Die Journalisten des Jahres 2009

Zum 6. Mal hat die rund 60köpfige „medium magazin“-Fachjury die „Journalisten des Jahres“ gewählt. Die Gewinner 2009 lauten:

„Journalist des Jahres 2009“ ist Nikolaus Brender, Chefredakteur des ZDF,

„weil er mit seinem konsequenten Beharren auf journalistische Unabhängigkeit Zeichen gesetzt hat, die über den eigenen Sender hinaus auf die ganze Medienbranche ausstrahlen, um so mehr als unter wirtschaftlichem Druck eine unabhängige Berichterstattung in allen Medienbereichen zunehmend gefährdet ist. Mit seinen klaren Vorstellungen von journalistischer Qualität, seiner oft von nützlicher Sturheit geprägten Diskussionsbereitschaft, hat er das journalistische Ideal der politischen Unabhängigkeit stets wacker gegen politische Partikularinteressen verteidigt: Nikolaus Brender ist ein unbequemer, authentischer Journalist mit Haltung. Um so mehr kritisiert die ´medium magazin`-Jury, dass der ZDF-Chefredakteur 2009 zum Spielball parteipolitischer Interessen wurde und der Verwaltungsrat des Senders die vom ZDF-Intendanten vorgeschlagene Vertragsverlängerung verhinderte.“

Die Sieger in den Fachkategorien:

Chefredakteur“: Bernd Ziesemer, „Handelsblatt“
…weil er mitten in der Krise journalistische Antworten auf aktuelle und künftige Herausforderungen gefunden hat. Das neue Tabloid-Format ist, wenn auch nicht unumstritten, die mutigste Produktveränderung des Jahres. Der Relaunch betont die Werte der Tageszeitung und steht als Blaupause für ein Geschäftsmodell mit Zukunft. Redaktion und Angebote hat er konsequent crossmedial ausgerichtet und gleichzeitig den Anspruch an Qualitätsinhalte hochgehalten.

„Politik“: Volker Zastrow, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“
…für seine profunden Recherchen über politische Ränkespiele, die in dem Buch „Die Vier. Eine Intrige“ über die Hintergründe der Abweichler-Entscheidung gegen die damalige hessische SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti mündeten. Ein beispielhaft gelungenes Recherche-Lehrstück, das sich wie ein Krimi liest und seltene Einblicke hinter die Kulissen des politischen Geschehens gewährt.“

Wirtschaft“: Beat Balzli, Klaus Brinkbäumer, Ullrich Fichtner, Hauke Goos, Thomas Hüetlin, Christoph Pauly, Der Spiegel“
…für das Stück „Die gefährlichste Firma der Welt“ (29/2009) über den US-Versicherungskonzern AIG – das durch die ressortübergreifende Team-Zusammenarbeit auch für Nicht-Fachleute zum herausragenden Erklärstück 2009 zu den Hintergründen und Weiterungen der Weltwirtschaftskrise wurde.“

„Kultur“: Frank Berberich, „Lettre International“
…weil er mit seinem Sarrazin-Interview eine bundesweite Debatte über den deutschen Umgang mit Migration ausgelöst hat, sich gegen „political correctness“ stemmt und damit das Konfliktpotential dieses Thema auf eine ernst zu nehmende Ebene der gesellschaftlichen Kultur in diesem Land gehoben hat.“

„Sport“: Ronny Blaschke, freier Journalist
…für seinen „Zeit“-Beitrag über die Nazi-Unterwanderung des Fußballvereins Lokomotive Leipzig: „Angriff von rechts außen“ (3.9.2009) – mit dem er eindrucksvoll den Blick auf Tabuthemen im Profisport lenkte – mit außerordentlichem Mut und beharrlicher Recherche.“

„Unterhaltung“: Kai Diekmann, Chefredakteur „Bild“ als „Videoblogger in Chief“
…für seinen 100-Tage-Blog  www.kaidiekmann.de , in dem er Einblicke in die Denkwelt des Bild-Chefredakteurs mit außergewöhnlicher Selbstironie zeigte. Mit seinem Blog setzte er – jenseits der taz-Schlagabtauschs – unterhaltsam-satirische Maßstäbe im Web.“

„Wissenschaft“: Werner Bartens, lt. Redakteur „Süddeutsche Zeitung“
…weil er in diesem Jahr mit seiner fundierten, sachlichen und zugleich für Laien verständlichen Berichterstattung auch zur Schweinegrippe seinem Ruf als Autorität in der Branche alle Ehre gemacht hat.

„Reporter“: Alexander Osang, „Der Spiegel“
…für seine exzellente Nahaufnahme der Bundeskanzlerin: „Die Schläferin“ (46/2009) – ein Meisterstück des Portraits, das die Ausnahmequalität dieses Reporters 2009 nachdrücklich unter Beweis stellte.“

Regionales: „Regionaler Chefredakteur 2009“:
Sergej Lochthofen, „Thüringer Allgemeine“ (bis 1.12.09)
…. ..weil er mit mutigen, kreativen Ideen (Seite 1 Konzept der TA, Wahlaufruf zur Bundestagswahl) der Lese- und Politikmüdigkeit trotzte und damit beitrug, dass im Verbreitungsgebiet der TA die Wahlbeteiligung höher ausfiel als im Rest Thüringens und der Einzug der Rechtsextremisten in den Landtag verhindert wurde. “
... „Regionaler Autor des Jahres“ : Michael Ohnewald, „Stuttgarter Zeitung“
…für seinen ebenso liebevollen wie unbestechlichem Blick fürs Lokalkolorit, den er 2009 auch in seinem Buch „Und plötzlich wird alles anders“ meisterhaft unter Beweis gestellt hat. Ein Lehrbuch für Lokaljournalisten!“.

