„Lust am Perspektivenwechsel“

Andreas Wolfers, geboren 1958, volontierte 1977 bis 1979 beim „Flensburger Tageblatt“ und arbeitete anschließend als Redakteur für die Segelzeitschrift „Die Yacht“ in Hamburg. 1980 bis 1987 studierte er Geschichte und Politologie in Münster und Hamburg – unterbrochen von zwei Jahren (1983 bis 85) in Israel als Korrespondent für mehrere deutsche Tageszeitungen. 1987 bis 1992 arbeitete er als freier Journalist, von 1990 an als Pauschalist für „Geo“. Dort wurde er 1993 Redakteur, 1999 auch geschäftsführender Redakteur von „Geo-Special“. Seit 2004 ist Wolfers Textchef beim „Stern“ und seit Oktober 2006 dort geschäftsführender Redakteur. Bereits seit 1995 ist der verheiratete Vater von zwei Kindern Dozent für „Reportage“ an der Henri-Nannen-Schule, seit 1999 auch an der Akademie für Publizistik (Hamburg) und seit 2005 am Institut für Journalistik (Universität Leipzig). Im April übernimmt er die Leitung der Henri-Nannen-Schule/Gruner+Jahr-Journalistenschule.

Warum sind Sie Journalist geworden?

Weil ich den ersehnten Medizin-Studienplatz nicht erhielt.

Wie kamen Sie an Ihren ersten Beitrag?

Herbst 1977: Die Schülerzeitung eines Gymnasiums in Husum veröffentlichte Teile des berüchtigten „Mescalero“-Nachrufs auf den ermordeten Generalbundesanwalt Buback. Großer Aufruhr in der Stadt. Darüber schrieb ich, kurz nach Beginn meines Volontariats.

Ihre Vorbilder im Journalismus?

Uneingeschränkte Vorbilder: keine. Aber viele Kollegen, die mir imponieren, von Beate Lakotta und Jürgen Dahlkamp bis zu Cay Rademacher und Gerhard Stadelmaier. Und natürlich Wolf Schneider.

Wann ist ein Journalist ein guter Journalist?

Ganz einfach: wenn er präzise recherchieren und präzise schreiben kann. Und überdies Themengespür hat, aufgeräumt im Kopf ist und Respekt und Hartnäckigkeit nicht für Gegensätze hält.

Wie wird sich der Journalistenberuf künftig verändern?

Die neuen Medien erhöhen den Zeitdruck, zugleich zersplittern sie Zielgruppen und stärken die Zerstreuungskultur. In den traditionellen Medien wächst die Bedeutung orientierender Beiträge. Der Einfluss der PR-Macher nimmt zu. All das erhöht die Anforderungen an Journalisten – die Kriterien für gutes Handwerk verändert es nicht.

Stört Sie das schlechte Image von Journalisten?

Ja.

Können Sie ein Buch oder einen Beitrag über „Ethik im Journalismus“ empfehlen?

Es reicht der Pressekodex – und die eigene Wachsamkeit.

Wie wichtig ist Klatsch?

So wichtig wie Nachtisch für gesunde Ernährung.

Wie und wo lernt man Journalismus am besten?

In der Lokal-Redaktion (Ich verzichte natürlich darauf, hier auch die Henri-Nannen-Schule zu erwähnen).

Haben es Frauen im Journalismus schwerer?

Als Redakteurinnen nicht mehr – in Führungspositionen weiterhin.

Was sind Ihre persönlichen Stärken und Schwächen?

Genau zu sein. Unnötig pingelig zu sein.

Ihre Lieblings-Internetadressen?

Lauter Nutzwert: Llek.de / froggle.de / perlentaucher.de / edge.org / agof.de. Und, ganz konventionell: spiegel.de.

Welches Buch lesen Sie gerade?

„Jedermann“ von Philip Roth.

Ihr liebstes Hobby?

Segeln.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?

Ein erfolgreicher Heiratsantrag.

Ihr größter Flop?

Im Rahmen einer Tibet-Reportage für „Geo“ interviewte ich den Dalai Lama in Indien. Als ich den Recorder einschaltete, funktionierte er nicht. Der Dalai Lama lachte vergnügt und sprach langsam, damit ich mitschreiben konnte. In Delhi verlor ich den Notizblock.

Welche Medienprojekte aus jüngerer Zeit sind für Sie besonders zukunftsträchtig?

Die Verzahnung von Print und Online beim „Neon“-Magazin.

Ihre Lieblingszeitung?

„Süddeutsche Zeitung“.

Ihre Lieblingssendung?

„Tagesthemen“.

Ohne was kommt ein Journalist nicht aus?

Kontaktfreude, Intelligenz, Lust am Perspektivenwechsel.

Was sollte Ihnen später einmal nachgesagt werden?

Als Schulleiter: Er hat keinen Schüler verkannt.

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „Terminal“ auf Seite 74 bis 74. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.