Sprechernotizen

Siemens-Blamagen I

Deutschlands früherer – und hoffentlich bald wieder – Vorzeigekonzern Nr. 1, Siemens, ist zum Liebling der Blattmacher und der Redaktionsleiter geworden. Die Ereignisse überschlugen sich zuletzt, erst recht als Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer ging und wenig später Vorstandschef Klaus Kleinfeld folgte, der Aufsichtsrat sich völlig zerstritten präsentierte. Eine beispiellose Medienaufmerksamkeit begleitete die Kabalen – bei der sich allerdings verdammt viele blamiert haben. Zunächst: Viele kluge Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen, z.B. bei der „WamS“, der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, „Wirtschaftswoche“, „Capital“ und „Manager Magazin“.

Auf dem Höhepunkt der Schlacht meldete etwa das „Manager Magazin“, natürlich exklusiv, Siemens-Personalchef Radomski folge auf von Pierer. Peinlich für das Hamburger Blatt: In Wahrheit wurde zur gleichen Zeit Radomskis Ausscheiden im Aufsichtsrat diskutiert. Oder: Kaum hatte von Pierer aufgegeben, verkündeten Deutschlands große Blätter den angeblichen Sieg und die völlig freie Bahn für Kleinfeld. In Wahrheit wurde schon mit Kleinfelds Nachfolger Peter Löscher gesprochen, und wenige Tage später gab auch Kleinfeld auf. Selten zuvor haben so viel so peinlich daneben gelegen und dann noch peinlichere Volten vollzogen wie in dieser Geschichte.

Siemens-Blamagen II

Blamiert haben sich aber auch die Horden von Beratern rund um von Pierer, Kleinfeld, Neu-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, Aufsichtsrat Joe Ackermann usw., die tage- und wochenlang im Minuten-Rhythmus die Redaktionen anriefen und ihnen die angebliche Wahrheit kredenzten. Als da wären (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Christoph Walther, Ex-Daimler-Kommunikator und Vorstand der Agentur CNC. Er focht ungeschickt auf Seiten von Kleinfeld, angeheuert durch Siemens‘ Kommunikationschef Janos Gönczöl und dürfte – sicher ungewollt – nicht schuldlos am glanzlosen Ende von Kleinfeld und nun auch seines Auftragsgebers Gönczöl sein. Verschiedene Flops von Walther – z.B. die Kurz-Zeit Beratung von Bertelsmann-Grandin Liz Mohn oder das Engagement beim reichlich eirigen Börsengang von Air Berlin-hätten Gönczöl eigentlich warnen müssen, zumal Jurist Walther in der Branche nicht eben als sensibler und für derartige Krisen mit genügend Fingerspitzengefühl ausgestatteter Kommunikator gilt.

Dann wäre da noch der früher hoch gelobte, aber jetzt glücklose Eberhard Posner, Vorgänger von Gönczöl und Vertrauter von Pierers. Er focht an Heinrichs Seite – und ging grandios unter. Und Joe Ackermann führte Hans Herman Tietje, dereinst hochaggressiver Ex-Chefredakteur der „Bild“-Zeitung und heute Vorstand der Berliner Agentur WMP, ins Feld – was in Sachen Tonalität nicht zu übersehen und zu überhören war. Alle gemeinsam entfachten ein derartig atonales Konzert, dass am Ende die Medien froh waren, den Herren Beratern die Schuld für die mediale Ahnungslosigkeit, gepaart mit hoher Meinungsfreude, in die Schuhe schieben zu können. Schnell stürzten sich „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und „Manager Magazin“ auf die nächste Geschichte, den angeblichen oder tatsächlichen Einfluss der Einflüsterer und Medienberater vom Schlage eines Christoph Walther, Norbert Essing, Thomas Knipp oder Bernd Schuppener. Die mussten machtlos mit anschauen, wie ihr oberstes Gebot – Diskretion und Wirbeln ausschließlich im Hintergrund – plötzlich ad absurdum geführt wurde und ihr Gewerbe in gleißendes Licht geriet. Igitt! Die in der Regel fein gewandeten Herren dürften vernehmlich gestöhnt haben.

Nun ist abzuwarten, wie es weitergeht-mit dem neuen Duo Peter Löscher und seinem frischgebackenen Kommunikationschef Stephan Heimbach, Ex-Pressechef der Deutschen Bahn und bereits seit 2000 in Siemens-Diensten, als Leiter der Abteilung Corporate Messages/Corporate Affairs. Der 45-Jährige war bislang unter anderem auch für die Reden der Vorstände zuständig. Nun also steht er auf der Lichtung- und viele legen auf ihn an. Denn eines steht fest: Der „Knochen“ Siemens ist für die veröffentlichte Meinung noch lange nicht abgenagt.

Brunswick expandiert

Der Expansionshunger der britischen, auf die Finanz- und Kapitalmarktkommunikation spezialisierten Agentur Brunswick ist ungebrochen. Deutschland-Chef Thomas Knipp, ehedem für kurze Zeit „Handelsblatt“-Chefredakteur, will nun auch in der Schweiz Fuß fassen. Erste Gespräche mit möglichen Partnern wurden bereits geführt. Konkrete Ergebnisse gibt es aber noch nicht. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch andere Kapitalmarktspezialisten versuchen werden, in der Schweiz Fuß zu fassen.

