Gott und die Welt

Belgien

Grober Missbrauch

Alois Berger, Brüssel

Dass die meisten von uns zu dick sind, ist nicht neu. Auch nicht, dass es immer mehr dicke Kinder gibt. Neu ist, dass McDonalds, Kelloggs, Pepsi und Coca Cola eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die gefährlichen Speckringe spielen. Das behauptet jedenfalls die EU-Kommission. In einer der absurdesten Pressekonferenzen der europäischen Geschichte lobte EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou die erfolgreichsten Fett-und Zuckerverteiler für ihren beherzten Einsatz gegen die Volkskrankheit Übergewicht. Hintergrund ist eine seltsame „name and praise“-Kampagne des EU-Gesundheitskommissars. Man dürfe die Industrie nicht immer nur kritisieren, meint Kyprianou, man müsse sie auch mal loben. Zum Beispiel, wenn Coca Cola verspricht, keine Werbung mehr für Kinder unter zwölf Jahren zu machen. Oder wenn McDonalds zusagt, mehr Informationen auf die Verpackung ihrer Fleischklopse zu drucken. Zur Belohnung durften sich die Fast-Food-Chefs persönlich den versammelten EU-Korrespondenten als verantwortungsvolle Schlankmacher präsentieren. API (die Vereinigung der Journalisten in Brüssel) hat bei der EU-Kommission eine Beschwerde wegen groben Missbrauchs einer Pressekonferenz eingereicht. Mal abwarten, was daraus wird.

Internet: www.api-ipa.be

Australien

Freiheit für Monopole

Julica Jungehülsing, Sydney

John Howards konservative Regierung hat Australiens Mediengesetze reformiert. Down Under ist ohnehin kein Dorado der Meinungsvielfalt, doch bislang galt eine Klausel, die Monopole vermied: Ein Unternehmen konnte nur „Prince of print“ oder „Queen of screen“ sein, was so viel heißt wie: dass es eine Tageszeitung oder einen TV-Sender in einer Region besitzen durfte, nicht beides. Ab 2007 darf jetzt jeder alles haben. Die dicksten Fische im Tages-Mediengeschäfts sind schon jetzt Rupert Murdoch (der den Aufbau seines weltweiten Imperiums einst mit dem Kauf eines Lokalblatts in Adelaide begann), James Packer (dem die größten Sender und Magazine gehören) und die Fairfax Holding (die – noch – Tageszeitungen in Melbourne und Sydney sowie 150 regionale Blätter herausgibt). „The West Australian“ in Perth ist – ebenfalls noch – unabhängig. Seit die neuen Gesetze raus sind, reiben sich Investoren jedoch die Hände. Viele Leser sehen bereits jetzt den Rest an Meinungsvielfalt schwinden. Auch ich befürchte, dass meine einzige unabhängige Informationsquelle bald „Crikey“ sein wird, ein respektlos kritisches Online-Magazin. Solange Murdoch das nicht auch noch schluckt.

Internet: www.crikey.com.au

Indien

Die Macht der Machtlosen

Britta Petersen, Neu-Delhi

„Summit of the Powerless“ – so hieß ein zweitägiger Kongress, der vergangenen Monat in Neu-Delhi stattfand. Veranstaltet wurde er von der Wochenzeitung „Tehelka“, einer Art indischen „taz“, die sich durch Leserbeteiligung finanziert und konsequent auf Anti-Establishment-Kurs bewegt. Der Kongress war ein Muss für jeden, der sich mit Indiens wirklichen Problemen beschäftigt: Von Massenselbstmorden unter Bauern über Maoisten-Aufstände bis zu den an Klassenkampf gemahnenden Auseinandersetzungen zwischen Unberührbaren und höheren Kasten im Bildungssystem. Diskutiert wurde heftig, obwohl hochrangige Würdenträger wie Präsident Abdul Kalam zugegen waren.

Wie langweilig war dagegen der „India Economic Summit“, veranstaltet vom World Economic Forum, der eine Woche später stattfand. Auf diesen Gipfel feierte sich die indische Business Community selbst. Bei Wachstumsaussichten von neun Prozent nimmt niemand mehr das Wort „Kastensystem“ in den Mund. Offenbar braucht Indien eine kleine Zeitung wie „Tehelka“, um sich realistisch mit sich selbst auseinanderzu setzen. Ganz schön mächtig, diese Machtlosen.

Internet: www.tehelka.com

Kanada

Blogger raus aus dem Knast

Markus Gärtner, Vancouver

Sind Blogger Journalisten? Tausende, die hobbymäßig recherchieren und auf persönlichen Webseiten Nachrichten verbreiten, sagen Ja. Doch um eine Anerkennung als vollwertige Mitglieder der schreibenden Zunft kämpfen Blogger immer noch. Das könnte sich nun ändern. Denn das Provinzgericht im kanadischen New Brunswick adelte am 24. November Charles LeBlanc (http://oldmaison.blogspot.com) zum Journalisten. Der Blogger war von der Polizei verhaftet worden, als er im Juni Fotos von Demonstranten bei einem Treffen regionaler Handelskammern schoss. Dass er mitten unter Fernseh-und Printjournalisten stand und sich als Blogger zu erkennen gab, half LeBlanc nicht. Die Polizisten hielten ihn für einen Randalierer. Während TV-und Zeitungsreporter unbehelligt weiterarbeiten konnten, landete der Sozialhilfe-Empfänger, der sich gegen seine Festnahme wehrte, eine Nacht in Arrest. Der Grund: Widerstand gegen die Staatsgewalt. „Der Angeklagte ging nur seiner Arbeit nach, indem er Fotos und Informationen wie andere Reporter sammelte“, entschied Richter William J. McCarroll. Blogger sind damit rechtskräftig Journalisten. Das Urteil kann weit reichende Folgen für die Definition des Berufsstandes haben.

