01 – Redaktion des Jahres

1  „Die Zeit“ (mit „Zeit Campus“):

Die Begründung der Jury „…weil sie mit Chefredakteur Giovanni di Lorenzo an der Spitze 2009 wie keine andere Zeitung der Medienkrise erfolgreich trotzte, auf allen Ebenen immer besser wurde, das Profil des Blattes anspruchsvoll verjüngt wurde, ohne die älteren Leser aus dem Blick zu verlieren – wie mit der erfolgreichen Weiterentwicklung von „Zeit Campus“ durch Manuel Hartung.“

Die Laudatio (O-Ton hier) am 14.1. von Jury-Mitglied Klaus Liedtke, ehemals u.a. Chefredakteur von „stern“ und „National Geographic Deutschland“:

Wie sieht die ideale Redaktion aus? Ist sie die Organisation einer geringst möglichen Zahl von Redakteuren mit dem größtmöglichen Output an Seiten pro Kopf? (Verlagsleiters Traum, gewiss!)
Oder nehmen wir das „Herrenreiter-Modell“: die Redaktion als Versammlung folgsamer Arbeitstiere, die „auf Schenkeldruck parieren“ müsse, wie ein Spiegel-Chefredakteur einmal bemerkte.
Eine Vorstellung, die vielleicht nur übertroffen wird von den Gewaltphantasien eines früheren Bewohners der Chefetage beim Stern, der die These aufstellte, Redaktionen würden sich erst dann ihrem idealen Zustand nähern, wenn man gelegentlich mit dem Maschinengewehr die Reihen lichtete.
Und wenn man dann noch den Publizisten Marx hinzufügt, der postuliert hat, in einer Redaktion müsse „Diktatur, nicht allgemeines Stimmrecht“ herrschen, dann ergibt das ein ziemlich gutes Bild von den Irrwegen, auf die manch einer geraten ist, der sich seine Wunschredaktion geträumt hat.

Was wir hier und heute auszeichnen, ist auch eine Art Wunschredaktion – eine Redaktion, die sich (wie ich es immer wieder erlebe) junge Journalisten in Deutschland wünschen, wenn sie denn nach ihrem Ideal, ihrem journalistischen Lebenstraum gefragt werden. Und wenn nicht alles trügt, liegen in diesem Fall Vorstellung und Realität zumindest nicht weit auseinander: Die Zeit als kreativer Hotspot, bewohnt von Freigeistern und Querdenkern, als Bühne nicht nur für gelehrte Diskussionen sondern auch für moderne Spektakel, als Ort, an dem journalistische Grundtugenden en vogue sind: Ein Blatt mit Haltung, Glaubwürdigkeit, Ideenreichtum, vom Ökonomismus unserer Tage noch nicht verdorben.

Vor 15 Jahren gab es die ersten Nachrufe auf die gute alte Tante Zeit. Sie schien sich überlebt zu haben, bleiern lag sie da, ihre Titelseite wurde als Grabplatte verspottet. Aber, kurz vorm Exitus, wurde sie in eine Art Jungbrunnen gestoßen: Heraus kam keine schnell geliftete Madame mit juvenilem Modeschmuck, sondern eine authentische Blattpersönlichkeit mit einem Generationen übergreifenden Appeal.

Unter seinen Herausgebern Josef Joffe und Michael Naumann und seinem Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ist es dem Blatt gelungen, in diesen Zeiten des großen Lamentos über den vermeintlichen Niedergang des Printjournalismus seine Attraktivität zu erhöhen: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte verkauft die Zeit durchschnittlich mehr als 500 000 Exemplare. Mit einer klugen Ausweitung des Redaktionsprogramms – (wobei das zweimonatliche Zeitcampus unter der Leitung von Manuel Hartung besonders hervorzuheben ist) – und den zur Marke passenden, von Geschäftsführer Rainer Esser klug gesteuerten Zusatzgeschäften – Time is money!, möchte man da rufen -, ist diese Zeit eine Orientierungsmarke für den Rest des so verunsicherten Gewerbes. Sie ist zu Recht die Redaktion des Jahres. Meinen allerherzlichsten Glückwunsch!

Die Replik von Josef Joffe, Mit_Herausgeber der „Zeit“

2  „Winnender Zeitung“:

„… für ihre beeindruckende Berichterstattung über die Katastrophe des Amoklaufs vom 11. März 2009. Die Redaktion hat vorgemacht, wie man ein solch einschneidendes Ereignis angemessen medial verarbeitet – indem sie dem Informationsbedürfnis einer schockierten Öffentlichkeit nachkam und dabei zu jeder Zeit Respekt gegenüber Opfern und Angehörigen wahrte.“

3  NDR Info Reporterpool:

„… weil das Team 2009 mit zahlreichen Enthüllungen – etwa zur HSH-Nordbank und AWD, zu Bluttests bei Einstellungstests und ähnlichem Datenmissbrauch – für Schlagzeilen sorgten. Damit zeigten die Kollegen, dass Recherche machbar und organisierbar ist.“

4  „Landlust“:

„… weil das neue Format auf aussagestarke, wunderschöne Bilder setzt und durch die gesamte Aufmachung des Blatts Ruhe, Entspannung und Rückzug vermittelt. 2008 noch als Newcomer preisgekrönt, setzte „Landlust“ seinen Steilflug auch 2009 fort.“

5  „Der Spiegel“ / „Dein Spiegel“:

„…weil der „Spiegel“  in diesem Jahr außerordentlichen Mannschaftsgeist gezeigt haben, der sich in vielen guten und mehrfach ausgezeichneten Team-Geschichten niedergeschlagen hat. Und weil das Team mit „Dein Spiegel“ den gelungenen Versuch unternommen hat, einem sehr jungen Lesepublikum komplexe (nicht nur) politische Sachverhalte nahezubringen. Auch manch Erwachsener dürfte da noch etwas lernen.“

6  „brand eins“:

„… weil dieses Wirtschaftsmagazin auch in Krisenzeiten auf Horrormeldungen verzichtet, sondern auf bewährt hintergründige und tiefgründige Berichterstattung setzt.“

7  „Cicero“:

„… weil es der kreativen Ideenschmiede immer wieder gelingt, sich auch aus der Nische heraus Gehör zu verschaffen. Weil sie Print mit neuen Elementen wie individualisierten Titeln eine zusätzliche, neue Qualität geben und Mut wie Lust an Experimenten zeigen.“

8  „Rhein-Zeitung“:

„… weil sie wie keine vergleichbare regionale Tageszeitung auf Social Media wie Twitter, Facebook und Co. setzt und damit eine Vorreiterrolle übernimmt. Auf ihrer Internetseite erzeugt sie eine wahre „Lagerfeueratmosphäre“ bei den Web-Usern – ohne die Qualität der Printausgabe aus den Augen zu verlieren.“

9  „Hart, aber fair“

„… weil die Redaktion auch Quotenkiller-Themen wie Afghanistan nicht scheut und den Polittalk hinsichtlich Themenpräsentation und Gästeauswahl immer noch so fährt, dass er den anderen Darreichungen dieser Art haushoch überlegen ist. Es liegt nämlich nicht alles am Moderator.“

10  „Frontal 21“:

„… weil das Politmagazin sich auch nach dem Wechsel von Theo Koll zu Hilke Petersen treu geblieben ist: Zu den verschiedensten, bundesweit relevanten Themen besticht „Frontal 21“ mit fundierter Recherche und höchst anschaulicher Darstellung – und scheut keine Kontroverse.“

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