Politikjournalisten 2014: die Laudatio

Der Tübinger Medien-Professor Bernhard Pörksen laudatiert den Politikjournalisten des Jahres – Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbundes aus „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR, Katja Gloger vom „Stern“ sowie Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org:

Bernhard Pörksen

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

manches von dem, was sich gerade zwischen den Medien des Landes und dem Publikum vollzieht, trägt die Züge eines ziemlich brutalen Scheidungskrieges. Es hagelt Vorwürfe, mal berechtigte, mal unberechtigte, oft schrecklich pauschale. Die einen, die Publikumsvertreter, rufen: Propaganda, Kriegshetze, Kampagne Verschwörung. Die anderen, die Medienvertreter, rufen zurück: Shitstorm, Trolle, digitaler Mob. Was wollt ihr denn mit uns diskutieren und uns kritisieren, wenn Euch doch so offenkundig die nötige Portion Herzensbildung fehlt und ihr nicht mal die Interpunktionsregeln beherrscht?

In dieser Situation der Medienverdrossenheit auf der einen Seite und mitunter auch der Publikumsverdrossenheit auf der anderen Seite gibt es – wie in jedem Moment der Eskalation – keine einfachen Rezepte, aber es gibt diejenigen, die auf indirekte Weise und eben deshalb vielleicht besonders wirksame Weise für die eigene Arbeit und für die eigene Branche werben, die darauf setzen, dass die Intelligenz der Praxis, ihrer Praxis, gleichsam subkutan Wirkung entfaltet. Und damit bin ich bei den drei Preisträgern in der Kategorie Politik. Georg Mascolo, der erste Preisträger, zeigt uns mindestens im Wochentakt und auf den unterschiedlichsten Kanälen, in den Arbeiten für die SZ, in den Fernseh- und Radioauftritten, was investigativer Journalismus kann, nämlich einordnen, erklären, auf gleichermaßen präzise und unerschrockene Weise Hintergrund liefern – und dies in einer großen thematischen Breite: von Ulli Hoeneß bis zu Edward Snowden, von der NSA zum BND, von der Islamisten- und Dschihadisten-Szene bis zu den Offshore-Leaks-Enthüllungen. Katja Gloger, die zweite Preisträgerin, hat mir – durch ihre Porträts für den Stern, ihre Essays zum Ukraine-Konflikt, ihre Analysen der Mentalität Putins, ihr großartiges Riesengespräch mit Gorbatschow – noch einmal klar gemacht, wie wichtig die richtige Mischung aus Nähe und Distanz ist, wie viel Zeit und Wissen man braucht, aber auch wie viel dramaturgische Phantasie, um dann die eigene Einsicht in die Mechanik der Macht wieder in Szenen und lebendige, anschauliche Arrangements zu übersetzen, die man so gerne liest. Von Marcus Beckedahl, dem dritten Preisträger, hochkompetenter Netzaktivist, Initiator des Blogs Netzpolitik und der re:publica-Konferenzen und nebenbei noch unbestrittener Meister im Aushalten und klugen Moderieren von Kommentaren, habe ich gelernt, dass der moderne Journalismus der digitalen Gesellschaft die dialogische Öffnung in Richtung des Publikums benötigt, das große, weniger asymmetrisch organisierte Gespräch. Auch wenn es manchmal wehtut. Und das nicht nur wegen ein paar falsch gesetzten Kommata.

Mascolo, Ehefrau und Zweitplatzierte Gloger, Beckedahl

Lieber Herr Mascolo, liebe Frau Gloger, lieber Marcus, ich möchte Sie nicht zu Branchen-Botschaftern einer neuen Bewegung gegen die Medienverdrossenheit oder zu Rezept-Lieferanten gegen die aktuelle Glaubwürdigkeitskrise stilisieren, aber ich denke tatsächlich, dass in Ihrer Arbeit die Leitlinien enthalten sind, um die gestörte Beziehung zwischen dem Journalismus und seinem Publikum wieder zu kitten. Die harte investigative Recherche, die ein Medium durch Exklusivität erkennbar macht, die brisante Enthüllung, die so nur von Profis geleistet werden kann, die Kompetenz, die aus der Tiefenrecherche in Kombination mit dramaturgischer Einfallsreichtum erwächst, schließlich der Dialog, das sich Berührenlassen von der Weltsicht des anderen – das sind die Prinzipien, die sich für mich aus der Lektüre Ihrer Arbeiten ergeben haben. In einem Satz und damit wirklich zum Schluss: Man kann seinen Beruf auch feiern, indem man ihn auf eine solche Weise ausübt. Ich beglückwünsche Sie herzlich.

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