Zeitungen werden sich sehr verändern

Zeitungen im Broadsheet-Format und mit mehrteiliger Buchstruktur sind passé, sagt Juan Antonio Giner, Chef der Unternehmensberatung Innovation Media Consulting Group. Die Zukunft gehöre Kompaktformaten mit Einbuchstruktur. Seit mehr als 20 Jahren berät Giner Zeitungsverlage und scheut sich nicht vor radikalen Äußerungen.

Eine Zeitung einfach auf ein kleineres Format zu schrumpfen, sei schon mal ein Ding der Unmöglichkeit, sagt der Berater. „Redesignen Sie erst die Architektur ihrer Inhalte, dann die Zeitung." Und: „Reduzieren Sie die Seitenumfänge! Sparen Sie Geld. Und helfen Sie Ihren Lesern, mehr mit weniger zu bekommen."

Die größte Herausforderung für Journalisten sei nicht das Internet, sondern die Inhalte ihrer Medien, so Giner. Langeweile zu verbreiten sei eine Todsünde. Aufzuschreiben, was schon längst bekannt sei, eine leider allzu verbreitete Übung von Redaktionen überall auf der Welt. Zunächst sind Giners Statements Sprüche, gewiss. Doch er arbeitet mit seinem Team an einem Zeitungsprototyp „30/30", den er beim 10. European Newspaper Congress in Wien (siehe Kasten) vorstellen wird. Ob dieses Modell, das u. a. auf eine andere Gewichtung von Texten und Bild als herkömmliche Zeitungen setzt, tatsächlich den Weg in die Zukunft der Branche weist, ist ungewiss. Doch mit einem hat der Mann in jedem Fall recht: „Die Zeit für mutige Initiativen ist gekommen." Juan Antonio Giner ist ein gefragter Experte, aktuell arbeitet er und seine Kollegen an 29 Projekten in 18 Ländern, u. a. in Dubai, Frankreich, China und Chile. Die Fragen beantwortete Juan Antonia Giner – per E-Mail:

Wie sieht die Zeitung der Zukunft aus, Herr Giner?

Juan Antonio Giner: Kompakt und fesselnd.

Sie sprechen von „Newszine" als Zeitung von Morgen. Was steckt hinter dieser Wortschöpfung?

Unsere Beratungsgruppe Innovation glaubt, dass die Zeitung der Zukunft ein tägliches „News-Magazin" ist.

Die ideale Zeitung hat nach Ihrer Charakterisierung folgende Eigenschaften – kurz und tiefgehend, analytisch, einfach zu lesen, nachrichtenorientiert. Das klingt smart, scheint aber doch schwierig in die Tat umzusetzen zu sein. Wie kann man knapp und gleichzeitig tiefgehend informieren?

Indem man Optionen anbietet und verschiedene Ebenen einzieht: von kurzen Briefings zu Titelgeschichten. Wie „Monocle". Wie das „Time Magazine". Wie „Newsweek". Wie der „Economist".

Beispiele vorbildlicher Zeitungen, die Sie auf Ihrem Blog „Innovations in Newspapers" vorstellen, arbeiten mit großflächig eingesetzten Bildern. Der Textanteil scheint zu schrumpfen. Wie sieht ein ideales Text-Bild-Verhältnis aus?

Visual Design arbeitet mit Text und Bild gleichermaßen. Lesen Sie mal „Expresso" aus Portugal und Sie werden auch tiefgehende analytische Stücke finden.

Wird das Tabloidformat langfristig das einzig verbleibende Zeitungsformat sein? Warum hat es sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt?

Ich kann nicht für deutsche Leser sprechen, aber Tabloids gehören der Vergangenheit an. Die Zukunft sind „Micro-Tabloids". [halbes Berliner Format, Anm. der Redaktion]

Wird der integrierte Newsroom die Zukunft für alle News-Organisationen sein?

Ja, für alle Journalisten und Manager. Für jeden „multimedialen 24/7 Informations-Motor".

Welche Zeitung hat das bisher schlüssigste Print-Online-Konzept?

Das sind mehrere: „The Guardian", „The New York Times", „El Mundo", „Daily Telegraph"…

Auf Ihrem Blog haben Sie auch eine Facebook-Applikation eingebaut. Was können Zeitungen von sozialen Netzwerken lernen?

Das Zusammenspiel mit Lesern, Publikum und Communities ist für jede Nachrichtenorganisation unverzichtbar.

Hat Bürgerjournalismus eine Zukunft?

Ich glaube an die Einbindung und Mitwirkung von Lesern. Aber Journalismus ist ein Beruf, und darum sehe ich nur einen begrenzten Einfluss der sogenannten Bürgerjournalisten. Manche Leute entwerfen ja ihre eigenen Häuser, aber wir nennen sie darum nicht „Bürgerarchitekten".

Was sind die Hauptunterschiede zwischen den Zeitungswelten in den USA und Europa?

US-Zeitungen sind werbunggetrieben, europäische Zeitungen sind inhalte- und vertriebsgetrieben.

Sind nicht alle Zeitungen inhaltegetrieben?

In den USA regiert die Anzeige und Nachrichteninhalte kommen erst an zweiter Stelle. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen sind US-Blätter hauptsächlich Einkaufshilfen.

Werden gedruckte Zeitungen die Krise überleben?

Viele Jahre und Jahrzehnte. Aber sie werden sich sehr verändern.

Linktipp:

Juan Antonio Giners websites:

www.innovationsinnewspapers.com

www.innovation-mediaconsulting.com

Erschienen in Ausgabe 03/2009 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 26 bis 26 Autor/en: Christian Meier. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.