„Newcomer: Ines Pohl,Chefredakteurin der „tageszeitung“ (taz)
…weil sie – obwohl sie in große Fußstapfen ihrer Vorgängerin Bascha Mika getreten ist – der „taz“ schon nach kurzer Zeit eine andere Handschrift verpasst hat, Mut und Meinungsstärke zeigte .Nun muss sie zeigen, dass sie halten kann, was sie verspricht.

Zur „Redaktion des Jahres 2009“ wählte die „medium magazin“-Jury
DIE ZEIT“
(mit „Zeit Campus“)
…weil sie mit Chefredakteur Giovanni di Lorenzo an der Spitze 2009 wie keine andere Zeitung der Medienkrise trotzte, gegen den Trend ihren Erfolgskurs konsequent ausbaute und gleichzeitig das Profil des Blatt anspruchsvoll verjüngte ohne die älteren Leser aus dem Blick zu verlieren – so mit der erfolgreichen Weiterentwicklung von „Zeit Campus“ durch Manuel Hartung.

Den Ehrenpreis „Lebenswerk“ erhält in diesem Jahr der Focus-Gründer und Herausgeber HELMUT MARKWORT (73)
….weil es ihm, entgegen aller Unkenrufe, gelungen ist „Focus“ im Markt zu etablieren. Damit hat er die Innovation der vergangenen 15 Jahre im Zeitschriftenmarkt geschaffen (ohne die der „Spiegel“ vermutlich immer noch schwarzweiß wäre). Die Jury würdigt mit der Anerkennung auch das vielfältige Engagement von Helmut Markwort – u.a. im privaten Hörfunk, als Blattmacher und früherer Chefredakteur im Gong Verlag sowie heute als TV-Moderator des „Sonntags-Stammtisch“ (BR)

Ein Sonderpreis geht an Stefan Kornelius „Süddeutsche Zeitung“:
… für seinen Beitrag “Er hat die Menschen als Ziel, nicht die Fahrzeuge“ am 12. Dezember, indem erstmals Details des geheimen ISAF-Berichts – dem Schlüsseldokument in der Aufklärung des Bomben-Befehls in Kundus/Afghanistan – öffentlich wurden. Kornelius stellt in sachlichem Ton den Sachverhalt klar, enthält sich weitgehend jeder Wertung. Mit dieser Darstellungsart begründet er einen erheblichen Teil der Folgewirkung des Berichts. Gleichwohl die „Bild“-Zeitung mit der Veröffentlichung des Feldjäger-Berichts am 26.11. den ersten Stein dieser Debatte ins Rollen brachte, votierte die Mehrheit der Jury für den SZ-Beitrag,da er die eigentliche Tragweite des Thema ins öffentliche Bewußtsein rückte – nämlich die Frage nach dem künftigen Selbstverständnis Deutschlands beim Einsatz von militärischer Gewalt. In diesem Beitrag und seiner begleitenden Kommentierung zeigt sich, so die Jury, Journalismus in seiner Kernaufgabe – Details zusammenzutragen, zu analysieren und daraus Orientierung zu vermitteln abseits von jedem politischen Lagerdenken.
Da dieser Beitrag erst nach der Nominierungsfrist erschien, konnte er nicht in die reguläre Jurywertung aufgenommen werden und erhält einen Sonderpreis.

Der „medium magazin“-Preis „Journalist des Jahres“ wird seit 2004 verliehen. Preisträger waren bisher u.a. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Alice Schwarzer, Herausgeberin von „Emma“, Michael Ebert und Timm Klotzek, Chefredakteure der G+J-Zeitschrift „Neon“, Stefan Niggemeier, freier Journalist und Blogger sowie Markus Grill und Malte Arnsperger für Ihre Aufdeckung der Bespitzelung bei Lidl. .

Die rund 60-köpfige Jury der „Journalisten des Jahres 2009“ besteht aus renommierten Journalisten, Medienexperten und Vorjahrespreisträgern wie Axel Buchholz, Dieter Degler, Bernd Gäbler, Michael Jürgs, Wolfgang Kaden, Claus Kleber, Eva Kohlrusch, Ingrid Kolb, Claus Larass, Arno Luik, Jan-Eric Peters, Gerd Ruge, Adolf Theobald, Beate Wedekind, und Andre Zalbertus.

Die Preisverleihung an die „Journalisten des Jahres 2009“ wird am Donnerstag,
14. Januar 2010, im Deutschen Historischen Museum in Berlin – unterstützt von der Metro Group und der Otto Group.

Die Liste mit allen gewählten „Journalisten des Jahres“ – jeweils die Top Ten in den Fachkategorien – und den Begründungen der Jury erscheint in „medium magazin“ 1+2/2010 am 4. Januar 2010

21.12.2009/ami