„Wir setzen auf Kooperation statt Kleinkrieg“

Die Verlage klagen wegen einer App gegen die ARD, die Atmosphäre ist vergiftet. Nur nicht im Saarland. Was läuft hier anders? Fragen an den Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“ Peter Stefan Herbst und den neuen Intendanten des Saarländischen Rundfunks Thomas Kleist.

Interview: Axel Buchholz

 

Acht Zeitungsverleger klagen gegen die Tagesschau-App, der BDZV beschwert sich bei der Europäischen Wettbewerbsbehörde in Köln. Im Dauerstreit zwischen Verlegern und öffentlich-rechtlichem Rundfunk wird seit Juni aufgerüstet …

PETER STEFAN HERBST: Ich kann die Verärgerung über die Tagesschau-App verstehen. Es ist ein gebührenfinanziertes, presseähnliches und kostenfreies Angebot, das einen fairen Wettbewerb erschwert. Hier werden Texte auch ohne Bezug zu Rundfunksendungen produziert. Häufig ist aber der Gang zu Gericht nicht der beste Weg zur Lösung von Problemen. Thomas Kleist setzt in diesem Streit auf Verhandlungen. Auch ich halte es für besser, miteinander zu reden und eine Lösung zu finden, die die berechtigten Interessen beider Seiten berücksichtigt.

THOMAS KLEIST: Wer vor Gericht klagt, gibt die Gestaltungsmöglichkeit aus der Hand. Ich hätte es für besser gehalten, zu verhandeln und die Claims zwischen Verlegern und öffentlich-rechtlichem Rundfunk im gegenseitigen Einvernehmen abzustecken.

Trotz des Säbelrasselns auf Bundesebene herrscht im Saarland zwischen „Saarbrücker Zeitung“ und dem Saarländischen Rundfunk  eitel Sonnenschein. Liegt das am saarländischen Prinzip des „leben und leben Lassens“?

HERBST: Das Saarland ist zu klein für einen großen Streit. Wir setzen auf Kooperation statt Kleinkrieg. Unsere Formen der punktuellen Zusammenarbeit bei einzelnen Formaten und Projekten schaffen eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

KLEIST: Ich nenne es gerne „das Prinzip der Harmonie der Widersprüche“. Wir machen genau das, was ich mir auf Bundesebene wünsche. Wir reden miteinander, suchen nach Synergien und bewahren uns gegenseitig unsere journalistische Konkurrenz.

Welche Vorteile versprechen Sie sich für ihr Haus von dieser  weit reichenden Kooperation?

HERBST: Unsere Kooperationen erhöhen Reichweite und Relevanz für beide Partner. So vergößert der SR mit den Bewegtbildbeiträgen auf saarbruecker-zeitung.de die Reichweite für seine Videos. Die Nutzer von www.saarbruecker-zeitung.de erhalten professionelles Bewegtbild-Material, das die Saarbrücker Zeitung in dieser Breite und Qualität sogar bei stärkster Nutzung selbst nicht wirtschaftlich erstellen könnte.

KLEIST: Rundfunk und Verleger haben jeweils ihre Stärken und die führen wir zusammen. Für uns ist es das Bewegtbild und die damit verbundene journalistische Kompetenz. Wir erreichen auf diesem Weg mehr Menschen mit unseren Qualitätsinhalten. Am Ende ist es aber eine Win-Win-Situation für beide Partner.

Aber von Nachteil ist doch, dass womöglich die zwei Medien-Platzhirsche an der Saar sich nun gegenseitig nur mit Samthandschuhen anfassen und manches so ganz oder teilweise ungesagt oder ungeschrieben bleibt?

KLEIST: Nein, ganz im Gegenteil wir sind und bleiben journalistisch Konkurrenten. Die Planung der Themen in unseren Redaktionen erfolgt völlig unberührt von den Kooperationen.

