Gott und die Welt

Norwegen

Es lebe der König-trotz schmutziger Hose

Clemens Bomsdorf, Oslo

Als bevölkerungsarme, am Rande Europas gelegene Demokratie mit immensem Öl- und Gasvorkommen, hat Norwegen kaum Chancen, in der deutschen Presse aufzutauchen. Es sei denn als Energie-Nation. Oder, wenn es um das Königshaus geht. Die deutsche Presse – allen voran das private und öffentlich-rechtliche Fernsehen – stürzt sich genüsslich auf alle royalen Begebenheiten. Wenn gerade keine Hochzeit, Geburt oder Taufe ansteht, freut man sich an den kleinen Skandalen. Mitte Oktober begab sich das Regentenpaar zum zweiten Mal während der Herrschaftszeit auf Staatsbesuch nach Deutschland – für das norwegische Außenministerium eine willkommene Gelegenheit, Hof zu halten. Als einer von nur drei deutschen Journalisten bekam ich vor deren Abreise einen Gesprächstermin mit dem Königspaar. Am Ende stand einerseits Ernüchterung, zugleich aber auch die Bestätigung meines positiven Norwegenbildes. „Bloß nicht mit Jeans auftauchen“, hatte mir überflüssigerweise zuvor noch eine nordische Kollegin geraten. Natürlich war dunkler Anzug angesagt. Umso verwunderter war ich, als das Außenministerium uns unmittelbar vor dem Interview auf die berühmteste Osloer Baustelle schleppte: Bei Nieselregen watete ich nun durch den Matsch vor dem neuen, fast fertig gestellten Opernhaus. Glücklicherweise hatte es spezielle Schuhe gegeben, doch die Anzughose litt natürlich. Bis zum Gespräch war der Schmutz zwar weitgehend rausgeklopft, doch zeigt diese Episode einmal mehr, dass in Nordeuropa pragmatisch gedacht wird. Zwar erspart man den Journalisten dort eine lange Vorbereitungsprozedur, wie es sie wahrscheinlich im britischen Königshaus gegeben hätte, wenn die Queen sich zu Interviews bereit erklären würde, doch lernt man auch ziemlich schnell, dass ein Gespräch beim Regenten nicht so wichtig ist, als dass nicht zuvor noch das neueste kulturelle Highlight besichtigt werden kann. Auch wenn dabei die Anzugshose schmutzig wird. Das Interview übrigens verlief ungewöhnlich entspannt. Das bei manchen Kollegen als steif verschriene Königspaar lachte mehrfach und Königin Sonja – in vielen Interviews nur Begleitung des Königs – schwärmte rege vom Berliner Kulturleben, weswegen zahlreiche norwegischen Künstler in die deutsche Hauptstadt gezogen sind.

Internet: www.welt.de/wams_print/article1263686/Der_norwegische_Koenig_auf_Staatsbesuch.html

Irak

Ausgelagert nach Nordirak

Birgit Svensson, Erbil

In den Redaktionsräumen herrscht Stimmengewirr: Kurdisch, Arabisch, Holländisch und Deutsch werden wild durcheinander gesprochen. Der kleinste gemeinsame Nenner heißt Englisch – manchmal mit Händen und Füßen. Ich bin unter das Dach irakischer Kollegen gekrochen, die auch einem holländischen Radio-Kollegen vorübergehend Unterschlupf gewähren. Al Sabah Al-Jadeed heißt auf Deutsch der „neue Morgen“ und ist eine der wenigen unabhängigen Tageszeitungen im Irak. Mit einer Auflage zwischen 15 000 und 20 000 Exemplaren täglich, mutet sie für ein 26 Millionen Volk eher klein an. Sie ist es aber nicht. Vielmehr ist der „neue Morgen“ die drittgrößte Zeitung des Landes. Warum das so ist, liegt an dem Terror, der Irak seit dem Sturz Saddams heimsucht und verwüstet. „Es grenzt schon an ein Wunder, wenn eine Zeitung überhaupt jeden Tag erscheint“, kommentiert Herausgeber und Chefredakteur Ismael Zayer die Situation der Printmedien in seinem Land. Als immer mehr von seinen Redakteuren und Reportern bedroht wurden – einer wurde gar ermordet, zwei gekidnappt oder deren Familienmitglieder unter Druck gesetzt –, entschloss sich der 60-Jährige, die Redaktion von Bagdad ins sichere Erbil (Nordirak) zu verlagern. Gedruckt wird aber noch immer in der Landeshauptstadt. Dort hat die Zeitung auch nach wie vor ihre größte Verbreitung. Allerdings haben die seit Februar laufenden Militäroperationen von US-Armee und irakischen Sicherheitskräften in der Hauptstadt auch der Druckerei verheerende Schäden zugefügt. Eine zur Markierung gesetzte Leuchtkugel verfehlte ihr Ziel, landete auf dem Schuppen, wo das Papier gelagert war und setzte 25 Tonnen in Flammen. Der „neue Morgen“ konnte drei Tage lang nicht erscheinen. Zayer überlegt nun, eine der beiden Druckmaschinen nach Erbil zu holen, damit zumindest ein Teil der Auflage gesichert wird. Inzwischen ist, laut Reporter ohne Grenzen, Ende August der 200ste Journalist im Irak getötet worden, so viele wie nirgends sonst in Krisengebieten. Eine verheerende Bilanz.