Rückzug aus der Öffentlichkeit

Mit reichlich öffentlichem Getöse unter Großbritanniens ansonsten eher very splendid Top-Unternehmen ging die Karriere von Lord Browne, CEO des Energie-Riesen Britisch Petroleum, kurz BP, vorzeitig zu Ende. Ein früherer Liebhaber und Lebenspartner von Browne hatte gegenüber einer britischen Zeitung ausgeplaudert, dass Browne BP-Ressourcen genutzt habe, um ihm Vorteile zu verschaffen. BP war in den letzten Jahren durch gigantische weltweite Kampagnen aufgefallen, mit denen das Unternehmen u.a. ein grünes Image anstrebte (s. a. Dr. Who „medium magazin“, Nr. 10/06).

Nun dreht der Nachfolger von Browne, CEO Tony Hayward, die Stellräder zurück. Als eine erste Amtshandlung verkündete Hayward, das öffentliche Profil des BP-CEO massiv zurückfahren zu wollen. Nur Analysten und den Medien werde er zukünftig zur Verfügung stehen, und das auch nur noch anlässlich der Bekanntgabe von Halbjahres- und Jahreszahlen. Aus Kontakten zur Politik, die sein Vorgänger so liebte, halte sich BP und besonders er zukünftig heraus. Im Grunde die richtige Konsequenz, wie Dr. Who meint! Denn under-exposure ist genauso schädlich wie over-exposure!

Strieder ist wieder da

Aufmerksamen Beobachtern der Berliner Szene ist der Name nur zu bekannt. Als die Gesellschaft Public Relations Agenturen, ein Zusammenschluss von PR-Agenturen, jetzt ihr neues Präsidium vorstellte, fiel ein Mitglied auf dem Foto auf, der irgendwie nicht dazuzupassen schien: Peter Strieder. Der 55-jährige ist in der Tat kein echter Kommunikationsmann, auch wenn er heute Partner von Pleon, ehedem Kohtes & Klewes, ist und im Büro Berlin für die Düsseldorfer Agentur wirkt. Strieder ist in Berlin bekannt wie ein bunter Hund: Er war zu besten Berliner Filz-Zeiten SPD-Landeschef, galt, so die „Zeit“, als „Pate der rot-roten Koalition“, war Bausenator und stolperte 2004 über eine unappetitliche Affäre um eine Berliner Institution, das Tempodrom. Langwierige staatsanwaltschaftliche Ermittlungen überstand Strieder ohne Anklage, wenn auch leicht ramponiert. Nun schickt Pleon also ihn und nicht zum Beispiel CEO Frank Behrendt in das GPRA-Präsidium. Sinnigerweise ist Strieder bei der GPRA jetzt Schatzmeister.

Exodus aus den Wirtschaftsredaktionen

Was ist los in den Wirtschaftsredaktionen von Deutschlands führenden Medien? Erst meldete die „Wirtschaftswoche“, dass Chefredakteur Stefan Baron die Schreibtischseite wechselt und zur Deutschen Bank nach Frankfurt geht (s. a. Dr, Who „medium magazin“, Nr. 5/07), dann beeilte sich die Landesbank Baden-Württemberg zu verkünden, dass sie den Banken-Ressortchef des „Handelsblatts“, Christian Potthoff, abgeworben habe, und zuletzt sickerte durch, dass die gute alte „FAZ“ gleich vier Redakteure auf einmal an die PR verliert, u.a. neben Folker Dries, den Chef der Kapitalmarkt-Berichterstattung, auch noch Ralf Nöcker, der die Marketing-Themen betreut. Schlimmer noch für die Wirtschafts-Dickschiffe: Unter den Kommunikationschefs der deutschen Konzerne ebenso wie unter den auf Kommunikation spezialisierten Personalberatern ist es kein Geheimnis, dass mittlerweile fast jeder in den Redaktionen nicht nur ansprechbar ist, sondern sehr viele auch aktiv die Augen offen halten. Interessanterweise sind dies oftmals gerade diejenigen, die noch vor wenigen Jahren bei einem der damals eher seltenen Wechsel ei
nes Kollegen auf die andere Seite am deutlichsten die Nase rümpften. Liegt es nur an der neuen Attraktivität der PR?

PR-Managerin des Monats

PR-Manager des Monats ist für Dr. Who diesmal eine Dame, und was für eine: Edda Fels, Kommunikationschefin des Springer-Konzerns, hat es schon lange verdient, einen der hinreichend vielen Preise und Auszeichnungen zu bekommen, die unsere Branche so alljährlich zu vergeben hat. Dass sie eine solche Auszeichnung noch nicht erhalten hat, liegt wohl ausschließlich daran, dass sie es wie kaum ein anderer versteht, im Hintergrund zu bleiben und dafür ihre Schutzbefohlenen wie z.B. Springer CEO Mathias Döpfner oder Springer-Großeignerin Friede Springer umso besser aussehen zu lassen. In einem so schwierigen Haus wie Springer mit derart vielen Egos von Chefredakteuren, echten und falschen Medienstars oder auch ambitionierten Vorständen eine wirklich professionelle Kommunikation auf die Straße zu bringen, wie es Edda Fels immer wieder gelingt, verdient Respekt. Dr. Who zieht seinen Hut!

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. eMail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 6/2007 in der Rubrik „Unter „3““ auf Seite 78 bis 83. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.