Gott und die Welt

Kasachstan

Borat sei Dank

Marcus Bensmann, Almaty

Interviewanfragen an staatliche Stellen in Zentralasien lehren Geduld. Ein Brief, ein Anruf und noch ein Brief – und dann kommt doch der Hinweis, es nach drei Wochen noch mal zu versuchen. In Kasachstan hat sich das nun geändert, Borat sei Dank. „Hier sitzt ein Journalist“, raunt der Pressemann im kasachischen Energieministerium in meinem Beisein ins Telefon, „wir haben doch Anweisung von ganz oben, alle Pressefragen zu beantworten, um das Image unseres Landes zu verbessern“. Und, oh Wunder, das mit dem „Image verbessern“ funktioniert. Innerhalb von einem Tag habe ich das gewünschte Interview nicht nur im Ministerium für Öl und Gas des zentralasiatischen Staates, sondern auch im Parlament und im Außenministerium. Das auf Grund der sprudelnden Ölquellen prosperierende Steppenland sehnt sich danach, von der Welt als moderner und offener Staat wahrgenommen zu werden. Doch Borats Triumphzug durch die Kinosäle der Welt machte alles kaputt. Erst reagierte die kasachische Regierung verschnupft und machte einen Fehler: Sie war beleidigt. Danach zwang sie sich zu lächeln. Der Außenminister tat dies sogar in einer Kinoaufführung. Von diesem Lächeln, das die Besorgnis über den Imageschaden nicht verbergen konnte, profitieren nun auch die Journalisten.

Internet: www.mfa.kz

Neuseeland

Kein Urlaub in Fidschi

Anke Richter, Christchurch

Was dem Deutschen sein Mallorca, ist dem Kiwi sein Fidschi. Kommodore Frank Bainimarama ist schuld daran, dass ich dieses Jahr dort keinen Billigurlaub mache: Der Armee-Chef übernahm Ende 2006 die Macht – der vierte Putsch in 20 Jahren. Im Juni wurde der neuseeländische Botschafter des Südsee-Landes verwiesen. Er hatte unter anderem den eitlen Militär dadurch brüskiert, dass er bei einem Rugbyspiel in Suva in der VIP-Loge saß, während Bainimarama ordengeschmückt mit einem Stehplatz vorlieb nehmen musste. Zuvor hatte Premierministerin Helen Clark Position gegen den Putschisten bezogen. Der diplomatische Eklat hatte ein Nachspiel, als eine Gruppe von Journalisten nach Fidschi einreisen wollte: Michael Field, kritischer Südpazifik-Korrespondent, wurde am Flughafen abgefangen, bedroht und nach Neuseeland ausgewiesen. Er hatte zuvor über Anwälte berichtet, die in Fidschi Repressalien ausgesetzt sind. Stimme der Oppositionellen auf den Inseln ist jetzt ein Blog, der darum bittet: „Touristen, bleibt zuHause!“ Denn wenn der Rubel im Palmen-Paradies nicht mehr rollt, lehnt sich vielleicht auch das Volk auf, so die Hoffnung.

Internet: http://whyfijiscrying.wordpress.com/

Nordeuropa

Keine Lust auf Recherche

Clemens Bomsdorf, Kopenhagen

Die vielen morgendlichen Gratiszeitungen in Nordeuropa, vor allem aber in Kopenhagen (dort gibt es vier Stück) machen manche Busfahrt kurzweilig und enthalten die ein oder andere Information, die nicht in den etablierten Zeitungen steht. Manchmal allerdings fragt man sich, wie ernst es die Blätter eigentlich mit der Recherche nehmen. Vor allem die Kollegen im Ausland sind oft die einzige Quelle – auch wenn es um nordeuropäische Themen geht. Versteigerungsergebnisse werden unter Berufung auf die Website der „BBC“ bekannt gegeben, auch wenn drei Mausklicks weiter die Originalquelle, nämlich die Website des Auktionshauses Sotheby’s, Aufschluss über den Preis eines Strindberg-Bildes gegeben hätte. Und um festzustellen, dass die Ende Juni zum neuen UNESCO-Weltkulturerbe gekürte Oper von Sydney, entworfen vom dänischen Architekten Jørn Utzon, „als eines der architektonischen Meisterwerke des 20. Jahrhunderts bezeichnet wird“, musste „24timer“ sich auf „The Sydney Morning Herald“ berufen. Einige Worte aus der Begründung, warum die UNESCO das Werk auf die Liste aufgenommen hat, hätten dem Leser womöglich mehr geholfen. Doch dafür hätte erst folgende Website angesteuert werden müssen:

