Panik durch „Killer-Keim“: EHEC und die Medien

Sechs Wissenschaftsjournalisten zur Berichterstattung über die EHEC-Epidemie und den journalistischen Konsequenzen(siehe auch Hintergrund  in „medium magazin“ 7/8 – 2011 und Interview mit Elmar Theveßen, ZDF,  Seite 36ff.)

Christina Berendt, Wissenschaftsredakteurin, „Süddeutsche Zeitung“

Dr. Christina Berndt, Redakteurin im Ressort Wissenschaft der "Süddeutschen Zeitung"
Christina Berndt, Redakteurin im Ressort Wissenschaft der SZ

1.) Wie beurteilen Sie die Berichterstattung deutscher Medien über Ehec?
Natürlich gab es in den Boulevardmedien Boulevardeskes, wie es sich gehört. Im Großen und Ganzen fand ich die Berichterstattung aber gut und angemessen. Unschön fand ich Formulierungen wie „Killer-Keim“, die auch von seriösen Medien übernommen wurden und die die Situation nicht realistisch beschreiben. Wenn ein Prozent der nachweislich Infizierten (derzeit von 3300 Patienten 36) stirbt, ist der Begriff „Killer-Keim“ schlicht übertrieben. Nicht angemessen in meinen Augen auch der Platz, den einige seriöse Medien Spekulationen über Biowaffen als Ursprung der Seuche eingeräumt haben.

 

2.) Mit welchen Schwierigkeiten hatten Journalisten bei der Ehec-Berichterstattung zu kämpfen?
Schwierig war gewiss die Vielzahl der Zuständigkeiten in Form von Robert Koch Institut (RKI), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMVEL) sowie den verschiedenen Landesbehörden. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass all diese Behörden wohl zum ersten Mal bei einem solchen Krankheitsausbruch extrem transparent gearbeitet haben und die Bevölkerung zeitnah auf dem Laufenden hielten. (Womöglich war es mitunter zu zeitnah, weil sich ja etwa die Gurken-Warnung später als überflüssig erwies. Vor dem Hintergrund einer sich stetig ausbreitenden Krankheitswelle habe ich allerdings Verständnis für solche frühzeitigen Warnungen.) Die Unsicherheiten, die es zum Seuchengeschehen gab, gab es nun einmal. Sie haben die Berichterstattung nicht erschwert, sondern konnten Gegenstand einer seriösen Berichterstattung sein.

3.) Stichwort Recherche: Wo finden Journalisten Informationen zu medizinischen Themen wie Ehec und wie Fachleute und Experten?
Leider finden nicht alle Journalisten richtige Experten. Natürlich gibt es vielerlei Experten, die sich grundsätzlich mit Epidemien, bakteriellen Infektionskrankheiten und Gesundheitsmanagement von Seuchenausbrüchen gut auskennen und ihre Erkenntnisse dann auf den Ehec-Ausbruch übertragen konnten. Echte Ehec-Experten sind jedoch nur jene, die sich schon vor dem aktuellen Ausbruch wissenschaftlich mit diesen Keimen beschäftigt haben. Solche Experten findet man am zuverlässigsten durch eine Recherche in der Datenbank internationaler Fachliteratur. Aber natürlich können auch Zeitungsarchive und Internet-Suchmaschinen eine gute Hilfe bei der Suche nach echten Fachleuten sein, wenn Journalisten die Qualitätskriterien der wissenschaftlichen Publikationsliste im Auge behalten.

4.) Welche Regeln sollten für Berichte wie die über Ehec immer gelten?

Es ist immer wichtig, die Gefahr einzuordnen. Zu einer guten Risikokommunikation gehört es zum Beispiel, die Zahl der Kranken oder Toten in Beziehung zu anderen Risiken des täglichen Lebens und anderen, ähnlichen Krankheiten zu setzen. Auch sollte immer in absoluten Zahlen berichtet werden, nicht in relativen Risiken (wie einer „doppelt so hohen“ Gefahr). Dem Leser sollte zudem vermittelt werden, welche Möglichkeiten es gibt, sich zu schützen. Diese Wege können helfen, eben kein Ohnmachtsgefühl vor einem Killer-Keim entstehen zu lassen.

