Stimmt’s, …?

01. … dass die WAZ die SPD zum Anteils-tausch bewegen will?

Die Kritik der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) war deutlich. Kaum war am 15. Januar bekannt geworden, dass die WAZ-Gruppe die „Westfälische Rundschau“ (WR) zur Mogelpackung mit fremden Inhalten ohne eigene Redaktion verkommen lässt, polterte die SPD-Medienholding: Die Maßnahmen seien „nicht mit uns als Mitgesellschaftern abgestimmt“. Dadurch sei „eine gesellschaftsrechtlich äußerst schwierige Situation“ entstanden, die rechtlich zu prüfen sei. Klar sei schon jetzt: Das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet.

Geprüft wird, gesprochen auch. Mehr ist WAZ-Vorstand Christian Nienhaus und DDVG-Geschäftsführer Jens Berendsen nicht zu entlocken. Nach Informationen des „medium magazin“ geht es bei den Gesprächen jedoch weniger um die Zukunft der einst sozialdemokratisch verwurzelten WR. Vielmehr will die WAZ-Gruppe die DDVG dazu bringen, ihre 13,1 Prozent-Beteiligung am Zeitungsverlag Westfalen (dem Verlag der WR) gegen eine Mini-Beteiligung an der künftigen Konzernholding zu tauschen. Ähnliche Gespräche soll es mit der Rheinisch-Westfälischen Verlagsgesellschaft geben. Sie hält in der Nachfolge von Dietrich Oppenberg, dem Lizenznehmer der „Neuen Ruhr Zeitung“, am Zeitungsverlag Niederrhein 10,6 Prozent. Auch hier bieten die Essener einen Tausch an, um in der neuen Rechtsform als Kreditgesellschaft auf Aktien alle NRW-Titel zu 100 Prozent zu besitzen.

02. … dass „taz“ler mehr denn je mit sich hadern?

Die „taz“ kommt in die Jahre. Woran man das merkt? „taz“-Mitarbeiter interessieren sich neuerdings für ihre Rente. Mancher ist der „taz“ ein ganzes Berufsleben treu geblieben. Den erwartet, wovor „taz“-Chefin Ines Pohl in Talkrunden warnt: Altersarmut. Kalle Ruch räumt ein: Wenn die „taz“ in ihrer 35-jährigen Geschichte ein Problem nicht gelöst habe, sei es das der betrieblichen Altersversorgung. Der Mitbegründer und Geschäftsführer der „taz“ ist Jahrgang 1954.

Die monatlich 120 Euro, die die „taz“ pro Kopf ins Presseversorgungswerk einzahlt, helfen nur bedingt. Für die hohe Kante bleibt vom Monatsgehalt nichts übrig – bei 1.500 Euro für eine Vollzeitstelle. Um sich die Arbeit bei der „taz“ zu leisten, brauchen die, die nicht reich geheiratet oder geerbt haben, schon in jungen Jahren einen Nebenerwerb. „Fremdschreiben“ ist der häufigste, „Spiegel Online“ galt als beliebter Abnehmer. Dabei könne es der „taz“ „im Prinzip egal sein, ob ihre MitarbeiterInnen nebenher Taxi fahren, Webseiten designen oder Hanni-und-Nanni-Abos verkaufen“, schrieb voriges Jahr „taz“-Redakteur Sebastian Heiser im Vorfeld zu einer Redaktionsversammlung. Dort sollte die sogenannte Ausschlussliste abgeschafft werden. Sie würde willkürlich und intransparent gehandhabt, lautete der Vorwurf. Die Liste blieb, wurde gar verschärft. Seither gilt: „Spiegel Online“ ist aus Sicht der „taz“ direkte Konkurrenz und steht auf der Ausschlussliste ganz oben.

Rente, Gehälter, Ausschlussliste – „überall brodelt es, man verliert den Überblick“, sagt ein „taz“ler, der lieber ungenannt bleibt.

Gemeint sind auch die strategischen Neuerungen, wie das in diesen Tagen neu konzipierte „taz“.de. Die Seite ist dann dreigeteilt: Die in Rot gehaltene Hauptspalte gehört dem Redaktionellen, daneben Social Media, in Schwarz gehalten bekommt erstmals auch der Verlag mitsamt Shop und Genossenschaft einen eigenen Platz.

Die Bedeutung des digitalen Auftritts steigt. Die Summe, die „taz“-Leser freiwillig für das Angebot zahlen, steigt, zuletzt waren es mehr als 12.000 Euro. Wer aber pflegt die Texte der Redaktion ein? Daran krankt es nach Personaldebatten und einer Betriebsversammlung Ende 2012. Aus Protest wurden manche Seiten daraufhin online nur sporadisch aktualisiert. Seit Februar gilt: Print-Redakteure produzieren auch online. Ist das zu viel verlangt anno 2013? Nein, sagen sie, aber man muss dann eben damit rechnen, dass die Zeit bei der Recherche oder beim Schreiben fehlt.

Da Budget und Personal nicht wachsen, gelte es Prioritäten zu setzen, sagt „taz“-Vize-Chef Reiner Metzger. Das ändere nichts daran, dass „taz“-Redakteure lernen müssten, „in drei Geschwindigkeiten zu denken“: in der der profitablen Werk-„taz“, in der der wachsenden Digi-„taz“ und in der der neuen Wochenend-„taz“.