Internet: http://oldmaison.blogspot.com

Ägypten

Blogger rein in den Knast

Jürgen Stryjak, Kairo

Jüngst beim Tee mit Tarek Mounir in einem Kairoer Kaffeehaus: Der ägyptische Vertreter von „Reporter ohne Grenzen“ verurteilt das harte Vorgehen des Regimes gegen Blogger sowie das Desinteresse des Westens an dieser Willkür. Zwar gebe es vereinzelt Berichte in den westlichen Medien über entsprechende Vorfälle, so Mounir, aber nur geringen offiziellen Protest. Mitte November veröffentlichte „Reporter ohne Grenzen“ die aktuelle Liste der „Feinde des Internets“: Ägypten gehört neben China und Saudi-Arabien zu den Genannten. Am 7. November beispielsweise wurde dort der Blogger Karim Amer aus Alexandria verhaftet. Immer wieder landen neuerdings ägyptische Blogger im Gefängnis, aber Karim Amers Fall ist anders. Bislang benutzte die Staatsgewalt immer fadenscheinige Vorwände, um die Blogger festzunehmen, eine Teilnahme an regimekritischen Demos beispielsweise. Karim Amer werden nun erstmalig seine Blogtexte selbst vorgeworfen – genauer gesagt: ihre Islam-und Regimekritik. Schon 2005 saß er für Wochen im Gefängnis. Kaum vorstellbar, dass es den Behörden diesmal gelingt, ihn einzuschüchtern. Schließlich beruft er sich in seinem Blog auf Hans und Sophie Scholl, die von den Nazis wegen ihres Engagements in der „Weißen Rose“ hingerichtet wurden.

Internet: www.freekareem.org

Libanon

Göttliche Akkreditierung

Markus Bickel, Beirut

Eigentlich schien alles ganz einfach. Ende November wollte ich ein Interview mit Mohammaed Kawtharani führen. Der libanesische Werbedesigner hat für die Hisbollah nach dem Krieg mit Israel die Kampagne „Divine Victory“ gestaltet, die mit teils martialischen Bildern den vermeintlichen Sieg über die „zionistische Entität“ feierte. Doch ein Anruf bei der Pressesprecherin der „Partei Gottes“ genügte leider nicht, um das Gespräch zu arrangieren. Ich müsse im Pressebüro vorbeikommen, hieß es, zwei Passfotos, die Akkreditierung des Innenministeriums, Reisepass und Presseausweis mitbringen. Die Leute der in Südbeirut in einem Zelt untergebrachten Hisbollah-Hilfsorganisation würden mich weiterleiten. Leider waren die beiden freundlichen Helfer aber recht ratlos, sodass ich erneut bei der Sprecherin anrief. „Mafi mushkili, kein Problem“, sagte sie und erklärte den Herren am Telefon, wo sie als Nächstes hinmüssten. Ich folgte ihnen, doch leider hatte angegebenes Büro geschlossen. Und das Telefon von Madame Hoteit war plötzlich auch ausgeschaltet. Ein fast schon paranoides Vorgehen der in ihren Gründungsjahren geheim agierenden Partei, das sich nach dem Krieg im Sommer aus Angst vor israelischen Agenten weiter verschärft hat. „Versuchen Sie’s morgen wieder, inshallah“, sagte der nette Mann. Hätte ich auch glatt gemacht. Doch dann wurde Industrieminister Pierre Gemayel erschossen und für ein Interview mit dem Werbedesigner blieb seitdem keine Zeit mehr
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Internet: www.executive-magazine.com/88/article.php?id=818

Usbekistan

Unabhängigkeit via Internet

Marcus Bensmann, z. Zt. Düsseldorf

Wenn wie im zentralasiatischen Staat Usbekistan eine unabhängige Berichterstattung verboten ist, bleibt allein der Weg ins Internet. Die usbekische Journalistin Galima Bukharbaeva, die von dem Regime in Taschkent nach dem Massaker von Andischan im Mai 2005 ins deutsche Exil getrieben wurde, leitet heute die Internetseite www.uznews.net. Die vom Verein „Uzbekistan Press Freedom Group“ unterstützte Page bietet täglich Nachrichten und Reportagen – bald auch in Englisch und Deutsch. „Nach dem Massaker von Andischan hat die usbekische Regierung das Land gewaltvoll in ein Informationsvakuum getaucht“, sagt die usbekische Journalistin. Bukharbaeva, Absolventin der Columbia Universität, gehörte zu den wenigen Journalisten, die am 13 Mai 2005 Zeugen der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes in der usbekischen Provinzstadt Andischan wurden. Sie überlebte das Massaker nur knapp: eine Kugel durchbohrte ihr Notizbuch und wurde so vom Körper abgelenkt. Danach musste sie wie viele ihrer Kollegen außer Landes flüchten. Die usbekische Regierung beschuldigt sie bis heute, mit Terroristen unter einer Decke zu stecken. Im Oktober wurde der Asylantrag der Journalistin in Deutschland anerkannt.

Internet: www.uznews.net

Weltreporter

Serie: Die Nachrichten rund um den Globus aus verschiedenen Ländern werden regelmäßig im „medium magazin“ veröffentlicht. Die Autoren sind Mitglieder von Weltreporter.net. Homepage: www.weltreporter.net, eMail: cvd@weltreporter.net.

Erschienen in Ausgabe -1/2007 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 64 bis 79. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.