Das WAZ-Modell bricht auf

Gemeinsame Verlagsgeschäfte, getrennte Redaktionen – das war bisher die Maxime der WAZ-Gruppe. Doch künftig sollen die Zeitungen und Zeitschriften des Essener Medienkonzerns stärker zusammenarbeiten. Geschäftsführer Bodo Hombach will dafür die zuvor viel beschworene redaktionelle Trennung aufheben. Als einen ersten Schritt sollen die Sportredaktionen fusionieren.

„Dieses Modell ist in einer anderen Zeit und unter völlig anderen Voraussetzungen entstanden“, sagte Hombach im Juni in der Branchenzeitschrift „Werben & Verkaufen“. Er wies damit auf jene Tage hin, als der Verlag in einem ersten großen Expansionsdrang mehrere Konkurrenztitel in Nordrhein-Westfallen aufkaufte. Seit damals gehören neben der Stammzeitung „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) auch die „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“ (NRZ), die „Westfalenpost“ (WZ) und die „Westfälische Rundschau“ (WR) zum Haus.

Anzeigen, Vertrieb, Druck und Verwaltung waren von Beginn an zentralisiert. Die Redaktionen arbeiteten bisher aber autonom. Der frühere Verleger Erich Schumann bezeichnete dieses sogenannte WAZ-Modell einst als „publizistische Vielfalt unter einem betriebswirtschaftlichen Dach“.

Die Auflage der NRW-Titel inklusive „Iserlohner Kreisanzeiger“ (IKZ) ist zwischen 2007 und 2008 um knapp fünf Prozent zurückgegangen. Dieser Drang zum Sparen macht jetzt aber offenbar erfinderisch: Hombach redet nicht davon, das alte Modell zu kippen. Er spricht von Synergie-Effekten. Und von einem Mehr an Qualität.

Einer der ersten Pläne ist ein WAZ-weites Olympia-Team: Die sieben Redakteure, die für das größte Sportereignis aller Zeiten in Peking akkreditiert sind, sollen sich die Arbeit teilen, statt miteinander zu konkurrieren. So sollen nicht alle zu denselben Pressekonferenzen gehen, sondern sich absprechen und damit insgesamt mehr Termine besetzen. Die Auswahl an Berichten würde so zweifellos steigen. Gleichzeitig riskiert die WAZ aber auch, dass künftig am nächsten Tag in allen WAZ-Blättern die selben Geschichten stehen, sich die einzelnen Titel also nicht mehr unterscheiden.

Das kann auch Bodo Zapp nicht ausschließen. Der Chefredakteur der „WP“ ist in diesen Tagen zum Synergie-Beauftragten des Konzerns avanciert. Gemeinsam mit Hombach hat er Ende Mai auf einer Betriebsversammlung in Hagen die neuen Leitlinien vorgestellt. Er wirbt für das neue Modell: Inhaltlichen Kooperationen seien „positiv für den Leser“, sagte er. So sollen insbesondere die „WR“ und „WP“ mit ihren bisher knappen Sportteilen von den anstehenden Synergien profitieren – und auch im Lokalen Termine nur noch einmal besetzen.

Zapp befürchtet keinen Verlust der Profile der einzelnen Titel: „Mir kann kein Mensch erzählen, dass sich die Identität einer Zeitung im Lokalsport zeigt.“ Und Hombach sagte in besagtem Interview: „Mit einer Preisgabe von Titelidentitäten haben die Synergie-Anstrengungen nichts zu tun.“ Doch Hombach prognostizierte auch, dass Kulturartikel ausgetauscht werden könnten. „WP“-Chef Zapp denkt gar über gemeinsame Korrespondentenbüros in Berlin und Düsseldorf nach. Längst gibt es ein gemeinsames Korrespondentenbüro in Brüssel. Und im Zuge einer Cross-Promotion sollen auch „Ein Herz für Tiere“ und das TV-Magazin „Gong“ Bausteine für die Serviceseiten der Zeitungen liefern.

Erschienen in Ausgabe 7/2008 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 8 bis 8 Autor/en: Andrea Mertes. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.