeile und Vorspann, ist es heute oft eine Kombination aus Unterzeile und Vorspann. Gibt es beispielsweise seit 2003 bei der „Aachener Zeitung“.

Statt vieler kleiner Bilder wenige größere Bilder: das hat exemplarisch die Stuttgarter Nachrichten im Jahr 2009 eingeführt. Die gesamte Zeitungsbranche macht das eigentlich seit ca. 10 Jahren.

SZ-Feuilleton Aufmacher
SZ-Feuilleton Aufmacher

Das Feuilleton in einer anderen Überschrift zusetzen wie den Rest der Zeitung, ist dagegen eher überholt. Beilagen, wie „Mobiles Leben“ ebenso zu gestalten, ist eher merkwürdig, weil diese Texte ja nicht feuilletonistisch sind.

Der neue Kommentar-Kopf
Der neue Kommentar-Kopf

Farbige Dachzeilen bei den Kommentarensollen das Thema des Kommentars nennen. Dabei sollte man aber grundsätzlich nicht auf die Rubrizierung „Meinung“ oder „Kommentar“ verzichten, weil zum Beispiel auf der ersten Wirtschaftsseite

Der Wirtschaftskommentar ohne Meinungs-Kopf
Der Wirtschaftskommentar ohne Meinungs-Kopf

in der neuen Gestaltung kein Unterschied zu Berichten mehr sichtbar ist. Außerdem sagt ja ein Initial-Buchstabe nicht „Ich bin ein Kommentar“. Das muss schon drüber stehen – selbst für SZ-Leser.

Apropos Kommentar: Gut, dass die Süddeutsche nun endlich alle ihre Kommentatoren auf der Meinungsseite mit vollem Namen ins Blatt hebt. Gerade in einem Batt mit Anspruch auf Meinungsführerschaft zählen eben nicht nur Inhalte, sondern auch die Köpfe, die starke Meinungen vertreten. Aber warum dann nicht auch gleich mit Bild – wie es auf der eigenen Website längst üblich ist?

Die neue Leserbriefseite
Die neue Leserbriefseite

Ein Detail, mit dem man noch Stress bekommen wird: Auf der Leserbrief-Seite sind drei kurze Leserbriefe farbig unterlegt. Die werden zum Teil in andere Leserbriefe eingeblockt. Das bedeutet, dass kurze Leserbriefe wichtiger sind als lange. Damit wird man Ärger bekommen mit den Lesern, weil die sicher Wert darauf legen werden, dass alle Leserbriefe ähnlich behandelt werden.

Der erste Eindruck insgesamt: Die SZ bleibt gestalterisch mäßig – und insgesamt gestalterisch hinter der „FAZ“ und „Welt“ zurück. Die meisten Veränderungen wäre vor 20 Jahren modern gewesen, heute wirkt es wie überfällige Anpassung. Schade, dass Spaltenlinien  als alter Zopf hängen geblieben sind.

Es hätte nichts dagegen gesprochen, weitergehende Neuerungen bei der SZ in mehreren Stufen zu machen ohne das groß anzukündigen. Das ist ein probates Mittel, wenn man negative Reaktionen der Leser fürchtet. Aber vielleicht tut sich ja noch was in den nächsten Wochen – oder Jahren.“