Katarzyna Mol-Wolf hat es vor drei Jahren gemacht, Nikolaus Förster Anfang Januar: Sie kauften Gruner+Jahr einen Zeitschriftentitel ab – und sind seit dem Management-Buy-out (MBO) selbst Hamburger Unternehmer. Förster ist mit „Impulse“ in Hafennähe gezogen, Mol-Wolf sitzt mit ihrem „Inspiring Network“ im Norden, in einer alten Tabakfabrik im Hinterhof. Dort, in ihrem Büro hinter Glas, mit Blick auf den hellen Redaktionsraum, treffen sie sich zum Interview. Auf dem Tisch Wasser und vier Pralinen.
Auf dem ersten neuen „Impulse“-Cover sind ganz viele Spermien und die Überschrift: „Wer hat das Zeug zum Unternehmer?“ Wann wussten Sie beide, Unternehmer – das ist mein Ding?
Nikolaus Förster: Erst vor ein paar Wochen, im November 2012. Als klar war, dass G+J den Titel verkaufen wird – da war klar, dass ich schnell handeln musste. Und ich habe ja über Jahre viele Unternehmer kennengelernt, diese Menschen und ihre Kultur haben mich fasziniert: Sie waren unabhängig und bereit, für eine Idee zu kämpfen, wenn etwas nicht gelingt, weiterzumachen. Anders als in einem Konzern. Dort ist am Ende keiner für eine Entscheidung verantwortlich.
Katarzyna Mol-Wolf: Ich wusste das schon in der Schule. Ich wollte schon immer selbstständig ein Magazin verlegen. Das ging bei G+J etwas verloren. Aber in den großen Runden, in denen man merkte, dass man nicht so entscheiden kann, wie man gerne würde, pochte das Gefühl wieder stärker. Im November 2009 war klar: Ich möchte das nicht mehr, ich bin kein Konzerntyp. Dafür braucht man andere Qualitäten.
Welche?
Mol-Wolf: Sie müssen politisch denken und agieren können – und darauf Lust haben. Dazu habe ich kein großes Talent, mir liegt es mehr, andere Menschen für etwas zu begeistern.
Welche Kompetenz muss man als Jungunternehmer unbedingt haben?
Förster: Man muss das Team und Investoren begeistern können. Und man muss ein Team auch führen können. Es gibt tolle Edelfedern, die aber für eine Führungsposition nicht geschaffen sind. Auf Journalistenschulen lernt man, wie man tolle Reportagen schreibt, aber nicht, wie man Teams führt.
Mol-Wolf: Das würde ich unterschreiben. Aber man braucht vor allem auch eine Vision: Man muss immer wissen, was man erreichen will. Selbst wenn das heißt, einen Weg zu gehen, der nicht so einfach ist. Denn wenn man als Unternehmer unsicher oder ängstlich wird, überträgt es sich schnell auf die Mitarbeiter. Immer wenn ich mit der U-Bahn an G+J vorbeifahre, weiß ich: Es war die richtige Entscheidung. Das wünsche ich jedem, der springt: dass er am Tag danach und Jahre später weiß, es war richtig.
Haben Sie eigentlich mal telefoniert, um Tipps auszutauschen?
Förster: Wir haben uns im Januar kurz vor Unterzeichnung des Kaufvertrags zum Frühstück getroffen – genau hier, in Frau Mol-Wolfs Büro.
Womit konnten Sie ihm denn helfen?
Mol-Wolf: Es ging vor allem um Erfahrungsaustausch. Unsere Prozesse liefen ja sehr ähnlich. Ich empfand es damals als sehr erfrischend,mich mal mit jemandem austauschen zu können. Allein weil bei uns damals so viel auf einmal passierte: Wir arbeiteten am Relaunch von „Emotion“, die Redaktion zog von München nach Hamburg um – da war es enorm stressig, dafür zu sorgen, dass der Leser nicht merkt, was sich im Hintergrund alles ändert, und bei allen Veränderungen die pünktliche Erscheinung des Magazins nicht zu gefährden. Wie liefen denn die ersten Wochen?
