Recyceltes über Putin

Gegen Ende seiner Amtszeit ist der russische Präsident Wladimir Putin zum Helden der russischen Boulevardpresse geworden. So meldete die Zeitung „Moskowskij Korrespondent“ Mitte April, Putin habe sich heimlich scheiden lassen und werde demnächst die ehemalige Weltklassegymnastin Alina Kabajewa heiraten. Eine glatte Erfindung – Russlands Zeitungsente des Jahres. Nachdem der „Moskowskij Korrespondent“ die Geschichte veröffentlicht hatte, erschien das Blatt prompt nicht mehr – zumindest vorläufig. Angeblich aus finanziellen Gründen. Doch manch einer vermutet, der erboste Kreml hat Druck gemacht. Wesentlich geschickter geht das Wochenblatt „Tajny Swjosd“ mit dem Privatleben des scheidenden Staatsoberhauptes um. Die Frauenzeitschrift, die Heinrich Bauer Russland seit Herbst 2007 herausgibt, titelte diese Woche: „Wladimir Putin – Was machte er im Striptease-Klub?“ Dabei zitierte das Promiblatt allerdings eine harmlose Episode auf der Hamburger Reeperbahn, die seit Jahren in Putins autorisierter Biographie „Aus erster Hand“ nachzulesen ist: Putin sei dort als deutschkundiger Fremdenführer für ein befreundetes russisches Ehepaar gewesen … Bei der Leserschaft ver- kauft sich das Privatleben des scheidenden Präsidenten auch aus zweiter Hand glänzend. Anfang März erreichte „Tajny Swesd“ mit dem Aufmacher „Wladimir Putin – Er hat uns alles erzählt“ eine Rekordauflage von über 400.000 Exemplaren. Auch diesmal war die autorisierte und bereits vor langem publizierte Biografie die Quelle, daneben wurden Informationen offizieller Internetseiten genutzt. Das Blatt dürfte wohl über kurz oder lang nicht dichtmachen müssen, weder aus finanziellen noch aus politischen Gründen.

Internet: www.bauerrussia.ru

Erschienen in Ausgabe 6/2008 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 76 bis 76 Autor/en: Stefan Scholl, Moskau. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.