Gebot der Transparenz

?Der PR-Rat hat sich Anfang März mit dem „Fall Essing/Christ“ beschäftigt, aber ohne eine eindeutige Stellungnahme. Warum bleiben Sie da so verhalten?

Richard gaul: Wir müssen – als DRPR – erst einmal die Fakten erheben, bevor wir handeln können. Der Rat darf nicht nur „kommentieren“, sondern er muss gegebenenfalls ja handeln. Und im vorliegenden Fall stehen mehrere Aussagen im Raum. Außerdem haben inzwischen beide Parteien – also Herr Christ und Herr Essing – Strafanzeige erstattet; damit werden jetzt die Staatsanwälte und dann vielleicht die Gerichte tätig.

Welche Konsequenzen kann der DRPR überhaupt ziehen?

Die möglichen Maßnahmen des Rates reichen von einer Mahnung bis zu einer Rüge – dies sind schon recht scharfe Maßnahmen, die in der Vergangenheit auch von Betroffenen sehr ernst genommen worden sind. Wie dann Standesorganisationen nach einer entsprechenden Maßnahme des Rates agieren, müssen die Organisationen selbst entscheiden.

Der DRPR hält generell Methoden, wie sie der „Spiegel“ beschreibt, für unzulässig und „mit den Regeln guter PR auf keinen Fall vereinbar“. Nun begnügen sich Spindoktoren ja gemeinhin nicht mit PR-Mitteilungen. Fallen auch deren Methoden noch unter „Regeln guter PR“?

Die Regeln, nach denen der Rat urteilt, sind niedergelegt in verschiedenen Kodizes, die auf unserer Website veröffentlicht sind und auch Bestandteil der Selbstverpflichtungen unserer Träger (DPRG, GPRA, BDP und degepol) sind. Solche Kodizes stehen überdies in vielen Fällen auch in den Arbeitsverträgen von PR-Abteilungen bei Unternehmen. Wer gegen diese Regeln verstößt, muss damit rechnen, von uns gerügt zu werden.

Der Rat will sich nun „grundsätzlich“ mit der „Rolle der Auftraggeber, Auftragnehmer und der Medien“ befassen. Was meinen Sie mit „grundsätzlich“?

Bei Kommunikationsprojekten gibt es ja – im Normalfall – zwei Vertragspartner: den Auftraggeber, z.B. ein Unternehmen oder eine Person, und den Auftragnehmer, z.B. eine PR-Agentur. Als „Dritter im Bunde“ sind die Medien zu nennen, an die sich z.B. eine PR-Agentur wendet. Von allen drei Teilnehmern des Kommunikationsprozesses muss erwartet werden, dass sie sich an bestimmte Regeln der Transparenz, der Fairness und auch der Sorgfalt halten. Keiner der Teilnehmer dieses Prozesses kann dabei diese Verantwortung auf einen anderen abwälzen.

Wo sehen Sie denn Handlungsbedarf – „grundsätzlich“ signalisiert ja, dass es auch an anderen Stellen nicht so ehrenhaft zugeht, wie es die Standesorganisation gerne hätte?

Ich will nicht gleich so weit gehen und über „Ehrenhaftigkeit“ reden – aber in Zeiten des Internets und der Online-Dienste hat sich die Geschwindigkeit der Kommunikation dramatisch verändert. Da droht dann mitunter die Sorgfalt bei dem Bemühen um Schnelligkeit auf der Strecke zu bleiben. Außerdem scheint es uns geboten, immer wieder auf diese Kodizes hinzuweisen.

Im Internet tauchen zunehmend weitere Probleme auf, wie Denunzierungen per anonyme Blogeinträge. Was tut der Rat gegen solche „PR“-Methoden?

Wir erarbeiten zur Zeit eine neue Richtlinie, die sich ausdrücklich mit Online-PR befasst. Da wird einer der Kernpunkte sein, dass für Online-PR – genauso wie für alle PR – das Gebot der Transparenz gelten muss. Anonyme Einträge sind dann – zumindest für PR – auch im Netz nicht zulässig.