Internet: www.newsabah.com

Philippinen

Wegweiser zum Killer

Hilja Müller, Manila

Ich erinnere mich noch ganz genau: ich war neu als Volontärin bei der „Offenbach Post“, da baute ein erfahrener Redakteurskollege Mist. Er veröffentlichte den Namen eines mutmaßlichen „Todesfahrers“ und ein Bild des Mehrfamilienhauses, in dem dieser wohnte. Die Folgen waren heftig. Der Unfallfahrer schickte seinen Anwalt, die unbescholtenen Mitbewohner bestellten die Zeitung ab. Der Kollege bekam eine Abmahnung und ich hatte für alle Zeiten gelernt, mit Namen vorsichtig umzugehen. Ganz anders ist das auf den Philippinen. Aus der Zeitung erfährt man nicht nur Alter und Namen von Unfall-oder Mordopfern, sondern gleich noch ihre Adresse. Auch der Wohnort des mutmaßlichen Täters bleibt nicht geheim, sein Foto erscheint zudem ohne Balken vor den Augen. Auf den Schutz der Privatsphäre oder einen Pressekodex darf in dem südostasiatischen Staat niemand hoffen. Kein Wunder also, dass die International Federation of Journalists als ein Ziel ihrer Arbeit in Asien nennt, die „ethischen Standards“ zu verbessern.

Internet: www.ifj.org

Usbekistan

Tod eines Theatermannes

Marcus Bensmann, Taschkent

Mark Weil, der bedeutendste Theatermacher in Usbekistan, wurde in seinem Hauseingang in Taschkent in der Nacht zum siebten September niedergestochen und verstarb wenig später im Krankenhaus. Doch die usbekischen Medien, Fernsehen, Radio oder Zeitungen, ignorierten den gewaltsamen Tod des über die Grenzen des zentralasiatischen Landes hinaus berühmten Regisseurs und Gründer des Ilkhom-Theaters in der usbekischen Hauptstadt. Kein Nachruf, nicht mal eine Nachricht über seine Ermordung, waren in den usbekischen Staatsmedien zu finden, während die internationale Presse bis hin zur „New York Times“ darüber berichteten. Das wäre so, als hätten FAZ, „Spiegel“ oder Deutschlandfunk den Tod Rainer Fassbinders kommentarlos übergangen. Usbekistan gehört zu den wenigen Staaten der Welt, in dem es keinerlei unabhängige veröffentlichte oder gesendete Meinung gibt. Gleichwohl wundert das Schweigen der Macht zum Tod des Künstlers. Obgleich Weil provokativ Tabuthemen wie Homosexualität auf die Bühne gebracht hatte, genoss er die Patronage der exzentrischen Präsidententochter Gulnara Karimowa. Ihr Schutz half ihm letztlich nicht, vielleicht ist genau das der Grund der Stille.

Internet: www.ilkhom.com

Schweden

Connoisseur-Zeitung für Reiche

Alexander Budde, Stockholm

Hab ich das wirklich verdient? „Connoisseur“ wird eigentlich nur an Zeitgenossen verschickt, die mindestens 100 000 Euro im Jahr verdienen oder eine halbe Million Euro an Vermögen ausweisen. Gut verborgen zwischen Anzeigen für Chrom-funkelnde Karossen, Brillanten besetzte Chronometer und handgenähtes Schuhwerk erfahre ich, wie der Finanzmagnat J. P. Morgan sein Vermögen anhäufte, was Tafeltrauben aus Amarone auszeichnet und warum die Schoßhündchen in dieser Saison recht groß ausfallen. In Schweden, dem Land nicht nur der Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch der nivellierenden Einkommen, sehen sich Vermögende noch immer dem bösen Vorurteil ausgesetzt, dass ihr Reichtum irgendwie nicht verdient sei. Erschreckend, wie wenig Reiche und Normalverdiener voneinander wissen“, seufzt Redaktionschef Peder Lamm, der sich nebenher als Kunsthändler, TV-Profil und Conferencier durchschlägt. „Quälend ist auch die Sinnfrage“, sagt Lamm über den
Gemütszustand der Luxus-Leser, seiner auch in Schweden rasch wachsenden Zielgruppe. Bei 45.000 Exemplaren liegt die Druckauflage seines Heftes. Zwar ist das Kapital bekanntermaßen ein scheues Ren, doch Probleme beim Aufspüren der Reichen haben die Blattmacher nicht. Zumindest nicht in Schweden, wo das Recht auf Informationsfreiheit der Bürger sehr wichtig ist und Datenschutz längst nicht so ernst genommen wird wie in Deutschland. Ein Mausklick zum Skatteverket, der schwedischen Steuerbehörde, genügt, um einen Verteiler für das Reichenheft aufzubauen. Auf deren Website ist jeder Steuerzahler namentlich aufgelistet-Vermögen und Steuerzahlung inklusive.

Internet: www.skatteverket.se

Weltreporter

Serie: Die Nachrichten rund um den Globus aus verschiedenen Ländern werden regelmäßig im „medium magazin“ veröffentlicht. Die Autoren sind Mitglieder von Weltreporter.net. Homepage: www.weltreporter.net, eMail: cvd@weltreporter.net.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 32 bis 79. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.