Förster: Ich bin müde, aber es fühlt sich super an. Die Wahrheit kommt, wenn wir die ersten Zahlen haben.
Und wann kommen die?
Förster: Wir gleichen gerade die realen Zahlen mit denen aus unserem Businessplan ab, dann schauen wir mal. Gerade hatten wir deswegen das erste Treffen mit unseren Dienstleistern, die die Lohnbuchhaltung und Finanzbuchhaltung übernehmen. Unser Prinzip als sehr kleiner Verlag ist, uns die meisten Dienstleistungen zuzukaufen. Der Vorteil ist, dass wir jetzt nicht mehr Teil eines Konzerns sind und deswegen ganz andere Preise erzielen können – auch bei G+J.
Was haben Sie bei G+J gelassen?
Förster: Zum einen den Vertrieb, dafür haben wir einen Vertrag mit dem DPV geschlossen. Und den Anzeigenverkauf, allerdings anders als vorher, als alles zentralisiert vermarktet wurde. Jetzt sind zwei Leute nur für „Impulse“ zuständig – und sie arbeiten auf Provision.
Frau Mol-Wolf, als Sie sich trafen und die „Impulse“-Geschichten hörten, dachten Sie da: „Ein Glück, dass ich das schon vor drei Jahren durchgemacht habe“?
Mol-Wolf: Ich dachte eher: Schon drei Jahre! Bei vielem habe ich mich sofort zurückversetzt gefühlt, dachte: Genau, das kenne ich auch. Ich glaube, dass „Impulse“ eine sehr gute Chance hat. Die Märkte verändern sich und die breiten, großauflagigen Titel werden es künftig immer schwerer haben, ihre Leserschaft zu erreichen. Konzepte, die spitz ausgerichtet sind und über die Printmarke hinaus erlebbar sind, haben eine Zukunft.
Sie meinen, die funktionieren als Independentverlag besser?
Mol-Wolf: Absolut. Bei G+J hieß es früher immer, ein Heft muss 100.000 verkaufen, drunter rechnet es sich nicht. Das stimmt nicht. Wenn man ein Heft auf den Markt bringt, muss es so aufgebaut sein, dass es auch noch Freude macht, wenn Sie weniger verkaufen. Wir bringen „Hohe Luft“ heraus und erreichen aktuell eine verkaufte Auflage von 25.000. Das so hinzubekommen, dass es auch wirtschaftlich Spaß macht, ist die Kunst für Independentverlage wie uns.
Förster: Ich habe den Glauben verloren an große Einheiten, große Organisationen.
Und wann haben Sie den verloren?
Förster: Während meiner 13, 14 Jahre bei G+J. Ich habe 1999 dort angefangen, habe eine tolle Zeit erlebt, die FTD mitgegründet, aber – und das gilt auch für andere große Verlage – die Trägheit einer Bürokratie macht sich breit, wenn die Strukturen zu groß werden. Kleinere Einheiten können viel schneller, mit viel besseren Ideen besser reagieren, wenn Titel unter Druck geraten. Die großen Apparate sind gut, wenn es darum geht, ein funktionierendes Geschäftsmodell in immer weiteren Varianten auszurollen. Aber bei Innovationen wird’s schwierig. Deswegen denke ich auch, dass wir unabhängig bessere Chancen haben als in einem solchen Apparat.
Mol-Wolf: Das Heft wird eben mit einer anderen Begeisterung gemacht. Der Leser merkt, dass da mit mehr Liebe recherchiert wurde, mehr auf Details und interaktive Elemente geachtet wurde.
Förster: Ich lese zwar keine Frauenzeitschriften, aber ich muss jetzt mal ein Lob aussprechen. Als ich im Januar das Heft durchgelesen habe, fiel mir auf, wie stark das Interaktive bei „Emotion“ ausgeprägt ist. Ihnen gelingt es wirklich, auf die Leserinnen zuzugehen – viele andere Redaktionen schaffen es gar nicht, aus ihrem Elfenbeinturm rauszukommen.
