Recht und Urteil

Guter Tag

Dutzende Kommentare, keine zwei Meinungen: Das gibt es in der Presse nur beim Thema Pressefreiheit. 105 Minuten nach dem „Cicero-Urteil“ des Verfassungsgerichts war Heribert Prantl bei „Sueddeutsche.de“ mit einem Kommentar („Zu viel Weihrauch, so sagt das Sprichwort, rußt den Heiligen“…) online. Die Presse möge „nicht übertrieben jammern“ und „den falschen Eindruck erwecken, dass in Deutschland ständig Redaktionen durchsucht werden“ (Christian Rath in der „taz“) – weiter ging auch tags drauf in den Blättern keine Selbstkritik. Und die Häme, die der „Cicero“ („Krach-Kanönchen aus Berlin“, „SZ“) noch zum Start des Karlsruher Verfahrens zu lesen bekommen hatte, gab es kaum mehr. Er habe „der gesamten Branche einen Dienst“ erwiesen, meinte die „FAZ“. Das Dienstleister selbst erfrischte online mit Understatement. Da berichtete es über die nun überall als „Cicero-Affäre“ bekannte Sache in einer Rubrik namens „Randnotiz“ – und warb daneben mit einer korrekt gekennzeichneten Eigenanzeige: „Schon mal ,Cicero‘ im Original gelesen? Jetzt gratis testen!“

Schlechter Tag

Eine Woche nach dem überall gelobten „guten Tag für den Pressefreiheit“ bescherte Karlsruhe der Presse einen nicht so guten. Als im jüngsten „Caroline-Urteil“ über Fotos von Prinzessinnen und sonstigen Prominenten beschieden wurde („Berliner Zeitung“: „Es ist immer wieder dasselbe. Oder soll man sagen – dieselbe?“), war das Meinungsspektrum nur wenig größer. Die „FAZ“ (mit immer noch fotolosem Titel) fühlte sich am betroffensten: „Wir müssen künftig nicht nur berichten, sondern auch beweisen, dass etwas von allgemeinem Belang und wichtig für die Demokratie ist. Nicht vor dem Leser, sondern vor dem Richter“, war auf der Medienseite zu lesen. „Der Bundesgerichtshof will vorschreiben, was interessant ist“, legte Feuilletonchef Patrick Bahners nach. Nur die „taz“ nahm es positiv: Da begleitende Berichte den Abdruck von Bildern zulässiger machen, „ist zu erwarten, dass Klatschzeitschriften deutlich politischer werden“. (Zu den Urteilen siehe auch Seite 14 f.)

Melancholie

Der beste Weg, Leitartikel in die Gesetzgebung einfließen zu lassen, wäre natürlich: Mehr Journalisten in der Politik. Als Michael „Mike“ Naumann sich für Hamburgs SPD dazu entschloss, leisteten die Kollegen reichlich Starthilfe. In Hamburg zierte das Foto des (für Landes-Spitzenpolitiker tatsächlich fotogenen) „Zeit“-Mitherausgebers jedes Blatt bis zur lokalen „Bild“-Zeitung. Nur eines nicht: Auf der „Zeit“ prangte ein Leitartikel, der wie schon öfter zuvor den Zustand der hanseatischen SPD beklagte. Anderswo wurde Naumann als „funkelndes, geistessprühendes Kleinod“ und „glamouröser Kulturstaatsminister“, der auch „überaus erfolgreich“ gewesen sei, „brillanter Journalist“, „Weltbürger“ (alles „Berliner Zeitung“), „Kosmopolit für eine weltoffene Metropole“ („Tagesspiegel“-Chefredakteur) u.v.a.m. gepriesen. Kunstvoll Spezifisches und Allgemeinmenschliches verband Michael Jürgs im „Hamburger Abendblatt“: „Das Melancholische an Michael Naumann, der nie gern da war, wo er gerade war, was aber manchem so geht, hat schon früh die schönsten Mädchen angezogen“, hieß es im merkwürdig konsequent in Vergangenheitsform abgefassten Porträt.

„Sex Machine“

Tags drauf erfreute selbiger Michael Jürgs im „SZ“-Magazin mit einem Porträt Mathias Döpfners – dem wohl einfühlsamsten Porträt des Springer-Chefs seit jenem, das Jürgs ein Jahr und zwei Tage zuvor auf der „SZ“-Medienseite veröffentlicht hatte. Auch wenn erneut ein Restaurant in Berlin-Mitte als Schauplatz diente und Kai Diekmann immer noch „oberster Bild-Hauer“ ist – es ließen sich auch Unterschiede feststellen. Wurden etwa ´06 am Rande Stefan Aust und Frank Schirrmacher gelobt, galten ´07 nette Worte Hubert Burda und Gruner+Jahr-Zeitschriftenvorstand Bernd Buchholz. Nur dieser „begabte Rockmusiker“ könne, so Jürgs, so gut James Brown („Sex Machine“) singen wie Döpfner.

Erschienen in Ausgabe 4/2007 in der Rubrik „Chronik“ auf Seite 15 bis 15 Autor/en: Christian Bartels. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.