http://whc.unesco.org/

Kanada

Getürkter Auftritt

Markus Gärtner, Vancouver

Es war einer der bizarrsten Auftritte in der jüngeren Geschichte Kanadas. Zwei Aktivisten der Gruppe „Yes Men“ schlichen sich Mitte Juni bei Kanadas größter Öl- und Gaskonferenz ein. „Yes Men“ geben sich mit Vorliebe als Repräsentanten großer Firmen aus und karikieren deren Ziele mit überzogenen Forderungen auf Konferenzen. Die beiden waren getarnt als Experten des National Petroleum Council, der das Weiße Haus in Energiefragen berät, und hatten vorgegeben, einen Vortrag halten zu wollen. Hunderte von Ölmanagern hatten für die Tagung in Alberta – am Rande des größten Ölvorkommens nach Saudi Arabien – je 50 Dollar hingeblättert, um den wichtigsten Vortrag zu hören. Ihre Erwartungen waren groß. Es kursierten Gerüchte, Kanada und die USA hätten einen Schulterschluss in der Energiepolitik vereinbart. „Ohne Öl“, so hob eines der beiden angeblichen Mitglieder des Petroleum Council an, „würden mindestens vier Milliarden Menschen verhungern“ – stolze Gesichter unter den ahnungslosen Ölbossen. Doch als der Redner – laut Tagesordnung ein gewisser „S.K. Wolff“ – begann, die Vorzüge einer neuen Energiequelle namens Vivolium zu preisen, gab es in der Halle lautes Murmeln. Keiner der Ölbarone hatte je von Vivolium gehört. Als die beiden Unbekannten am Rednerpult auch noch eine Kerze anzündeten und die Menge im Saal aufforderten, dies zum Gedenken an einen verstorbenen Exxon-Arbeiter ebenfalls zu tun, flog der Trick auf. Sicherheitskräfte eilten herbei und führten die beiden „Yes“-Männer ab. „Wir entschuldigen uns für den Vorfall“, war alles, was dem geschockten Konferenzsprecher zu dem getürkten Auftritt einfiel. Die Organisatoren der Ölkonferenz hatten die Redner bei einer Agentur gebucht, ohne den Petroleum Council direkt zu kontaktieren. Die „Yes“-Männer haben unterdessen wieder zugeschlagen, diesmal als angebliche Sprecher von Halliburton.

Internet: http://www.youtube.com/watch?v=00w3nY6hkas

Libanon

Pendeln in den Krieg

Markus Bickel, Beirut

Die Stimmung auf der Dachterrasse von Khaled Merkbawi ist entspannt. Der versammelten Reporterschar aus den Niederlanden, Ägypten und Deutschland reicht er Tee, seine drei Kinder tummeln sich um die Schaukel. Nur die beiden Rauchsäulen über dem nur 800 Meter entfernten Flüchtlingslager Nahr al-Barid und die Einschläge der Artilleriegeschosse erinnern daran, dass hier Krieg herrscht. Weil die Armee auch fast zwei Monate nach Beginn der Gefechte mit der islamistischen Fatah al-Islam keine Journalisten nach Nahr al-Barid lässt, haben vor allem Fernsehleute ihre Berichtsquartiere auf hohen Häusern in der Umgebung des nordlibanesischen Palästinenserlagers aufgeschlagen – in vermeintlich sicherem Abstand zum Geschehen.

Doch die Patronenhülsen auf Merkbawis Dachterrasse erinnern daran, dass auch Journalisten schnell zum Ziel von Scharfschützen werden können. Nur weil die Berichterstattung so bequem ist – aus der westlich geprägten Beiruter Innenstadt bis ins Kriegsgebiet braucht man mit dem Auto achtzig Minuten, abends ist man ebenso schnell zurück –, macht das die Präsenz nahe der Front nicht minder gefährlich

Internet: http://harryzzz.blogspot.com

China

Propagandaschlacht um Hongkong

Ruth Kirchner, Peking

Der zehnte Jahrestag der Rückgabe der britischen Kronkolonie an China hat in der Volksrepublik eine wahre Lawine an Specials ausgelöst. Die Propagandaschlacht wurde von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua angeführt: In endlosen Interviews und Berichten durften sich chinesische Offizielle selbst auf die Schultern klopfen: Die Formel „Ein Land, zwei Systeme“ sei ein voller Erfolg und die meisten Menschen in Hongkong glücklicher als vor zehn Jahren. Nur „vergaßen“ die Festlandsmedien zu erwähnen, dass die Demokraten in Hongkong zum Jahrestag am 1. Juli zu einer Großdemo aufgerufen hatten – f