Will die „Impulse“-Zielgruppe das auch?
Förster: Die Resonanz zeigt das. Ich war Chefredakteur eines Magazins für mittelständische Unternehmer – jetzt bin ich selbst einer. Ich bin jetzt auf Augenhöhe mit meiner Zielgruppe. Wir werden ganz anders ernstgenommen. Ich bekomme viele Briefe, in denen steht: „Willkommen im Club, Herr Förster“, „Können wir Ihnen helfen?“.
Mol-Wolf: Diese Begeisterung kennen wir auch. Seit wir uns selbstständig gemacht haben, ist die Resonanz anders, Leserinnen sind viel aktiver, empfehlen „Emotion“ ihrer Freundin, ihrer Schwester, ihrer Mutter, ihrer Tante weiter. Sie haben das Gefühl, wir verstehen sie noch besser als vorher, wir sind ihnen näher.
Förster: Ich habe die Unternehmer ja auch extra aufgerufen: „Wir haben über Jahrzehnte für euch recherchiert, was gut ist und was schlecht – jetzt sind wir selbst ein Unternehmen. Ideen willkommen!“ Wir haben Dut
zende bekommen.
Zum Beispiel?
Förster: Etwa was für Portale man aufmachen könnte – aber ich kann das ja jetzt nicht alles verraten. Es waren richtig gute, sehr konkrete Vorschläge dabei. Natürlich haben wir vorher in der Redaktion diskutiert, ob es angemessen ist, das zu tun.
Denn das alte Bild des Journalismus ist: Wir, die tollen Redakteure, wissen, was am besten ist. Aber wir wollten uns öffnen, deswegen schreibe ich ja auch einen Blog, um auch zu zeigen, was nicht so gut läuft.
Mit dem Rollenwechsel kam auch ein Aufgabenwechsel: Vertrieb, Abo-Gestaltung, Anzeigenvermarktung – alles Dinge, mit denen Sie vor dem Buy-out nicht so umfassend zu tun hatten, oder?
Mol-Wolf: Es kommen weitere Aufgaben dazu. Wenn man sich selbstständig macht, muss man sich vor allem beim Start um alle Dinge kümmern, die man in einem Unternehmen so braucht. Telefonleitungen …
Förster: … Firmenstempel …
Mol-Wolf: Genau – in einem Konzern wie G+J gibt es für solche Dinge andere, die sich darum kümmern. Aber die Herstellung und Produktion ist dann eben auch viel kostenintensiver.
Förster: Frau Mol-Wolf hat recht. Aber als Chefredakteur brütet man ja nicht nur über Texten. Natürlich hatte ich schon damals konkrete Vorstellungen. Als wir eine Werbekampagne machen wollten, hieß es, man müsse erst einen Workshop machen, um die Positionierung des Titels festzuzurren, dann ging es um die Strategien der anderen Titel im Portfolio. So hat man jahrelang diskutiert, am Ende wurden die Wirtschaftstitel eingestellt, eine Kampagne gab es nie. Oder nehmen Sie die Aboprämien: Die wollte ich schon vor Jahren abschaffen, aber es war nicht durchsetzbar. Die Angst, Abokunden zu verlieren, war zu groß.
Aber Sie haben’s jetzt gemacht.
Förster: Ja, es war mit das Erste, was wir im Januar geändert haben. Wir haben daraufhin sehr großen Zuspruch von Unternehmern bekommen: Die wollen jetzt genau deswegen ein Abo. Die, die auf Prämien aus sind, werden wir wohl verlieren, die sind aber sowieso keine treuen Leser – wir hoffen, dass wir andere dazugewinnen. Qualitätsjournalismus kostet eben Geld. Und wer Qualitätsjournalismus will, ist auch bereit, dafür zu zahlen.
Das sieht man ja auch am Preis Ihrer Titel.