Harro Albrecht, Medizin-Redakteur bei der „Zeit“

Dr. med. Harro Albrecht, Medizin-Redakteur bei der "Zeit"
Dr. med. Harro Albrecht, Medizin-Redakteur bei der "Zeit"

1.) Wie beurteilen Sie die Berichterstattung deutscher Medien über Ehec?
Das kommt wie immer darauf an, welches Medium gemeint ist. Die Online-Medien, allen voran Spiegel Online, werfen sich vergleichsweise undifferenziert auf jede Meldung und geben jedem, auch nicht berufenen Experten die Gelegenheit, sich im Stundentakt zu äußern. Bild  & Co setzten wie gehabt stark auf personal stories. Interessanter ist, ob Online-Taktung und Boulevardisierung auch in die Tages- und Wochenzeitungskultur einbricht. Eher nicht, würde ich sagen. Aber erste Anzeichen gibt es. Die Wissenschaftsseiten der Printmedien halten zwar den Ball flach, haben aber zunehmend Mühe, dem Druck des Trommelfeuers der Online-Meldungen zu widerstehen. So reagieren auch Wochenzeitungen mit einer hohen Publikations-Frequenz, in einer Situation, in der es häufig noch nichts Neues zu berichten gibt und innehalten angebracht wäre.

2.) Mit welchen Schwierigkeiten hatten Journalisten bei der Ehec-Berichterstattung zu kämpfen?
Auch da muss man differenzieren. Der allgemeine Journalist wird Schwierigkeiten haben, aus dem Chor der Interesse geleiteten Stimmen die wenigen Körnchen Wahrheit herauszufinden. Von den  Fachjournalisten werden in einem konstanten Strom Antworten erwartet, wo es noch gar keine gibt, keine geben kann. Einerseits müssen sie eine völlig neue Situation beschreiben, vorausdenken und bewerten, andererseits gleichzeitig den vielstimmigen Mutmaßungschor der Halbinformierten in der eigenen Redaktion und in der Politik bändigen. Es ist wie im Fußball: Alle vorne, alle hinten. Das ist auf Dauer sehr ermüdend.

3.) Stichwort Recherche: Wo finden Journalisten Informationen zu medizinischen Themen wie Ehec und wie Fachleute und Experten?
Die Fachjournalisten wenden sich an das RKI, an das Ehec-Referenzlabor. Aber sie haben auch die Möglichkeit, in großen Datenbanken wie PubMed nach Fachpublikationen zu suchen. Man muss natürlich wissen, mit wem man sprechen muss. In diesem Fall sind das eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Experten: Mikrobiologen, Epidemiologen, Ärzte, etc.

4.) Welche Regeln sollten für Berichte wie die über Ehec immer gelten?
Es ist immer wichtig, die Gefahr einzuordnen. Zu einer guten Risikokommunikation gehört es zum Beispiel, die Zahl der Kranken oder Toten in Beziehung zu anderen Risiken des täglichen Lebens und anderen, ähnlichen Krankheiten zu setzen. Auch sollte immer in absoluten Zahlen berichtet werden, nicht in relativen Risiken (wie einer „doppelt so hohen“ Gefahr). Dem Leser sollte zudem vermittelt werden, welche Möglichkeiten es gibt, sich zu schützen. Diese Wege können helfen, eben kein Ohnmachtsgefühl vor einem Killer-Keim entstehen zu lassen.

Jörg Hermes, Ressortleiter Wissen, stern.de

Jörg Hermes, Ressortleiter "Wissen" bei stern.de
Jörg Hermes, Ressortleiter "Wissen" bei stern.de

1.) Wie beurteilen Sie die Berichterstattung deutscher Medien über Ehec?
Bei einem Mega-Thema wie Ehec gab es natürlich auch die ganze Bandbreite: von sachlich nüchtern bis hin zu reißerisch. Überwiegend empfand ich die Berichterstattung als ausgewogen und angemessen. Für stern.de standen drei Kriterien im Mittelpunkt: News, Aufklärung und die menschliche Komponente. Neben aktuellen Meldungen haben wir Experten-Interviews geführt, FAQs zusammengestellt, interaktive Grafiken gebaut, die Lage der Landwirte beleuchtet und mit Ehec-Erkrankten gesprochen. Wir haben einen ganz guten Mix hinbekommen.

2.) Mit welchen Schwierigkeiten hatten Journalisten bei der Ehec-Berichterstattung zu kämpfen?
Da gab es  eine ganze Reihe Probleme: Die diffuse und oft widersprüchliche Lage hat es uns als Online-Medium besonders schwer gemacht. Das Informationsbedürfnis der Menschen war enorm, besonders online. Wir wollten – wie bei allen wichtigen Themen – möglichst schnell dabei sein. Aus der Masse der News Relevantes herauszufiltern, hat unsere Aktuell-Mannschaft ganz schön auf Trab gehalten. Für das Wissen-Team galt es, die Hintergründe und Zusammenhänge zu beleuchten. Eine Hauptschwierigkeit war dabei, brauchbare Informationen von den Behörden zu bekommen. Die waren mit der Situation schlichtweg überfordert. Auch an unabhängige Experten zu kommen, war ein zähes Unterfangen.

