Arbeitsunfall Depression

Ein Gespräch mit Hans-Peter Unger, Psychiater und Psychotherapeut in Hamburg und Experte für Depressionen in der Arbeitswelt.

Warum sind gerade Journalisten von seelischer Erschöpfung bedroht?

Hans-Peter Unger: Journalisten haben generell eine hohe Arbeitsbelastung durch den ständigen Zeitdruck. Meist nimmt die Arbeit den größten Teil des Lebens ein. Privatleben und Partnerschaft bleiben auf der Strecke. Außerdem ist ein Elitebewusstsein ist in der Medienbranche sehr ausgeprägt – häufig denken Journalisten, sie bräuchten so etwas wie Pausen, Arbeitsplatzsicherheit, Partner oder Freizeit gar nicht. Ihre Arbeit würde ihnen all das ersetzten. Aber das stimmt nicht.

Das war doch schon immer so.

Besonders, wenn sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern oder verändern, werden die negativen Seiten dieser völligen Identifizierung mit dem Job sichtbar. Wenn Arbeitslosigkeit droht, Verlage und Redaktionen plötzlich geschlossen werden, Selbstbild und Anspruch nicht mehr mit der Realität übereinstimmen, dann rutschen viele Journalisten in die Erschöpfungskrise.

Und was kann man dagegen tun?

Wirklich helfen kann nur das grundlegende und beständige Reflektieren über sich, die eigene Arbeit und vor allem die persönliche Einstellung zur Arbeit. Man muss der Tatsache ins Gesicht sehen, dass man als moderner Arbeitnehmer oder auch als Freiberufler in einem ständigen Konflikt lebt: Auf der einen Seite gibt es den großen Wunsch, sich in der Arbeit selbst zu verwirklichen. Journalisten empfinden dies besonders stark. Auf der anderen Seite steht der globalisierte Markt mit unsicheren Arbeitsplätzen, schnell wechselnden Strategien der Verlage und einer extremen Abhängigkeit von Anzeigenkunden. Letztlich muss jeder für sich selbst einen Umgang mit diesem Konflikt finden. In der modernen Arbeitswelt geht es nicht anders.

Wie gelingt das in der Praxis?

Ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Wichtige Stichworte aber sind: Das Entwickeln persönlicher Werte. Das Bewusstsein, dass eine Entscheidung immer auch Verzicht bedeutet. Partnerschaft und private Beziehungen. Auch Selbstachtsamkeit ist ein wichtiges Stichwort. Denn nur, wer auf sich hört, wird die ersten Anzeichen von psychischer Erschöpfung ernst nehmen und sofort etwas dagegen tun.

Natürlich haben auch die Unternehmen eine Verantwortung. Immerhin erkranken 20 Prozent der Deutschen im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Keiner würde heute akzeptieren, wenn eine Baufirma ihren Mitarbeitern keine Helme zur Verfügung stellt, weil sie Geld sparen möchte. Genauso sollte man nicht akzeptieren, wenn ein Unternehmen unnötigen Stress produziert. Beispielsweise durch schlecht ausgebildete Führungskräfte oder schlechte Arbeitsorganisation.

Erschienen in Ausgabe -1/2007 in der Rubrik „Leben“ auf Seite 80 bis 80. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.