Förster: Ja, wir kosten 7,50 Euro, aber wir könnten den Preis auch noch erhöhen. Die Qualität kann man jetzt auch fühlen: Wir haben die Druckerei gewechselt, sind von Tiefdruck zu Offset gewechselt, haben hochwertigeres Papier.
Und günstiger sind die Druckkosten ja jetzt ebenfalls, ohne die Konzernpreise.
Mol-Wolf: Ich glaube, als neuer Kunde ist man zurzeit in einer guten Position zu verhandeln. Die Branche ist unter Druck.
Herr Förster, Sie haben eingeführt, dass sich die Anzeigenpreise nach der Unternehmensgröße der Kunden richten. Wäre das auch vor dem Buy-out möglich gewesen?
Förster: Die Idee haben wir erst mit dem neuen Konzept entwickelt. Wenn Sie ein kleiner Titel in einem großen Verlag sind, bekommen Sie die 08/15-Behandlung, „Impulse“ war ein kleiner Fisch neben anderen Wirtschaftsmedien wie der „Financial Times Deutschland“, die tief in den roten Zahlen war. G+J ist gewohnt, die großen Bestandskunden zu betreuen, Banken, Versicherungen, IT-Konzerne. Jetzt, losgelöst vom Konzern, können wir etwas Neues ausprobieren. Die ersten Buchungen zeigen, dass die Mittelständler das Angebot annehmen.
Man merkt die Freude, einfach machen zu können – weil die letzte Entscheidung bei Ihnen liegt, nicht beim Konzernvorstand.
Mol-Wolf: In großen Unternehmen gibt es nun einmal Verlagsleiter, Anzeigenleiter, Vertriebsleiter, die alle auch ihre eigenen Interessen haben und sich dann zu ihren Strategiemeetings treffen. Stimmt, es ist sehr erfrischend, dass wir jetzt viel schneller entscheiden können, wenn wir etwas verändern wollen, und sei es nur eine Unterzeile. Aber es verleitet natürlich auch – deswegen muss man die Marke immer im Blick haben und nicht mal nach rechts, mal nach links ausschlagen.
Förster: Und es ist gut, einen Sparringspartner wie meinen Mitgesellschafter Dirk Möhrle zu haben. Den habe ich mir bewusst ausgesucht, wir kennen uns seit Jahren und ergänzen uns gut. Aber die Merheit liegt bei mir als geschäftsführendem Gesellschafter.
Als Macher eines Unternehmermagazins hatten Sie ja Kontakte zu potenziellen Investoren.
Förster: Ja, die guten Netzwerke zahlen sich in so einer Situation aus. Ich hatte viele Angebote, den Kauf zu finanzieren. Und habe mich entschieden für einen Mitgesellschafter, wie wir ihn im Heft immer beschrieben haben: einen wie Dirk Möhrle, mit dem man eine vertrauensvolle Beziehung haben kann.
Wie wichtig waren während der Verhandlungen Berater, die eben nicht so euphorisiert waren vom Aufbruch wie Sie selbst?
Mol-Wolf: Ich war sehr froh, damals einen branchenfremden Investor in den Verhandlungen dabei zu haben, der sagte: Nein, wir übernehmen nicht auch noch „Healthy Living“. Man denkt ja irgendwann, ach, das kriegt man auch noch hin. Dann ist es gut, Sparringspartner aus anderen Branchen zu haben, wir haben uns dafür einen eigenen Beirat geschaffen. Das Verlagswesen hat sich sehr verändert, wir brauchen dringend neue Perspektiven. Manager, die sagen, in dem und dem Verlagskonzern habe ich das schon immer so gemacht, helfen mir nicht.
Förster: Ich hatte einen hervorragenden Anwalt an meiner Seite. Eine wichtige Rolle hat aber auch meine Familie gespielt: Dass ich jetzt Unternehmer wurde, betrifft ganz existenziell auch meine Frau und meine Kinder, alles, was wir haben. Meine Frau hatte zwar Lust darauf, hat aber hier und da gebremst. Es war gut, das Ganze auch mit Freunden durchzusprechen, um sich darüber klarzuwerden, ob man jetzt vollkommen irre ist oder nicht.
