„Die Medienbranche ist in Aufruhr“: Filmemacher Stephan Lamby über journalistische Hysterie

Die politische Berichterstattung ist während der laufenden Regierungsbildung noch schneller geworden. Dieses Urteil fällt der Filmemacher und Fernsehpreisgewinner Stephan Lamby in einem Interview der Journalismus-Fachzeitschrift „medium magazin“: „Ausgerechnet der Wahlkampf war eine ruhigere Phase, jetzt ist die Branche noch hysterischer als vor einem Jahr“, attestiert Lamby. Die ARD zeigt an diesem Montag (5. März) ab 21 Uhr seinen neuen Film „Im Labyrinth der Macht – Protokoll einer Regierungsbildung“.

Lamby beobachtet immer wieder, wie Gerüchte wider besseres Wissen zu Nachrichten gepusht werden. Er macht dafür einen „vorauseilende Gehorsam“ der Journalisten verantwortlich, „damit die Chefredaktion nicht sagt: Wieso haben wir das nicht? Es gibt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.“ Lamby analysiert: „Alle Versuche, zu entschleunigen und zu versachlichen, haben es schwer, weil der ökonomische Druck enorm stark ist. Streit verkauft sich besser als Nachricht.“

Einen wesentlichen Anteil an Beschleunigung haben die sozialen Medien. In der „medium magazin“-Diskussion mit den Politikjournalisten Kristina Dunz von der „Rheinischen Post“ und „Welt“-Kollege Robin Alexander nennt Lamby aber auch positive Aspekte: „Trotz der Hassmails: Unterm Strich bringen uns soziale Medien weiter“ – sie würden einen neuen Feedback-Kanal schaffen. Früher habe er für seine Fernsehfilme nur die Einschaltquote als unmittelbare Rückmeldung gehabt.

Robin Alexander meint sogar: „Wir stehen vor super Zeiten im politischen Journalismus, wir werden wieder echte Debatten bekommen. Meinungsäußerungen bringen uns nicht weiter, die kann jeder im Netz selber machen.“ Deshalb gelte: „Wir können nur noch mit eigenen Stoffen, eigenen Zugängen, eigener intellektueller Durchdringung punkten. Das wird anstrengender, aber auch viel spannender.“ Und Kristina Dunz fordert: „Wir sollten neue Formate suchen, die Dauerpräsenz von Themen und Gesprächspartnern führt bei vielen Lesern zu Verdruss.“

Viele Leser, Zuschauer und User verstünden nicht mehr, welchen Gewinn eine unabhängige Presse bedeute und wie sie arbeite, hat Lamby beobachtet und schlussfolgert, eine der wichtigsten Aufgaben für Journalisten sei nun, ihre Leistung gegenüber ihrem Publikum klarzumachen. Journalisten müssten auch ihre Arbeitsweise überdenken: „Viele Journalisten trennen nicht klar genug zwischen Bericht und Meinung“, sagt Lamby. Seine Konsequenz für die eigene Arbeit: „Deswegen mache ich auch verstärkt Filme ohne Kommentartext oder mit sehr zurückhaltendem Text, lasse Bilder und O-Töne sprechen.“

Das komplette Titelinterview mit Stephan Lamby, Kristina Dunz und Robin Alexander hat „medium magazin“-Redaktionsmitglied Anne Haeming geführt. Es erscheint in „medium magazin“ 02-2018, Seiten 20 bis 26. Das Heft ist digital im iKiosk verfügbar und kann gedruckt einzeln gekauft oder abonniert werden. Einen Blick ins aktuelle Heft gibt’s hier.