3.) Stichwort Recherche: Wo finden Journalisten Informationen zu medizinischen Themen wie Ehec und wie Fachleute und Experten?
Generell gilt: Man sollte ein gut gefülltes Adressbuch haben. Eine gute Möglichkeit an Experten zu kommen, ist der Informationsdienst Wissenschaft. Ansonsten helfen auch medizinische Fachverbände, passende Ansprechpartner zu finden.

4.) Welche Regeln sollten für Berichte wie die über Ehec immer gelten?
Man sollte sich bewusst sein, dass man es hier auch mit ganz fundamentalen Ängsten der Leser zu tun hat. Das ist eine besondere Verantwortung. Die journalistische Sorgfaltspflicht gilt bei Themen wie Ehec deshalb im besonderen Maße.

Joachim Müller-Jung, Ressortleiter „Natur und Wissenschaft“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“

1.) Wie beurteilen Sie die Berichterstattung deutscher Medien über Ehec?
„Deutsche Medien“ ist mir zu allgemein. Ich würde sagen, dass die Mehrzahl der Zeitungen erfolgreich versucht hat, keine Panik zu schüren. Keine apokalyptischen Szenarien zu zeichnen oder Begriffe zu verwenden („Killer-Keim“ war ja nicht allzu weit hergeholt). Angesichts der tatsächlichen Entwicklung, der Epidemie, die anfangs von allen Experten und Medien unterschätzt worden war, war die Berichterstattung im Großen und Ganzen angemessen.

2.) Mit welchen Schwierigkeiten hatten Journalisten bei der Ehec-Berichterstattung zu kämpfen?
Anfangs vor allem mit dürftigen Informationen zur epidemiologischen Situation, dann vor allem mit einer unübersichtlichen Gemengelage, was die Informationen angeht. Von überall her kamen Hinweise, Kommentare, Einschätzungen – verschiedene Institute, diverse Experten und Landesministerien. Selbst für uns Wissenschaftler war es schwer zu ermitteln, wie gefährlich der Erreger ist. Was ihn so aggressiv macht, weiß man im Grunde bis heute nicht. Aus den Kenntnislücken der Ärzte und Forscher war schwer etwas Zufriedenstellendes, Beruhigendes, Klarstellendes für den Leser herauszufiltern. Der weit verzweigte Informationsfluss blieb bis zuletzt bestehen, eine Kakophonie von Experten- und Behördeneinschätzungen.

3.) Stichwort Recherche: Wo finden Journalisten Informationen zu medizinischen Themen wie Ehec und wie Fachleute und Experten?
Beim zuständigen Bundesinstitut, dem RKI. Hier gibt es eine erfahrene Pressestelle und einen geübten (Pandemie, Sars) Kommunikationsstab. Dann bei den Fachgesellschaften (Ärztefachgesellschaften z.B. Nephrologen, Infektiologie in dem Fall). Zudem gibt es eine Experten-Datenbank beim Informationsdienst Wissenschaft (idw). PubMed, die medizinische Literaturdatenbank, bietet Zugang zu wegweisenden Artikeln über Ehec und Expertenadressen aus Originalpublikationen. Auch Forscherblogs sind interessant. Sie führen auf wichtige Literaturstellen und ähnliche historische Fälle.
4.) Welche Regeln sollten für Berichte wie die über Ehec immer gelten?
Nie auf nur einen Experten verlassen, möglichst zwei oder mehr Meinungen/Einschätzungen einholen. Die wissenschaftlichen Unsicherheiten auch mitteilen  (z. B. nicht nur die Geschichte, was der Erreger anrichtet, sondern auch wie wenig man eigentlich noch über ihn weiß). Keine voreiligen Schlüsse ziehen und Prognosen wagen ohne wissenschaftliche Expertise und Zitate. Ultraschnelle Informationslieferanten wie Twitter helfen zwar bei der Subthemen-Suche, streuen aber auch viele Gerüchte. Deshalb: wertvolles Rechercheinstrument über aktuelle Entwicklungen, aber nie nur darauf verlassen – immer nachhaken!