Mol-Wolf: Eben, ein MBO ist ja keine Einzelleistung. Da ist die Familie, aber auch das ganze Team. Alle zu motivieren, wenn sich der Erfolg nicht sofort in Zahlen widerspiegelt, ist eine Kunst, Start-up-Atmosphäre alleine reicht da nicht.
Sie haben beide zeitgleich mit dem MBO einen Heftrelaunch gemacht: War klar, dass das als Signal des Neuanfangs dazugehören muss?
Mol-Wolf: Bei uns gab es vorher eine lange Dümpelphase, in der wir nichts verändern konnten, weil der Verlag sich lange unsicher war, was aus uns werden soll. Im November 2008 wusste ich, dass ich „Emotion“ übernehmen möchte, das erste Gespräch mit dem Vorstand hatte ich am 19. April 2009, unterschrieben haben wir am 19. November 2009. Als klar war, wir übernehmen das Heft selbst, haben wir parallel zum normalen Geschäft mit einem kleinen Team heimlich ein neues Konzept und das Magazin dabei zu einem anspruchsvollen Inspirator für moderne Frauen entwickelt.
Der Verlag erklärte das Produkt für tot – gab es da auch Häme unter den Kollegen im Haus?
Mol-Wolf: Häme nicht. Aber man merkte sehr schnell, welche Kollegen einem wohlgesonnen sind und welche nicht. Es gibt immer noch welche, die sich wundern, dass es uns nach drei Jahren immer noch gibt. Denen zu zeigen, was für ein Potenzial in „Emotion“ steckt, freut mich immer wieder.
Und bei Ihnen?
Förster: Häme nicht, aber Skepsis bei einigen, mit denen ich verhandelte. Katarzyna Mol-Wolf hatte als Verlagsleiterin ein Management-Buy-out gemacht, ebenso ein Verlagskollege, der das Eventgeschäft herauslöste, aber bei G+J hatte dies noch nie ein Chefredakteur gewagt. Julia (Jäkel, Anm. d. Red.) hat mich im Januar angerufen und gesagt: Ok, wir machen das. Wir duzen uns, weil wir uns noch aus FTD-Zeiten kennen. Der Vorstandsbeschluss hätte für meinen Geschmack viel früher kommen können, denn der Businessplan war durch, die Finanzierung war klar – aber es gab eben andere Interessenten. Und der Vorstand musste entscheiden, wem sie es geben: Leuten, die mehr bieten, oder dem Chefredakteur. Das war eine neue Situation.
War es schwierig, Kollegen zu motivieren, vom Luxusdampfer zum Start-up
zu wechseln?
Mol-Wolf: Bei uns sind die mitgegangen, die es sich zugetraut haben. Und das war gut so, denn in unserem jungen Verlag gibt es nun einmal mehr Stress, eine andere Atmosphäre. Andere brauchen eine größere Sicherheit. Die sind bei einem Start-up schlecht aufgehoben. Im ersten Jahr habe ich mir auch immer wieder Sorgen gemacht, wie lange die Mitarbeiter, die hochmotiviert arbeiten, das überhaupt durchhalten. Alle wollten es nicht nur G+J zeigen, was in unserem Titel steckt.
Förster: Bei uns war es ähnlich. Als Unternehmer geht man voll ins Risiko, mit allem, was man hat, aber das kann man eben nicht von allen verlangen, klar. Wenn es hart auf hart kommt, merkt man sofort, wer mitzieht und wer nicht, einige haben über Wochen alles mit vorbereitet, andere waren sehr skeptisch. Ich wollte keinen überreden. Wer an der sehr guten G+J-Kantine hängt, der ist bei uns falsch. Allerdings: Über 300 Mitarbeitern der Wirtschaftsmedien drohte ja die Kündigung. Sie mussten entscheiden, ob sie die Abfindung nehmen oder zu mir wechseln. Bei gleichem Standard: Ich habe mich verpflichtet, allen das gleiche Gehalt wie vorher zu zahlen. Und wir haben unser Team auch nicht verkleinert.
