Der neue Außenminister

?“Konzerngeschäftsführer Public Affairs“: Ihr neuer Titel klingt in der Tat wie eine Art „Cheflobbyist“, wie es „kress“ interpretierte. Beraten Sie also künftig Mathias Döpfner in seiner Beziehung zu Angela Merkel in Berlin und zu Vivianne Reding in Brüssel?

Christoph Keese: Die Aufgabe ist neu und in ihrer Art wohl noch nicht in einem anderen Medienhaus vorhanden. Die dafür gewählte Bezeichnung „Konzerngeschäftsführer Public Affairs“ erschien uns die am besten geeignete. „Publizistischer-Ideenentwickler- und-Medien-Chancen-Erkenner- und-Ergreifer- und-Verlagsaußenminister“ träfe es vielleicht besser, wäre aber sicher zu lang. Wir haben uns beim Titel naheliegenderweise für die Betonung der Außenbeziehungen entschieden.

Ist das auch eine Konsequenz auf die Auseinandersetzung in Sachen ProSiebenSat.1 und Pin-Group?

Ja. Zwei Entwicklungen kamen zusammen: Der Verlag möchte die Chancen des sich wandelnden Medienmarktes ergreifen, und ich wollte nach dem publizistischen und wirtschaftlichen Durchbruch bei der Welt-Gruppe eine neue Herausforderung annehmen. Mit Mathias Döpfner hatte ich schon vor Jahren vereinbart: Wenn es uns gelingt, die Welt Gruppe / Berliner Morgenpost journalistisch in Bestform und wirtschaftlich in die schwarzen Zahlen zu bringen, würde ich gern meinen nächsten persönlichen Entwicklungsschritt gehen und meine unternehmerischen Fähigkeiten noch stärker einbringen.

Sie waren Sprecher der Chefredakteursrunde der Welt-Gruppe. Was bewegt einen Journalisten wie Sie da zu einem solchen Seitenwechsel?

Die Strategien für „Welt am Sonntag“ und „Welt Online“ zu entwickeln und umzusetzen, waren schon Aufgaben, bei denen sich mein bisheriger, langjähriger Schwerpunkt Journalismus und Management begegnet sind. Nun betone ich das Management etwas stärker. Mathias Döpfner und ich kennen uns seit fast zwanzig Jahren. Das hat mir die Entscheidung natürlich auch erleichtert.

Welt Online meldet seit Jahresbeginn mit Stolz Erfolg nach einem holprigen Start zum Relaunch im Frühjahr 2007. Gilt die Erfolgsbilanz auch für den Anspruch „Online First“, wie Sie ihn proklamiert und bisher verantwortet haben?

Der Erfolg hat uns selbst überrascht. Alle in der Branche stehen vor demselben Problem. Bei der „Welt“ wurden die konsequenteste Strategie und die konsequenteste Umsetzung gewagt – mit einem äußerst erfreulichen Ergebnis. Welt Online ist inzwischen die erfolgreichste Website aller überregionalen Tageszeitungen und hat auch Focus.de und n-tv.de überholt. Der Ansatz – neu denken, neu handeln – macht deutlich, wie wir künftig vorgehen wollen.

Wo sehen Sie denn die größten Hürden in der crossmedialen Arbeit der Verlage?

Redaktionen sollten das Internet umarmen, ohne die Zeitung zu vernachlässigen. Dafür müssen sie die Anforderungen an beide Medien gleichermaßen kennen und berücksichtigen, damit sie sich bestmöglich ergänzen – denn für das Internet arbeitet man anders und zu anderen Tageszeiten. Eine Online-Offensive ist kein Schritt weg vom Journalismus, sondern einer auf ihn zu. Das Internet bietet enorme journalistische Chancen, die wir bei Welt Online nicht nur erkannt, sondern auch konsequent umgesetzt haben. Ich würde sogar so weit gehen, dass Redaktionen ihre Verleger aus journalistischen Gründen geradezu dazu drängen sollten, stärker ins Internet vorzustoßen.

Die „Welt am Sonntag“ wird Ende April beim European Newspaper Congress als „Europas best designte Wochenzeitung“ geehrt. Die Auflage hat sich gut entwickelt, vor allem bei den Abonnements. Der Einzelverkauf ist dagegen rückläufig. Woran liegt´s?

Unsere Auflage ist stabil – das ist angesichts der allgemeinen Marktumstände keine Selbstverständlichkeit, sondern ein beträchtlicher Erfolg, auf den wir stolz sind. Wir haben den Auflagenrückgang gestoppt und uns auf hohem Niveau konsolidiert. Die Mitbewerber am Sonntag liegen mit weitem Abstand hinter uns. Eine Strukturverschiebung vom Einzelverkauf zum Festbezug stellen alle großen Wochentitel fest. Da sind wir keine Ausnahme, und das ist auch kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil: Wir sind für die Zukunft bestens gerüstet.

Annette Milz ist Chefredakteurin von „medium magazin“. eMail: redaktion@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 4/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 18 bis 19 Autor/en: Interview: Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.