Alarmglocken

„Mein Buch hat eine Botschaft“, sagt Jürgen Todenhöfer, und es ist wahrlich keine geringe: „Unsere Generation muss jetzt die westlich-muslimische Aussöhnung schaffen.“ Dafür hat er selbst mehrfach sein Leben bei Recherchereisen im Nahen Osten riskiert. Sein jüngstes Buch „Warum tötest du, Zaid“, eine harte Abrechnung mit der US-amerikanischen Politik und Kriegsführung im Irak, ist sofort zum Bestseller avanciert. Mit spektakulären Aktionen wie doppelseitigen Anzeigen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der „New York Times“ und der arabischen „Asharq“ zu Erscheinungstermin hat der Autor zudem für internationale Aufmerksamkeit gesorgt. Was treibt diesen Mann, der als Vize-Chef des Burda-Konzerns hauptberuflich für die Finanzen und Verwaltung eines der größten europäischen Medienhäuser zuständig, aber kein Journalist ist? Er fühle sich verpflichtet, zur Entwicklung im Irak, zum Konflikt zwischen Orient und Okzident etwas zu sagen, weil „sich so viele Menschen im Westen äußerst inkompetent“ dazu äußern. Peter Marx, der selbst als Reporter des Deutschlandradios Kultur mehrfach in Afghanistan und Irak gewesen ist, hat Jürgen Todenhöfer für uns in München besucht (s. Seite 14 ff) und hat mit ihm über sein Buch, seine Botschaft und seine Recherche-Methoden gesprochen. Die Kritik Todenhöfers richtet sich auch gegen die Medien, gleichwohl er die Journalisten in Schutz nimmt, weil er vor allem der amerikanischen Pressepolitik im Irak indirekte Zensur vorwirft: „Im Irak erlebt kein Journalist mehr den wahren Krieg“.

Wir haben deshalb Christoph Reuter, „stern“-Reporter und ausgewiesener Nahost-Experte, gebeten, die Thesen von Jürgen Todenhöfer zu kommentieren (s. Seite 18 f.). Reuter war nicht nur als Reporter im Irak, sondern im vergangenen Jahr auch mehrere Monate als Ausbilder des „International Institute for War and Peace Reporting“. Nicht zuletzt seiner Initiative ist es zu verdanken, dass stellvertretend für alle irakischen Journalisten Zainab Ahmed im Mai mit dem Henri-Nannen-Preis für ihren mutigen Einsatz für die Pressefreiheit ausgezeichnet wurde. Auch wenn es für westliche Journalisten immer schwieriger geworden ist, auf eigene Faust im Irak zu recherchieren, es gibt sie noch, die unabhängigen Quellen, und sie sind darauf angewiesen, dass ihnen Gehör verschafft wird, betont Reuter: „Wir sollten sie nutzen – denn indem wir ihnen Öffentlichkeit verschaffen, stützen wir auch das Bemühen um unabhängigen Journalismus unter schwierigsten Bedingungen.“

 

„Alarmsignale für den Journalismus“ ertönen allerdings nicht nur dann, wenn es um Qualität und unabhängige (Auslands-)berichterstattung unter Einsatz von Leib und Leben geht. Sie schrillen auch im ganz normalen beruflichen Alltag – und sollten nicht überhört werden. Eine Umfrage von news aktuell bei rund 3000 Redakteuren und freien Journalisten machte vor Kurzem drastisch deutlich, was hierzulande als größte Gefahr für den etablierte Journalismus ausgemacht wird: „Eine schlechte Ausbildung“ nannten mehr als die Hälfte der Befragten. Und 58,4 Prozent der Kollegen fürchten gar eine Abkehr der jüngeren Generation vom Qualitätsjournalismus.

Diesem Themenkomplex ist in dieser Ausgabe ein Special gewidmet: Wir haben junge Journalisten nach ihren Erfahrungen im Volontariat gefragt und Redaktionen nach ihren Konzepten für die Ausbildung (s. Seite 60 ff.). Wir sind der Frage nachgegangen, warum die Ausbildung mancherorts im Argen liegt und wie es andere besser machen. Denn, so betont Akademieleiterin Annette Hillebrand in ihrem Kommentar (s. Seite 65), wer klagt, dass der Nachwuchs nicht mehr die geforderte Qualität bringe und nur die Mittelmäßigen bei ihm vorstellig würden, urteilt vorschnell.

 

In eigener Sache: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte sich auch vor Kritik in eigener Sache nicht scheuen: Wir starten deshalb mit dieser Ausgabe eine Leserumfrage zu „medium magazin“ – im Internet unter www.mediummagazin.de. Auch wenn uns Lob deutlich lieber ist als Kritik, würden wir uns über eine rege Beteiligung mit Anregungen und konstruktiven Beiträgen zur Verbesserung freuen. Bitte sparen Sie nicht mit Ihren Anmerkungen, Sie werden reich belohnt dafür – und das sogar nicht nur mit immateriellen Verbesserungen im Heft, die Ihnen zugute kommen sollen.

Annette Milz

Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.