Mol-Wolf: Bei uns mussten sich viele entscheiden, ob sie die Abfindung nehmen und ihrem Leben noch mal eine neue Wendung geben oder nach fünf Jahren bereit sind, für den Titel weiterzukämpfen. Dass wir von München nach Hamburg umzogen, kam erschwerend hinzu. Wir haben mit neun Mitarbeitern angefangen, mit vielen Freien, und sind jetzt wieder gewachsen. Derzeit beschäftigen wir über 32 Festangestellte, dazu viele freie Mitarbeiter.
Sind die Honorare für die Freien auch gleichgeblieben?
Mol-Wolf: Wir können uns mit den großen Verlagen mittlerweile durchaus messen.
Das heißt? Was zahlen Sie denn für eine Seite?
Mol-Wolf: Dazu machen wir grundsätzlich keine Angaben.
Förster: Wir verhandeln etwa gerade mit den Fotoagenturen. Jetzt, ohne den großen Verbund von G+J, müssen wir neue Preise vereinbaren, aber es sieht ziemlich gut aus. Bei den freien Journalisten ist es in der Regel so, dass wir die Preise halten können, mit ein oder zwei Ausnahmen.
Teil Ihrer Geschäftsmodelle ist, dass sie sich andere Standbeine schaffen, Workshops anbieten, zu Vorträgen einladen. Wie elementar war das für den Neuanfang?
Mol-Wolf: Ich habe schon bei G+J großes Potenzial in diesen Bereichen gesehen, konnte meine Ideen aber nicht durchsetzen. Die Philosophie war: Die Marke muss erst am Kiosk reifen, dann denken wir über andere Standbeine nach. Es hieß, die „Brigitte“ habe das schon vor x Jahren versucht, es funktioniere nicht. Aber bei der Entwicklung von „Emotion“ dachte ich sofort auch an Coaching und andere Geschäftsfelder, die sich mit der Marke umsetzen lassen. Das ist auch der Grund, warum die Investoren bei uns eingestiegen sind. Meine Mitgesellschafterin ist für den gesamten Non-Print-Bereich zuständig – mit Veranstaltungen kann man viel Geld verdienen, wenn man es richtig aufsetzt. Und jetzt baut ja auch „Brigitte“ diesen Bereich aus.
Wie viel Prozent des Umsatzes macht das aus?
Mol-Wolf: Es ist noch im kleineren zweistelligen Bereich, aber ich bin überzeugt, dass unser Nebengeschäft mal ein Viertel ausmachen wird, wenn nicht gar mehr, auch bei unseren anderen Marken, wie „Hohe Luft“.
Es gibt immer einige Beiträge im Heft über die anderen Sparten Ihres Verlags – setzen Sie sich ein Limit, um die Eigen-PR zu begrenzen?
Mol-Wolf: Wir wissen, wie oft eine Vortragsreihe beworben werden muss, damit sie funktioniert. Und wir machen andersherum auch viele Events, um neue Leserinnen auf „Emotion“ als Magazin aufmerksam zu machen.
Förster: Die Bedeutung von Print wird in den nächsten zehn Jahren weiter abnehmen – natürlich muss man sich da andere Felder erschließen, Seminare, Konferenzen, Coaching. Hätte das Konzept daraus bestanden, „Impulse“ einfach so weiterzumachen, hätte ich es nicht gemacht.
Wäre es nicht naheliegend, dass „Impulse“ auch Unternehmensberatung anbietet?
Förster: Wir sind keine Unternehmensberater. Aber sicherlich ist das eine denkbare Perspektive, als Dienstleistung für Unternehmer. Dazu würde ich aber nicht unsere Redakteure einsetzen, sondern unser Netzwerk.
Und was ist mit Corporate Publishing? Frau Mol-Wolf mit ihrem „Inspiring Network“ macht das ja schon.