Letztere wird vom 20. April an die siebte Ausgabe in der Woche ersetzen. Diese erste große Neuerung seit Einführung der „sonntaz“ vor vier Jahren geht von der Überlegung aus, dass sich der Vertrieb der werktäglichen Zeitung eines Tages nicht mehr rentieren könnte. In diesem Fall bliebe die Wochenend-„taz“ als einziges Print-Produkt neben der digitalen übrig: als veritable, am Sonnabend erscheinende Wochenzeitung, bestehend aus 16 neu strukturierten Seiten mit Themen aus dem In- und Ausland, Kommentaren, ein wenig Sport, einer Doppelseite „Fortschritt“ – und der „sonn“taz““ als zweitem Buch.

Die „taz“ der drei Geschwindigkeiten erfordert Umstellungen, neue Arbeitsweisen, neue Strukturen. Darauf reagieren die einen bockig, manche fühlen sich überfordert, andere haben Existenzangst. Dazu trägt bei, dass die „taz“ 2012 mit einem dicken Defizit abgeschlossen hat. Kalle Ruch bestätigt das, nicht jedoch die Höhe von 800.000 Euro. Genaue Zahlen gebe es erst im Mai. Grund für die Verluste sei der Erlösrückgang bei den werktäglichen Abonnements, der durch die steigenden E-Paper- und Wochenend-Abos nicht kompensiert werde. Auch 2013, kündigt Ruch an, werde die „taz“ rote Zahlen schreiben.

03. … dass gut vernetzte Journalisten suspekt sind?

Treffen zwischen Politikjournalisten und Politikern, wiederholte gar, Hintergrundkreise, Kongresse und sonstige Veranstaltungen „mit hohem Kontaktpotenzial“ – all das ist Uwe Krüger nicht geheuer. Charakterfestigkeit scheint er bei Journalisten nicht zu vermuten.

Krüger ist Wissenschaftler. Seine Dissertation über „Meinungsmacht“ (Halem-Verlag) wäre nicht weiter bemerkenswert, hätte ein Rezensent nicht geschrieben, das Buch sollte „zu einem Standardwerk in der Journalistenausbildung und in den Redaktionen werden“. In einem Interview mit „Telepolis“ erzählte Krüger verschwörerisch von einem „Außenpolitik-Ressortleiter, der im Präsidium der Deutschen Atlantischen Gesellschaft saß“, von einem weiteren „Außenpolitik-Ressortleiter und einem ZDF-Hauptstadtstudioleiter, die im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik saßen“. Krüger mahnte: „Wenn das nicht mehr ginge, wenn solche Ehrenämter für Journalisten zum Tabu erklärt würden, dann wäre schon viel gewonnen.“

Uiuiui! Das „medium magazin“ machte sich auf die Suche nach den Klarnamen der ominösen Ressortleiter – und kann Entwarnung geben: Es handelte sich um Peter Frey (ZDF), Stefan Kornelius („Süddeutsche Zeitung“), Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ) und Werner Sonne (ARD, mittlerweile im Ruhestand),

Anruf bei Peter Frey: Ja, sagt er, er habe vor Jahren im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) gesessen. Nicht, um die Bundesregierung in Sicherheitsfragen zu beraten, wie Krüger behauptet, sondern „weil man dort viel über Außen- und Sicherheitspolitik lernt: über die Akteure, geopolitische Fragen, den Nahen Osten – und weil ich die Gelegenheit nutzen konnte, Mitarbeitern ein Weiterbildungsseminar bei der Akademie zu vermitteln&#x201C
;. Mehr nicht? „Mehr nicht“, sagt Frey und frotzelt, er engagiere sich auch bei „Misereor“. Wer weiß, welche Verbindungen sich dahinter erst verbergen! Auch Werner Sonne hat kein schlechtes Gewissen, weil er im Vorstand der Deutschen Atlantischen Gesellschaft sitzt und in diesem Nato-Lobbyverein auf potenzielle Interviewpartner trifft.

Dasselbe gilt für Kornelius: Der SZ-Mann sitzt aktuell ebenso wie FAZ-Kollege Frankenberger im BAKS-Beirat. Kornelius ist laut Krüger der „meistvernetzte“ Journalist, was bei ihm eher Vorwurf denn Kompliment ist. So ergab seine „Netzwerkanalyse“, dass Kornelius „ständig Wolfgang Ischinger über den Weg lief“. Ischinger sei Cheflobbyist des Versicherungskonzerns Allianz und veranstalte die Münchner Sicherheitskonferenz. Stimmt, sagt Kornelius, Ischinger sei vor allem aber „einer der profiliertesten Außenpolitiker, die wir haben“. Kornelius fragt: „Was ist schlimm daran, als Journalist Kontakt zu haben zu Menschen, die kompetente Quellen sind oder über die man schreibt?“

Als Kostprobe der Eintrag zu „Stern“-Chef Thomas Osterkorn aus dem Anhang des Buches. Unter „Verbindungen von Journalisten zu Organisationen“ steht über ihn als Vorstandsmitglied des Allgemeinen Hamburger Presseclubs: „war häufiger Gast auf Partys, etwa bei der Bertelsmann-Party am 13.9.2007 in der Berliner Repräsentanz des Konzerns“ (u. a. mit Angela Merkel!). War „am 2.6.2008 bei der, Hamburg Media Night‘“ und „bei der jährlichen Verleihung des Henri-Nannen-Preises im Deutschen Schauspielhaus Hamburg“. Wer hätte das geahnt!

Ulrike Simon

ist freie Medienjournalistin in Berlin.

autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 20 bis 21 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.