Blasen und Phrasen

Lokaljournalismus-Spezial

In dieser Folge geht es ausnahmsweise nicht um Phrasen von Managern oder anderen Führungsfiguren, mit denen diese ihre wahren Absichten vor Journalisten verschleiern. Diesmal geht es um unseren eigenen Berufstand, um Journalisten-Phrasen einer ganz besonderen Art. Auch wir Medienmenschen tappen, wer hätte es gedacht, gerne in die Phrasen-Falle. Einige der hartnäckigsten und abgehangensten Sprach-Unfälle findet man immer wieder auf den Lokalseiten der Tageszeitungen. Zwischen Vereins-Grillfest und Laienspielgruppe vergeht manchem Schreiber offenbar die Lust am Schreiben. Statt sich Gedanken zu machen, wird in die Schublade mit abgegriffenen Standard-Floskeln gegriffen und herausgenommen, was ganz oben liegt. Hier einige Evergreens:

„Jazz/Klassik/Rock vom Feinsten“

Ein Klassiker, von dem man dachte, dass er eigentlich zurecht ausgerottet ist. Treibt in einigen Lokalteilen aber immer noch sein unredigiertes Unwesen. Wahlweise auch als Oper vom Feinsten, Klassik vom Feinsten oder Rock vom Feinsten. Die Phrase „vom Feinsten“ ist die Kapitulation des Lokalreporters vor jeglicher Kultur und gehört schlicht und ergreifend ersatzlos gestrichen wegen dramatischer Ideen-Armut und Bedeutungslosigkeit.

„Fürs leibliche Wohl ist wie immer bestens gesorgt“

Die grillenden Feuerwehrmänner oder die Damen vom Kuchenbuffet sorgen jedes Wochenende „bestens fürs leibliche Wohl“. Nicht zuletzt wegen solcher Formulierungen wird der Lokaljournalismus auch als Bratwurstjournalismus bezeichnet. In Ermangelung frischer Ideen oder origineller Ansätze zu einer Berichterstattung wird inhaltlich die Speisefolge aufgewärmt und sprachlich begnügt man sich mit abgeschmackter Hausmannskost.

„… herrschte reges Treiben …“

Eine Standardfloskel, die man nicht mehr lesen kann und will. Die Phrase „…herrschte reges Treiben…“ wird bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit gedankenlos und scheinbar wahllos über die Texte der Lokalseiten verteilt. Egal ob beim Grillfest, beim Vereinsjubiläum, beim „mittelalterlichen Spektakulum“ oder der Einweihung der neuen Sporthalle. Stets „herrschte reges Treiben“. Was will uns diese Formulierung sagen, außer dass der Verfasser keine Lust auf das Verfassen dieses Textes hatte? Nichts? Ach so. Also weg damit!

„Der Jubel kannte keine Grenzen“

Kritik ist in Lokalteilen meist verpönt. Der Jubel, er kennt in der Regel „keine Grenzen“. Beim Mundart-Kabarett „bleibt kein Auge trocken“, beim Fasching oder Karneval „tobte der Saal“. Nun muss man Lokal-Veranstaltungen nicht gleich Reich-Ranicki-mäßig verreißen, aber 08/15-Jubel-Platitüden müssen auch nicht sein. Beschreiben, was passiert, und die Wertung dem Leser überlassen. Das ist schwerer, als man denkt, lohnt sich aber.

„Heiße Rhythmen und flotte Sohlen“

Kaum zu glauben, auch das gibt es noch: „legten die Besucher zu heißen Rhythmen eine flotte Sohle aufs Parkett.“ Gerne genommen bei der Kirchweih-Festberichterstattung oder dem alljährlichen Benefiz-Ball in der Mehrzweckhalle. Solche Phrasen sind so angejahrt, dass sie höchstens noch ironisch Verwendung finden dürften. Aber auch da ist Vorsicht angebracht, bzw. „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“: gedruckte Ironie wird meistens nicht verstanden.

„… gab es wieder tolle Preise zu gewinnen“

Beim Chor-Konzert, dem Bauerntheater oder dem Turnfest darf sie nicht fehlen: die Tombola. Die Lose werden entweder vor Ort verkauft oder bereits Tage vorher von Vereins-Kindern an der Haustüre losgeschlagen. Zu gewinnen gibt es dann all das, was Vereinsmitglieder auf ihrem Dachboden noch übrig hatten und was das örtliche Gewerbe als Spende bereit war rauszurücken. Also meistens nix Dolles. Trotzdem gehört der Hinweis auf die Tombola mit den „tollen Sachpreisen“ so felsenfest in den Zeitungsbericht wie die Begrüßungs-Orgie des Bürgermeisters.

„… um dem Alltag zu entfliehen …“

Eine weitere Formulierung von der Stange für jede Gelegenheit. Sie wird bevorzugt eingesetzt bei Theateraufführungen vom Gesangverein oder Chor-Konzerten. Je nachdem, ob die „Alltags-Flucht“ lustig gemeint ist (Bauern-Schwank) bleibt dabei auch gerne mal „kein Auge trocken“, bzw. „lachte das Publikum Tränen“. Hergenommen wird diese „Alltags“-Phrase aber auch für Dia-Vorträge und Karnevals-Prunksitzungen. Bezeichnend, dass die Flucht vor dem offenbar schrecklichen Alltag dann doch meistens nicht gelingt. Jedenfalls nicht im Lokalteil der Heimatzeitung.

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Erschienen in Ausgabe 07+08/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 50 bis 50 Autor/en: Christian Meier und Stefan Winterbauer. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.