Blasen und Phrasen

„Auf Augenhöhe“

Vorsicht bei dieser Phrase! Sie wird zwar gerne genommen, weniger versierte Phrasenritter tappen hier aber gerne in die Falle. Als Top-Manager sind sie selbstverständlich nicht auf Augenhöhe, sondern darüber! Die Phrase „auf Augenhöhe“ darf deshalb nur von all jenen verwendet werden, die offensichtlich in der Hackordnung weiter unten stehen und sich ein wenig im Glanze des Lichts der Macht sonnen wollen. Journalisten zum Beispiel. Ja, der Journalist führt ein Interview gerne „auf Augenhöhe“, will heißen er ist genauso informiert und souverän in der Gesprächsführung wie der „Master of the Universe“ in Nadelstreifen, der ihm oder ihr gegenübersitzt. Zumindest der eigenen Einschätzung nach. Als Interviewter sollte man den Fragesteller stets im Glauben lassen, er sei tatsächlich auf Augenhöhe, vor allem wenn er nur 08/15-Schleimereien im Stil von „Warum sind Sie so erfolgreich?“ absondert. Bohrt der Journalist wider Erwarten aber tatsächlich dort, wo’s wehtut, sofort Strategie ändern und die Kanaille der mangelhaften Recherche bezichtigen. Außerdem ist der Begriff von der Augenhöhe gefährlich relativ: Auch zwei Asseln können sich „auf Augenhöhe“ prima unterhalten.

„Er/Sie will wieder mehr schreiben“

Bleiben wir in der schillernden Welt der Journaille. Hier gibt es eine Phrase, die immer wieder auftaucht, sobald ein leitender Medien-Mensch seinen Job verliert. So jemand wird ja niemals hochkant rausgeschmissen, sondern man trennt sich „in bestem gegenseitigen Einvernehmen“. Bei den Medien kommt dann aber oft noch der Zusatz, der ehemals so mächtige Chefredakteur gebe seinen Posten ganz und gar freiwillig auf, weil: „Er/Sie will wieder mehr schreiben.“ Gerne wird einem das auch in einem erklärenden Gespräch so verklickert: „Ich hatte den ganzen Organisationsmist einfach satt und wollte wieder mehr schreiben.“ Solche Sätze sind fast immer gelogen. Denn mal im Ernst: Etwas geschrieben zu haben, ist toll. Etwas zu schreiben aber die Hölle.

„Alles steht auf dem Prüfstand“

Wunderbare Welt des Controllings. Dort steht immer alles auf dem Prüfstand. Eine prima Phrase, die die gesamte Firma in fiebrige Erregung versetzt und die Angst in die Herzen der Bürohengste pflanzt. Egal, welche Abteilung, egal, welcher Abteilungsleiterstuhl – alles steht auf dem Prüfstand. Der Manager, der das ausspricht, signalisiert, dass er keinen Bammel hat, „verkrustete Strukturen aufzubrechen“ und „alte Zöpfe abzuschneiden“. Hierarchien sind ihm unheilig, sein einziges Trachten gilt der Portfolio-Optimierung. Gleichzeitig lassen sich damit lästige Nachfragen nach Gerüchten über Teilschließungen oder Einstellungen von Objekten abbügeln und permanentes Chaos in der Firma geschickt als globale Strategie tarnen.

„Wir sind nie zufrieden“

Eine feine kleine Phrase, mit der man mal wieder den Fragesteller in einem Interview als kapitalen Hornochsen dastehen lässt. Sollte einer auf die dämliche Idee kommen, zu fragen, ob man mit der Entwicklung der Sparte xy zufrieden ist, obwohl jeder Depp sehen kann, dass alles schief läuft, haben sie im Prinzip zwei Möglichkeiten zu kontern. 1. die offensichtliche: Sie erzählen genau das Gegenteil dessen, was jeder sehen kann, der Augen im Kopf hat, und erklären dem Journalisten, warum alles superspitzenmäßig läuft. Das geht in 90 % der Fälle gut, sollte Ihr Gegenüber aber zur fiesen Sorte der Nachbohrer gehören, hat er seine Doofi-Frage nur zum Schein gestellt und konfrontiert Sie nun mit harten Fakten über den zerrütteten Gesamtzustand Ihres Unternehmens. Peinlich! Besser ist deshalb die 2. Methode: „Wir sind nie zufrieden!“ Unzufriedenheit wird zur Strategie erklärt. Wir können niemals zufrieden sein, denn sonst wären wir ja satt, bräsig und bräuchten keinen knallharten Sanierer am Ruder, der eine Innovations-Offensive nach der nächsten zündet. Ergebnis: Der Frager steht dumm da und Sie sind fein aus.

Erschienen in Ausgabe -1/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 83 bis 89. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.