Thomas Bleich, ZDF-Redakteur und Vorstandsmitglied des Kollegiums der Medizinjournalisten (KdM)

Thomas Bleich ist ZDF-Redakteur und Vorstandsmitglied des Kollegiums der Medizinjournalisten (KdM)
Dr. med. Thomas Bleich ist ZDF-Redakteur und Vorstandsmitglied des Kollegiums der Medizinjournalisten (KdM)

1.) Wie beurteilen Sie die Berichterstattung deutscher Medien über Ehec?
Die Berichterstattung zu Ehec hat in ihrer Qualität und Form das gesamte Spektrum der Medienlandschaft in Deutschland abgedeckt. Oft haben die Boulevardmedien auf das Sensationsbedürfnis abzielend, Ängste geschürt und sehr emotionalisierend berichtet.  Bei vielen dieser Berichte und Artikel wurden die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen auf einzelne Menschen deutlich. Es würde mich freuen, wenn sie so zu einer Mahnung zur Besonnenheit für Entscheidungsträger geworden sind. Bei vielen dieser Beiträge hatte ich jedoch den Eindruck, ratlos zu bleiben, was die eigene Situation beim Griff ins Gemüseregal betrifft. Die Hilflosigkeit vieler Verantwortlicher und Medien hat sich auf das Publikum übertragen. Da viele wissenschaftliche Zusammenhänge nicht in der Kürze der Zeit zu klären waren und ein enormer Druck entstanden ist, zu dem Thema zu berichten, wurden Leser, Hörer und Zuschauer oft mit Allgemeinheiten konfrontiert. Konkret wurden dann weder Ängste genommen, noch Handlungsempfehlungen gegeben, die Klarheit in den Konsumalltag gebracht hätten.

2.) Mit welchen Schwierigkeiten hatten Journalisten bei der Ehec-Berichterstattung zu kämpfen?
Die Struktur der Zuständigkeiten in den Behörden auf Landes- und Bundesebene ist auf den ersten Blick nur schwer durchschaubar. Es meldeten sich viele selbsternannte Experten zu Wort – mit oft widersprüchlichen Aussagen und Einschätzungen. Die Motivation und Interessenlage der Experten (persönlich, politisch, fachlich) war dabei oft nicht transparent. Es ist schon eine Herausforderung, geeignete und verfügbare Experten in sehr kurzer Zeit finden. Durch die steigenden Fallzahlen der Erkrankten entstand zudem ein enormer Druck berichten zu müssen. Das tagesaktuelle Mediengeschäft hat eine enorme Dynamik – auch durch das Internet. Die reine Anzahl von Artikeln zu einem bestimmten Thema sagt jedoch nicht unbedingt etwas über die Relevanz aus. Einer schreibt vom anderen ab – so bekommen Berichte und Informationen gerade im Internet eine Eigendynamik, die zusätzlich durch Foren und Chaträume beflügelt wird. Was dabei schnell auf der Strecke bleibt ist die Transparenz der Quellen und der tatsächliche Informationswert. Fest steht: Nicht nur die aktuellen Ehec Fälle, auch die Berichte darüber haben große wirtschaftliche und politische Auswirkungen. Daraus resultiert eine hohe Verantwortung für jeden Redakteur. Trotz aller Hektik ist da viel Besonnenheit nötig.

3.) Stichwort Recherche: Wo finden Journalisten Informationen zu medizinischen Themen wie Ehec und wie Fachleute und Experten?
Wichtige Informationsquellen sind natürlich die zuständigen nationalen oder internationalen Institutionen wie z.B. RKI, BFR, ECDC oder WHO. Die zahlreichen Artikel der Gesundheitsportale und der großen Verlagshäuser geben eine wichtige, allgemeinverständliche Orientierungshilfe, mit der sich ein Eindruck zur aktuellen Themenlage gewinnen lässt. Oft spiegeln sie jedoch nur Meldungen der großen Nachrichtenagenturen wieder. Internetforen und Chatrooms geben zusätzlich oft einen guten Aufschluss darüber, welche Themen bewegen und welche Stimmungen entstehen. Für seriöse Berichte ist jedoch die eigene intensive Recherche unerlässlich. Erst persönliche Gespräche mit Experten, die tagtäglich mit der Materie zu tun haben, machen es möglich, dass man auch zwischen den Zeilen lesen und so eine fundierte eigene Haltung entwickeln kann. Fachleute und Experten findet man an Universitäten und Kliniken, in Laboratorien und Praxen, wenn es um medizinische Themen wie z. B. Ehec geht. Wissenschaftlich medizinische Verantwortungsträger findet man in der Regel gut über die Autorenangaben in Fachpublikationen und wissenschaftlichen Datenbanken. Auch der Blick über die nationalen Ländergrenzen führt oft zu interessanten, neuen Perspektiven und Anregungen.