Förster: Wir haben es auf jeden Fall vor. Und wenn ein Unternehmen eine schöne Firmenchronik möchte, warum nicht auch das?
Mol-Wolf: Wir haben gerade ein neues Magazin für das Team von „Expedition ins Tierreich“ entwickelt, das ist letztlich auch Corporate Publishing.
Förster: Aber es ist wichtig, dass keine Interessenskonflikte entstehen, die die eigene Glaubwürdigkeit angreifen. Die ist unser höchstes Gut. Das tasten wir nicht an. Wir vermischen bezahlte Inhalte und Redaktionelles nicht.
Zwischen Ihren MBOs liegen drei Jahre – und eine Medienkrise. Ist die Hemmschwelle, einen Independentverlag zu starten, gesunken?
Förster: Als Katarzyna Mol-Wolf rausging, war die große Anzeigenkrise, die G+J-Wirtschaftsmedien wurden geschlossen und in Hamburg neu zusammengeführt. Krisenerlebnisse kenne ich, seit ich bei G+J war. In meinen ersten Monaten platzte die New-Economy-Blase, ein Jahr später kam der 11. September. Die Goldenen Zeiten des Journalismus habe ich selbst auch nicht mehr erlebt.
Doch nach dem Aus von dapd, „Prinz“, FTD etc. scheint die Bereitschaft größer, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Förster: Man muss da differenzieren. Gestorben sind vor allem die Tageszeitungen, die schnellen Nachrichtenmedien. Monatsmagazine stehen besser da. Und „Impulse“ hat fast immer schwarze Zahlen geschrieben. Wenn ich diese Gewissheit nicht gehabt hätte, hätte ich diesen Mut zum MBO nie gehabt.
Was meinen Sie, wie lange können Sie von dem Start-up-Image noch zehren?
Förster: Wir haben ja gerade erst angefangen – bis zum Sommer ist das durch. Aber Start–up zu sein ist ja nicht nur positiv. Die Anzeigenkunden sind unsicher, warten lieber, was da passiert.
Mol-Wolf: Wir hatten deswegen im ersten Jahr eine große Krise: Die Anzeigenkunden schrieben zwar nette Briefe, buchten aber einfach nicht. Im Konzern hat man zwar mehr Luft, aber darin liegt auch die Gefahr, dass man erst spät merkt, wenn etwas nicht funktioniert. Meine Mitgesellschafterin und ich setzen uns immer Meilensteine – wir wollen uns mit unserem Verlag schließlich nicht selbst verwirklichen, sondern Geld verdienen, Rendite einfahren. Nach drei Jahren wissen wir, dass wir es wirklich geschafft haben. Und: Ich habe meine damalige Entscheidung noch nie bereut, aber es war gut, nicht zu wissen, wie das erste Jahr wird.
Nikolaus Förster
Der 45-Jährige ist seit Januar 2013 Geschäftsführer der neuen Impulse Medien GmbH. Er studierte einst Germanistik in Bonn, promovierte über die „Wiederkehr des Erzählens“ und absolvierte am Münchner IFP seine Journalistenausbildung. Er gehörte ab 1999 zum Entwicklungsteam der „Financial Times Deutschland“, wurde dort Agenda-Ressortleiter und 2009, als Teil der Gemeinschaftsredaktion der Gruner+Jahr-Wirtschaftsmedien, zum Chefredakteur von „Impulse“ berufen. Über den MBO und Aktuelles aus der Redaktion schreibt er auch in einem eigenen Blog. Förster ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Blog: http://impulsemagazin.wordpress.com
Katarzyna Mol-Wolf
Die 39-Jährige ist Herausgeberin und Geschäftsführerin bei ihrem 2009 selbst gegründeten Verlag „Inspiring Network“. Sie hat Rechtswissenschaften studiert, promoviert und begann bei Gruner+Jahr als Assistentin der Verlagsgeschäftsführerin, wurde Projektleiterin der Frauenmagazinsparte, Anzeigenleiterin bei „Emotion“ – und kaufte schlie