Covid-19-Berichterstattung als „Lehrbeispiel“ für kreativen Datenjournalismus

Ein Forschungsprojekt lotet datenjournalistische Möglichkeiten und Grenzen aus.  Was nehmen die Studentinnen und Studenten daraus für ihren künftigen Berufsalltag mit? 

In einem studentischen Lehrforschungsprojekt an den Standorten Köln und Stuttgart der Hochschule Macromedia untersuchten Journalismus-Studierende des vierten Semesters über 5.000 Artikel von sechs Online-Tageszeitungen in den Monaten Januar bis April 2020: Kölner Stadt-Anzeiger, Stuttgarter Zeitung, Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung, Tageszeitung (taz) und Zeit Online; aus forschungsökonomischen Gründen wurde die Analyse auf jeden vierten Tag im Untersuchungszeitraum begrenzt sowie teilweise auf die Vorspänne und ersten Textabschnitte. Die Aufgabe lautete: Erstellen eines Forschungsberichts sowie eines journalistischen Berichts über die Befunde des Projekts. Der Untersuchungszeitraum der  Corona-Berichterstattung war Januar bis April 2020. Grundlage für Mehtoden, Datenbasis und Support waren:  manuelle sowie computergestützte qualitative Inhaltsanalyse (hier mit MaxQDA), Datenanalyse und -visualisierung (hier mit Tableau), Datenbankrecherchen u.a. mit Lexis Nexis sowie mit Google-Suchoperatoren (taz) – ausgegeben über Schlagwortsuche Corona); eingeschlossen waren auch Texte aus den neu geschaffenen „Corona-Ressorts“. Die Anbieter von MaxQDA und Tableau waren sehr offen für Hochschulkooperation – bezogen auf Lizenzen, teils aber auch auf Support.  Betreut wurde das Projekt in Köln von Marlis Prinzing und in Stuttgart: Sebastian Pranz, Florian Stadel. +

In mediummagazin 4/2020 beschreibt Marlis Prinzing Lernziele und Lehren aus dem Projekt, die nicht nur für den Nachwuchs, sondern auch für den  journalistischen Alltag interessant sind. Doch wo sehen die Studierenden selbst darin Chancen für ihren künftigen Beruf? Sechs Stimmen aus Köln und Stuttgart:   

Sarah Wagner, 20 (Köln)

Datenjournalistische Kenntnisse können Journalist*innen im Berufsalltag große Vorteile bringen. Für Berichterstattungen und große Projekte können eigene Daten genutzt werden, die man selbst als verlässliche Quelle verifizieren kann. Durch die Arbeit mit dem Datensatz entwickelt sich ein gutes Gespür und Verständnis für die Zahlen. Ein eigenes Forschungsprojekt für die breite Masse greifbar zu machen, fällt dadurch leichter. Außerdem können Aussagen von Behörden mit eigenen Mitteln überprüft werden – der Watchdog-Funktion in vollem Maße nachgehen. Datenjournalistische Kenntnisse sind meiner Meinung nach keine Grundvoraussetzung für gute Journalist*innen, sicherlich aber von Vorteil.

Lukas Schmid (21), Stuttgart:

Zu einer guten Geschichte gehören auch immer anschauliche Visualisierungen, damit der Leser das Thema besser begreifen kann. Eine gute Reportage bestehend nur aus Text? Unvorstellbar. Visualisierungen, die man mit den vorhandenen Daten erstellen kann, sind eine perfekte Ergänzung zum geschriebenen Teil einer Story. Warum datenjournalistische Kenntnisse nützlich sind? Selbst zu wissen, wie man Daten sammelt, analysiert und auswertet macht den Berufsalltag von Journalisten schon um Vieles einfacher. Ich spreche hier nicht von tiefgründigen Excel-Kenntnissen, man ist ja in erster Linie noch für das Schreiben von Texten verantwortlich. Aber zumindest die Grundlagen von datenjournalistischem Arbeiten zu beherrschen ist sehr hilfreich, wenn es um das Modellieren von Grafiken geht. Man kann somit selbst einfache Visualisierungen erstellen und seine Geschichte erweitern, ohne sofort Hilfe von einer anderen Person zu benötigen. Der richtige und sinnvolle Umgang mit Daten spielt für die Arbeit eines guten Journalisten eine grundlegende Rolle.

Celine Fries (21), Köln:

Dadurch wird meiner Meinung nach die Kritik- und Kontrollfunktion des Journalismus gestärkt. Eine der wichtigsten Hauptaufgaben, die einen guten und glaubwürdigen Journalismus ausmachen. Nur durch recherchierte und geprüfte Ergebnisse lassen sich nennenswerte und vertrauensvolle Fakten und Zahlen an die Bevölkerung weitergeben.