4.) Welche Regeln sollten für Berichte wie die über Ehec immer gelten?
Im Grunde gelten hier die gleichen Qualitätskriterien wie bei allen anderen Themen.  Bezogen auf den Medizinjournalismus sind Standards zu finden unter: http://www.kollegium-der-medizinjournalisten.de/Standards.0.7.1.html  Um einige der wichtigsten Punkte herauszugreifen:  1.) Je nach Medium bzw. Zielgruppe sollte Verständlichkeit gewährleistet sein. 2.) Qualifikation, Funktion und am besten auch die Motivation von Experten sollten eingeordnet werden. 3.) Zeitliche Bezüge sollten klar eingeordnet und kenntlich gemacht werden / Quellentransparenz ist wichtig. 4.) Auf Sensationsgier zu zielen und mit Ängsten der Menschen zu spielen, um Quote oder Auflage um jeden Preis zu machen, kann nicht das Ziel sein. Verantwortungsbewusster Medizinjournalismus sollte die Menschen mündig machen, damit sie sich ihr eigenes Urteil zu den Geschehnissen bilden und ihr Verhalten sinnvoll anpassen können. Gerade bei der Berichterstattung zu infektiösen Geschehen wie Ehec kann die mediale Berichterstattung und Aufklärung zu einem wichtigen Instrument der Prävention werden.

Cinthia Briseño, stellvertretende Ressortleiterin Wissenschaft, „Spiegel Online“

Dr. Cinthia Briseño, stv. Ressortleiterin "Wissenschaft", "SpOn"
Dr. Cinthia Briseño, stv. Ressortleiterin "Wissenschaft", "SpOn"

 

 

 

 

 

1.) Wie beurteilen Sie die Berichterstattung deutscher Medien über Ehec?
Obwohl der Ausbruchsherd der Ehec-Epidemie in Deutschland, der Betroffenheitsgrad also höher war, haben deutsche Medien angemessener reagiert, als bei vielen anderen Epidemien (SARS, Vogelgrippe, Schweinegrippe). Aus unserer Sicht war die Berichterstattung – mit einigen Ausnahmen (wenn z.B. von Killer-Keimen die Rede war) –  ruhiger, reflektierter, unaufgeregter und sachlicher. SPON etwa hat insgesamt weniger Leserbriefe erhalten, in denen uns Panikmache vorgeworfen wurde.

2.) Mit welchen Schwierigkeiten hatten Journalisten bei der Ehec-Berichterstattung zu kämpfen?
Es war lange nicht klar, wie die Ehec-Krise koordiniert wird – was schließlich ja auch u.a. von Politikern kritisiert wurde. Wer hat welche Zuständigkeiten, bei welcher Behörde bekommt man welche Informationen? Das herauszufinden, war nicht immer leicht. Oft haben wir unsere Fragen parallel an mehrere Behörden geschickt, um in jedem Fall eine Antwort zu erhalten und nicht ständig von A nach B geschickt zu werden.

3.) Stichwort Recherche: Wo finden Journalisten Informationen zu medizinischen Themen wie Ehec und wie Fachleute und Experten?
Erster Anlaufpunkt der Journalisten bei Seuchen, Epidemien, Infektionskrankheiten ist nach wie vor meistens das Robert-Koch-Institut. Die Webseite des RKI bietet zumindest für den Einstieg einen guten Überblick über die verschiedenen Infektionskrankheiten/Erreger. Dort bekommt man schnell die wichtigsten Fakten. Ansonsten hilft uns bei unserer Recherche unser umfassendes Archiv weiter, in dem neben der normalen Presse auch viele Hintergrundartikel aus der Fachpresse/Wissenschaftspresse zu finden sind. Dort findet man oft auch Tipps für geeignete Experten, bzw. sieht, welche Experten sich ständig zu allen möglichen Themen zu Wort melden – diese versucht man dann eher als Ansprechpartner zu meiden. Aber passende Experten waren bei Ehec das A und O einer guten Recherche.

4.) Welche Regeln sollten für Berichte wie die über Ehec immer gelten?
Oberste Regel: Die Fakten richtig darlegen. Lieber etwas länger mit der Veröffentlichung einer Geschichte warten, anstatt wissenschaftliche Fakten zu verdrehen. Das ist bei wissenschaftlichen Themen besonders heikel. Man sollte für alle Fälle einen geeigneten Experten an der Hand haben, bei dem man sich im Zweifel unkompliziert rückversichern kann. Als ehemalige Wissenschaftlerin war der Kontakt zu alten Laborkollegen sehr hilfreich.