Umfrage: Warum gehen Journalisten in die PR?

Immer mehr leitende Redakteure wechseln die Seiten und werden zu Pressesprechern. Fünf von ihnen haben uns gesagt, wieso sie diesen Schritt unternahmen – und ob sie ihren alten Job so sehr vermissen, dass sie wieder zurückkehren würden.

Umfrage: Katy Walther

 

Sigrid Eck
Früher stellvertretende Leiterin des „W&V“-Medienressorts, heute Communications & PR Manager Discovery Communications Deutschland GmbH

1. Geld, Macht, Frust im alten Job: Was waren die Motive für Ihren Jobwechsel?
Führungsverantwortung, ein besseres Gehalt, mehr Gestaltungsfreiheit und eine fehlende Perspektive im alten Job (in der Reihenfolge). Bei „W&V“ war ich zehn Jahre und sechs Monate. Der Job hat Spaß gemacht und ich habe dort gerne gearbeitet. Aber es hätte für mich keine Aufstiegschance gegeben. Die nächst höheren Posten waren mit Leuten besetzt, die dort schon sehr lange arbeiten.

2. Wie groß sind die Chancen, dass Sie in den Journalismus zurückwechseln?
Momentan würde ich sagen: Die Chancen, dass ich zuückwechsle sind äußerst gering. Dazu macht mir die PR für Discovery viel zu viel Spaß. Und die Arbeitsbedingungen sind weit angenehmer als im Journalismus: Kein wöchentlicher Redaktionsschluss, kein aufgerieben werden zwischen allen Stühlen (Redaktion, Gespächspartner, eventuell auch noch Anzeigenabteilung). Dafür viele Gestaltungsmöglichkeiten, viel eigenverantwortliches Arbeiten und ein freies Wochenende.

 

Matthias Arning
Früher Leiter der „Rundschau“-Stadtredaktion, heute Sprecher der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth

1. Geld, Macht, Frust im alten Job: Was waren die Motive für Ihren Jobwechsel?
Meine Chefin Petra Roth und ich haben gemeinsam an einem Buch gearbeitet. Dabei zeigte sich: Mit dieser Oberbürgermeisterin in politisch aufregenden Zeiten zusammen zu arbeiten, das konnte man sich einfach nicht entgehen lassen. Sie ist eine Schrittmacherin. Zusätzliche Motive sind das Mitwirken auf „der anderen Seite“ und die Aussicht auf die Erfahrung kommunalpolitischer Komplexität.

2. Wie groß sind die Chancen, dass Sie in den Journalismus zurückwechseln?
Wenn meine Chefin am Ende ihrer dritten Amtszeit Mitte 2013 neue Wege geht, kann ich mir eine Rückkehr in den Journalismus gut vorstellen. Aber auch vieles andere, das sich jetzt als spannend erweist, bislang aber kaum in meinem Fokus stand.

 

Mayk Wienkötter
Früher selbstständiger TV-Autojournalist, heute Produkt- und Markensprecher von Jaguar und Land Rover Deutschland

1. Geld, Macht, Frust im alten Job: Was waren die Motive für Ihren Jobwechsel?
Mein Wechsel hatte hauptsächlich perspektivische Gründe. Ich war 14 Jahre im TV-Autojournalismus tätig, die letzten beiden selbstständig. Ich hatte kontinuierlich eine sehr stabile Auftragslage und somit eigentlich keine Not zu wechseln. Trotzdem stand eine Neuorientierung an. Als One-Man-Show mit kleiner Produktionsfirma und guter Auftragslage war ich an meiner Kapazitätsgrenze angelangt, so dass ich überlegen musste, entweder Leute einzustellen oder etwas anderes zu machen. Ich war sozusagen in einer Minisackgasse angekommen. Das Angebot war daher ein Wink des Schicksals.

2. Wie groß sind die Chancen, dass Sie in den Journalismus zurückwechseln?
Zurückzuwechseln kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Wenn, müsste es in einem viel größeren Rahmen sein – als Geschäftsführer einer großen Produktionsfirma z.B., die ein riesiges Automagazin macht. Aber das ist in diesen Tagen völlig unwahrscheinlich. Außerdem ist meine Aufgabe hier einfach zu spannend.

 

Andreas Henry
Früher New York-Korrespondent der „WiWo“, heute Head of Communications der FMS Wertmanagement (Bad Bank)

1. Geld, Macht, Frust im alten Job: Was waren die Motive für Ihren Jobwechsel?
Geld hat keine entscheidende Rolle gespielt. Mich hat vor allem die neue Aufgabe gereizt. Ich halte meinen Job bei Deutschlands größter sogenannter Bad Bank für eine der derzeit spannendsten Herausforderungen in der Kommunikation. Das liegt zum einen daran, dass wir hier die Folgen der Finanzkrise aufarbeiten, die ich als Korrespondent in New York hautnah miterleben konnte. Zum anderen erfreuen wir uns als Anstalt öffentlichen Rechts mit direkten Nahtstellen zur großen Politik in Berlin, die im Interesse des Steuerzahlers möglichst viel aus dem übernommenen Milliarden-Portfolio herauszuholen versucht, natürlich einer gesteigerten Aufmerksamkeit. 

2. Wie groß sind die Chancen, dass Sie in den Journalismus zurückwechseln?
Ausschließen werde ich eine Rückkehr in den Journalismus nie – dazu hat mir der Job zuletzt als Korrespondent in New York und davor als Mitglied der Chefredaktion und Ressortleiter der „WirtschaftsWoche“ zu viel Spaß gemacht. Doch als Realist muss ich davon ausgehen, dass die Jobs auf diesem Level in der Medienlandschaft rar gesät sind.

 

Franz Kadell
Früher Chefredakteur der „Magdeburger Volksstimme“, heute Regierungssprecher von Sachsen-Anhalt

1. Geld, Macht, Frust im alten Job: Was waren die Motive für Ihren Jobwechsel?
Ich habe rund 30 Jahre im Journalismus gearbeitet, davon mehr als zehn als Chefredakteur. Dann verließ ich im November meinen Verlag auf eigenen Wunsch, weil es über die Weiterentwicklung der Zeitung unüberbrückbare Meinungsunterschiede gab. Anschließend habe ich erst einmal mein zweites „Katyn“-Buch zu Ende geschrieben. Dann kam überraschend das Angebot, mit 59 noch einmal ganz anders einzusteigen, sozusagen als Finalrunde meines Berufslebens. Und ich kann nach gut vier Monaten sagen, dass jeder Tag neue Herausforderungen, neue Erkenntnisse und neue Einsichten bereit hält.

2. Wie groß sind die Chancen, dass Sie in den Journalismus zurückwechseln?
Vielleicht als freier Schreiber oder Berater hier und da, nicht mehr als Macher im Tagesgeschäft. Das müssen dann Jüngere machen. Ich könnte mir auch weitere Buchprojekte oder Lehr- bzw. Vortragstätigkeiten vorstellen. Vor allem will ich all das lesen, lesen, lesen, wozu mir die Zeit bisher fehlte.

 

Die Umfrage gehört zum Text „Die Seitenwechsler“ von Katy Walther, der in der Printausgabe 10-11/2011 erschienen ist.