Eine „taz“-Überschrift im November: „Weihnachten nur für Weiße“. Gefunden hatte das der „taz“-Korrespondent in der „Repubblica“. In dem norditalienischen Dorf Coccaglio, stand da, werde systematisch nach illegal dort wohnenden Ausländern gefahndet. Die Aktion, die am 25.Dezember ende, trage den Titel „White Christmas“. Ein Assessor habe vom „Saubermachen“ gesprochen – und auf den christlichen Protest gegen die geschmacklose Aktion geantwortet, für ihn habe der Geist des Weihnachtsfests nichts mit „Gastlichkeit“ zu tun, sondern mit der italienischen Tradition.
Um auf der Rückreise von einer Vertretung im ARD-Hörfunk-Studio Rom, das ich früher geleitet habe, empörte Stimmen zu hören, ließ ich mich von jenem Gewerkschaftssprecher mit Telefonnummern versorgen, den das Ausländer-Aufspüren an die Judenverfolgung im Faschismus erinnerte.
Ergebnis: John aus Ghana, Mustafa aus dem Senegal und ein anonymer Albaner sagen, seit dem Amtsantritt des Lega-Nord-Bürgermeisters habe sich die grundsätzlich gute Stimmung zwischen Einheimischen und Nicht-EU-Bürgern nicht geändert. Von „ethnischer Säuberung“ keine Spur.
Und der Bürgermeister selbst? Die Bezeichnung „White Christmas“ habe sich die Presse ausgedacht, sagt er mir. Es gehe ihm um ein aktuelles Adressverzeichnis, falls er wieder mal einen Sprachkurs anbieten könne. Der besagte Assessor habe seines Wissens in Wirklichkeit gesagt: „Der Geist der Gastlichkeit ist bei uns nicht weihnachtlich, weil bei uns das ganze Jahr, gemäß der italienischen Tradition, Gastlichkeit herrscht.“ Und dann sagte er mir noch, kaum ein anderer Journalist habe sich die Mühe gemacht, das Thema an Ort und Stelle zu recherchieren. Die „Repubblica“ habe nur ein Mal mit ihm telefoniert und ansonsten abgeschrieben. Dem Verdacht, ein heimlicher Lega-Nord-Fan zu sein, konnte ich da nur noch mit Anmerkungen über das unchristlich strenge italienische Ausländergesetz entgehen. Aber gesendet hat die unspektakuläre Reportage wahrscheinlich eh keiner.
www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/weihnachten-nur-fuer-weisse
Erschienen in Ausgabe 01+02/2010 in der Rubrik „Rubriken & Kolumnen“ auf Seite 42 bis 42 Autor/en: Philipp Kreisselmeier, Zeitweise Brescia und Umgebung. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.