Der DRPR ist ja – ähnlich wie der Presserat für die Medien – „ein Organ der freiwilligen Selbstkontrolle“ für die Kommunikationsbranche. Wie wollen Sie denn vermeiden, dass der Rat als zahnloser Tiger dasteht, wenn eine Rüge Ihre schärfste Sanktion ist?

Wir sehen in dieser Selbstkontrolle ein außerordentlich wirksames Mittel: Denn eine Agentur, deren Verhalten zum Beispiel vom Rat kritisiert wurde, muss sich danach oft von ihren Kunden fragen lassen, wie es zu dieser Mahnung oder Rüge kommen konnte. Wir wissen, dass unsere Maßnahmen in der Branche sehr ernst genommen werden. Denn Rügen werden, detailliert mit Begründung von uns, auch auf unserer Website veröffentlicht.

Die DRPR ruft „Jedermann“ dazu auf: „Wenn Sie glauben, durch eine PR-Aktivität in die Irre geleitet worden zu sein, wenden Sie sich an den PR-Rat.“ Haben die Beschwerden zugenommen?

Die reine Zahl der Beschwerden ist leicht angestiegen – die Zahl der Fälle, die wir dann auch wirklich im Rat angenommen haben und über die wir dann diskutiert haben, hat ebenfalls zugenommen. Von einem dramatischen Anstieg möchte ich aber nicht sprechen.

Ich sehe jedoch eine Tendenz: Es werden heute wohl mehr Fälle an uns herangetragen, bei denen es um Verletzungen der Verpflichtung zur Transparenz geht.

Bernd Ziesemer, Chef des „Handelsblatt“, sagte kürzlich, er mache sich erstmals ernste Sorgen um den eigenen Berufsstand, und spielte damit auf die Sparmaßnahmen und mangelnden Ressourcen in den Redaktionen an, die dubiosen PR-Machenschaften erleichterten. Sehen Sie das auch so? Haben wir es mit einer neuen Qualität an drohender PR-Einflussnahme auf redaktionelle Berichterstattung zu tun?

Herr Ziesemer hat grundsätzlich recht, wenn er sich um die Ressourcen in den Redaktionen Sorgen macht. Wenn in den Medien Kapazitäten abgebaut werden, ist das letztlich auch für die PR fatal. Dreierlei kommt da zusammen: Durch die Entwicklung der Technik, vom Internet bis Twitter, wird Kommunikation unglaublich beschleunigt. Da bleibt Journalisten kaum die Zeit zum Nachdenken oder Nachfragen.

Zweitens ist gerade in der Wirtschaft die Menge der Nachrichten extrem stark gewachsen. Früher herrschte hier große Verschwiegenheit, heute sind Quartalsberichte vorgeschrieben, und dann kommunizieren noch alle über alles. Das ist an sich gut, erschwert den Journalisten aber die Prüfung der Fakten. Deshalb müssten die Redaktionen eigentlich ausgebaut werden – stattdessen wird, das ist der dritte Punkt, allenthalben gespart. Daraus ergibt sich die Gefahr einer Schwächung des Qualitätsjournalismus in seiner Funktion als Wächter. Fehlt die Zeit für die genaue Gegenrecherche, so ist Skandalisierung leichter möglich. Jede Behauptung kann zur Nachricht werden – die Prüfung der Nachricht droht dann oft auf der Strecke zu bleiben.

Was raten Sie Journalisten, die mit zweifelhafter PR konfrontiert werden? Sollen sie sich bei Ihnen melden?

Ich baue – nach wie vor – auf guten Journalismus: Das heißt, dass eben JEDE Information geprüft wird, bevor sie veröffentlicht wird; dass IMMER gegebenenfalls auch die „andere Seite“ gehört wird; und dass auch die größte Sensation erst veröffentlicht wird, wenn der Journalist sich selbst ein Bild von der Nachrichtenlage gemacht hat.Wer dann aber bei seinen Recherchen auf unzulässiges Verhalten in der PR stößt, sollte dies dann nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, sondern sich tatsächlich dann auch beim DRPR melden.

Linktipp:

Die Homepage des Deutschen Rates für Public Relations:

www.drpr-online.de

Annette Milz ist Chefredakteurin von „medium magazin“ E-Mail: redaktion@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 03/2010 in der Rubrik „PR“ auf Seite 72 bis 72 Autor/en: Interview: Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.