„Radikale Form“

Sergej Lochthofen,

Chefredakteur „Thüringer Allgemeine“

„Neben der üblichen Wahlberichterstattung waren wir aufgrund der niedrigen Wahlteilnahme in den neuen Ländern stark mit dem Thema befasst, wie wir unsere Leser anregen können, zur Wahl zu gehen. Eines scheint in diesem Zusammenhang sicher:

Die üblichen langen Gespräche und Aufklärungstexte werden selbst von den Gutgläubigsten in der Regel überblättert. Aus diesem Grund entschieden wir uns für eine radikale Form: eine Woche vor der Wahl täglich die Seite 1 als ganzseitiges Poster mit einer prominenten Persönlichkeit, die zur Wahl aufruft. Kurz, knapp und störend – das heißt, jeder musste sich damit befassen, bevor er die Zeitung rumdrehte und die traditionelle Seite 1 mit ihren Nachrichten und Fotos bekam. Zu den Prominenten zählten Iris Berben, Helmut Schmidt, Ariane Friedrich, aber auch ein ehemaliger Häftling des KZ Buchenwald. Die Reaktionen der Leser waren durchweg positiv und sehr emotional. Einige von ihnen baten um Erlaubnis, die einzelnen Poster am Tag der Wahl in ihrem Fenster aufhängen zu dürfen.

Darüber hinaus haben wir uns in einer Extra-Wochenendausgabe eine Woche vor dem Wahltag mit dem Nichtwähler befasst. Ein befürchteter Proteststurm der Betroffenen blieb aus. Im Gegenteil, am Ende stellte sich heraus, dass in Thüringen – im Gegensatz zu anderen neuen Bundesländern und aktuell in Sachsen – die Wahlbeteiligung nicht weiter gesunken ist, sondern im Verbreitungsgebiet der „Thüringer Allgemeine“ zunahm und über dem Durchschnitt des Landes am Wahlsonntag lag.“

www.thueringer-allgemeine.de

Bernd Hilder, Chefredakteur

„Leipziger Volkszeitung“ („LVZ“)

„Vor der Bundestagswahl wie vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen veranstalten wir, deutlich mehr als in den Vorjahren, eine Vielzahl von Wahlforen mit den jeweiligen Spitzenkandidaten (außer Merkel) sowie den Kandidaten aller Wahlkreise in unserem Verbreitungsgebiet. Die wichtigsten Veranstaltungen werden aufgezeichnet und sind über unseren Online-Auftritt als Videos abrufbar. Die Podien zur Bundestagswahl planen wir live im O-Ton (wie Hörfunk) über LVZ online anzubieten – und zum Ende der Veranstaltungen „getwitterte“ Fragen von Zuhörern direkt an die Parteivertreter zu richten. Bei einigen der anderen Veranstaltungen konnten Leser Fragen vorab über unseren Online-Auftritt stellen, die wir dann an die eingeladenen Politiker weitergeben haben. Zur Wahl selbst findet die übliche umfangreiche Berichterstattung statt.

Die Politikmüdigkeit ist 2009 in der Tat erheblich stärker zu spüren als 2005. Wir versuchen, Politik noch stärker aus Sicht der Betroffenen darzustellen. Aber dies ist auch schon in der Vergangenheit geschehen.“

Peter Stefan Herbst,

Chefredakteur „Saarbrücker Zeitung“

„Vor dem Hintergrund der saarländischen Besonderheit von vier Wahlen (Kommunal-, Europa-, Landtags- und Bundestagswahl) an drei Wahlterminen innerhalb von nur vier Monaten haben wir detaillierte Richtlinien für die Berichterstattung entwickelt und verabschiedet. Hierbei wurden klare Standards definiert, die der Redaktion eine klare Orientierung und Leserinnen und Lesern die bestmögliche Information bieten sollen. Wir orientieren uns stark an tatsächlich relevanten Themen und weniger an den Irrungen und Wirrungen des Wahlkampfes. Selbstverständlich ist die ganze Berichterstattung noch stärker mit Online-Angeboten vernetzt als in den Vorjahren, z. B. Einbindung des Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung im Online-Angebot ( www.saarbruecker-zeitung.de/wahlen), Eigene Wahlwette in Print und Online (www.wahlen.saarbruecker-zeitung.de), Wahldossier im Online ( www.saarbruecker-zeitung.de/wahlen).

Wir setzen bewusst nicht auf oberflächliche Kampagnen mit Prominenten, die zur Wahl aufrufen. Wir setzen auf alle journalistischen Darstellungsformen, um Parteien, Politiker und deren Positionen interessanter und verständlich zu machen, auch wenn die Beteiligten dies uns nicht immer leicht machen.“

www.sz-online.de

Dirk Birgel, Chefredakteur

„Dresdner Neueste Nachrichten“

„Wir hatten in den Vorjahren die Parteien mit ihren Programmen und Kandidaten im Focus. Dieses Jahr verschieben wir die Gewichte. Im Mittelpunkt stehen die Wahlkreise mit ihren Menschen und Problemen. Das hat bei der Stadtratswahl sehr gut funktioniert und wird bei der Landtags- und Bundestagswahl fortgesetzt.

Die Politikmüdigkeit spielt in diesem Jahr eine große Rolle: Die Bundestagswahl ist für die Leser der „DNN“ nach Europawahl, Kommunalwahl und Landtagswahl die vierte Wahl binnen eines Vierteljahres. Hinzu kommt noch die OB-Wahl vor einem Jahr. Das ermüdet schon ein wenig, Wähler und Journalisten vermutlich gleichermaßen. Parallel spüren wir nicht unbedingt eine Müdigkleit an politischen Themen. Müde erscheint mir das Publikum eher der Politiker und ihrer Wahlversprechen.“

www.dnn-online.de

Erschienen in Ausgabe 09/2009 in der Rubrik „Politik“ auf Seite 16 bis 16. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.