Lara Starke (20), Stuttgart:

Meiner Meinung nach helfen datenjournalistische Kenntnisse, Artikel mit Zahlen und Fakten untermauern zu können oder befähigen dazu aufgestellte Thesen selbst zu verifizieren. Somit sind Journalisten auch nicht nur auf die Statistiken und Erkenntnisse anderer Personen angewiesen. Für einen guten Journalisten gehört es sich, immer stichhaltige und beweisbare Aussagen zu treffen. Die Fähigkeit Zahlen, die für solche Aussagen als Beweis dienen, selbst zu erheben, erleichtert somit die Arbeit. Zudem sind datenjournalistische Kenntnisse ein hilfreiches Tool, um Aussagen anderer Personen nachprüfen zu können. Durch Datenjournalismus kann die Berichterstattung genauer unter die Lupe genommen werden und es wird Journalisten leichter gemacht, Lesern bestimmte Erkenntnisse zu verdeutlichen. Außerdem kann das Wissen über die journalistische Datenerhebung auch helfen, Missstände in der Berichterstattung aufzudecken, was ich als besonders wichtig erachte. 

Allem in allem denke ich, dass datenjournalistische Kenntnisse essentiell für den Beruf des Journalisten sind und ihm auf vielzählige Art und Weise helfen, ein besserer Journalist mit besserer Berichterstattung zu sein.

Joana Kerschbaum (20), Stuttgart:

Datenjournalistische Kenntnisse sind mittlerweile oft wichtiger Bestandteil von journalistischem Arbeiten. Durch journalistische Verarbeitung und Visualisierung von Daten können komplexe Themen, Zahlen und Fakten für ein breites Publikum zugänglich und verständlich gemacht werden. Das ist ein Grund, wieso ich datenjournalistische Arbeit für sehr wichtig erachte und es somit auch wichtig finde, dass Journalisten eine gewisse Grundkenntnis über derartiges Arbeiten haben. Wenn Journalisten über datenjournalistische Kenntnisse verfügen, wird sie das in ihrer alltäglichen Arbeit sicherlich bereichern. Oft müssen sich Journalisten mit Daten, Statistiken und Zahlen auseinandersetzten, die sie zum Beispiel von Unternehmen oder Instituten als Quellen und Information erhalten. Diese Daten für die Bevölkerung zugänglich zu machen, sodass sie auch einfach und verständlich sind, erfordert von Journalisten entsprechende Kenntnisse.

Auch kann die Auswertung von vorliegenden Zahlen, Fakten und Statistiken dazu dienen, verschiedene Meinungen und Aussagen, die in der Berichterstattung Platz finden, zu untermauern. Dies dient erstens dazu, dem Leser detailliertere und interessante Informationen zu einem Sachverhalt zu bieten, als auch dazu, bestimmte Aussagen und Thesen zu belegen. Durch datenjournalistisches Arbeiten kann somit die Glaubwürdigkeit einzelner Aussagen und dadurch auch die der Medien insgesamt gesteigert werden. Gleichzeitig können durch eine bessere Beweislage Aussagen besser belegt und verifiziert werden, was im Gegenzug auch eine erschwerte Verbreitung von Fake News, denen es an schlüssigen Belegen fehlt, bedeuten könnte.

Datenjournalistische Kenntnisse können jedoch nicht nur bei der Auswertung, sondern auch bei der Erhebung von Daten, wie es bei unserem Projekt der Fall war, von großem Nutzen sein. Solche Projekte können neben dem reinen Unterhaltungsfaktor auch zur Aufdeckung bestimmter Gegebenheiten, Muster oder Missstände dienen. Somit nützen diese Kenntnisse auch der Erfüllung der Kontrollfunktion des Journalismus über den Staat, die Wirtschaftslandschaft und über die Berichterstattung.

Durch die vorhergegangenen Gründe ist für mich klar, dass datenjournalistische Kenntnisse einen großen Nutzen im Berufsalltag von Journalisten haben und ich es deswegen für Journalisten als äußerst wichtig erachte, eine gewissen Kenntnis im journalistischen Arbeiten mit Daten zu haben.

Jann Philipp Gronenberg, 24 (Köln):

Datenjournalistische Arbeit ist wichtig, um Dinge faktisch greifbar zu machen. Aus einem Gefühl / einer Annahme kann durch statisch gesammelte Werte eine faktisch gestützte Aussage gemacht werden. Dies hat einen anderen Stellenwert in einer öffentlichen Diskussion und verstärkt die Stellung der journalistischen Sorgfaltspflicht. Vorwürfe vorwiegend rechter Personenkreise, die Journalismus Meinungsmache vorwerfen, können durch entkräftet werden.

Ein Beispiel aus der interaktiven Datenaufbereitung der Studierenden im Rahmen des „Corona-Projekts“

Tipp:

Die interaktiven Visualisierungen sind hier zusammengestellt: https://sebastianpranz.de/corona2020/.