HERBST: Auch Partner können sich streiten. Desto besser die Partnerschaft, desto belastbarer ist sie auch bei unterschiedlichen Auffassungen. Kooperation bedeutet nicht Kumpanei. Die Leitungen beider Häuser stimmen aber auch überein, dass es auch in Zukunft trotz punktueller Kooperationen bei einem journalistischen Wettbewerb der beiden Medien bleiben wird. So haben wir selbstverständlich sehr kritisch über den Telefilm-Skandal beim SR berichtet. Und der SR sehr kritisch über den Tarifkonflikt bei der „Saarbrücker Zeitung“.

Bereits mit der Zusammenarbeit im Online-Bereich wurde 2009 ein weiterer Ausbau der „punktuellen Kooperationen“ vereinbart und inzwischen auch umgesetzt. Was steht als nächstes auf der Agenda?

HEBST: In der Folge entstand „saartalk“, ein crossmediales Gesprächsformat für Fernsehen, Zeitung, Radio und die Internet-Angebote beider Häuser. Hier erreicht der SR durch die redaktionelle und werbliche Anküdigung in der Saarbrücker Zeitung nachweisbar höhere Zuschauerzahlen als ohne eine solche Begleitung. Über weitere mögliche Kooperationen sind wir im Gespräch.

KLEIST: Wir haben bereits eine weitere gut funktionierende Kooperation im saarländischen Printbereich mit dem „Wochenspiegel“. Ob es darüber hinaus zusätzliche Kooperationen geben wird, kann ich aktuell nicht sagen. Wir haben keine Berührungs-ängste, aber auch das Interesse, ein hohes Maß an Meinungsvielfalt im Saarland aufrecht zu erhalten.

Halten Sie zum Beispiel eine Zusammenarbeit bei grenzüberschreitenden Medienprojekten in der Saar-Lor-Lux-Region, also Saarland, Lothringen, Luxemburg, für wünschenswert?

KLEIST: Beim Thema der interregionalen Aktivitäten des SR sehe ich in erster Linie die Zusammenarbeit mit allen Medienpartnern jenseits der Grenze. Wenn die Idee Saar-Lor-Lux nicht nur ein politischer Traum bleiben soll, dann müssen wir die Großregion zu einem grenzüberschreitenden Kommunikationsraum weiterentwickeln. Mit seiner hohen Kompetenz für Frankreich-Themen und Fragen der europäischen Integration kann der SR in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielen.

Aus Ihren guten Erfahrungen heraus: Empfehlen Sie die Zusammenarbeit SZ/SR auch andernorts?

HERBST: Ich empfehle, Berührungsängste zu überwinden. Was spricht gegen Kooperationen, wenn beide Seiten profitieren? Die sehr guten Erfahrungen im Saarland sind aber nicht ohne weiteres übertragbar, sind hier doch das Sendegebiet einer ARD-Anstalt und das Verbereitungsgebiet einer regionalen Tageszeitung identisch. Diese optimale Ausgangslage ist sonst nur noch in Stadtstaaten gegeben.

KLEIST: Ich will kein Missionar für andere sein. Richtig ist aber auch für andere, besser miteinander zu reden, als sich gegenseitig mit juristischen Mitteln zu bekriegen.

Kann von solchen Kooperationen eventuell sogar eine gewisse Entspannung auch bei der Behandlung der großen medienpolitischen Streitfragen ausgehen?

KLEIST: Das würde ich mir sehr wünschen, denn wir dürfen im Sinne der Erreichbarkeit der jungen Medienkon-sumenten, diese nicht den „googles dieser Welt“ überlassen und sie dann schließlich im world wide web  verlieren, während sich Verleger und Rundfunk munter gegenseitig im Netz zu behindern versuchen.

HERBST: Hier möchte ich mit einem Lieblingsspruch des verstorbenen SR-Intendanten Fritz Raff antworten: „Was möglich ist, kommt vor“.

Befürchten Sie, dass Auswirkungen der bundesweiten Konfrontation Sie auch im Saarland etwas ausbremsen könnten?

HERBST: Der Lieblingsspruch von Fritz Raff gilt auch hier. Ich halte die Wahrscheinlichkeit aber für deutlich geringer.

KLEIST: Nein, diese Gefahr sehe ich nicht.