Langer Atem

Neben dem Tagesgeschäft bleibt in Lokalredaktionen oft wenig Zeit, ein Thema über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Dabei gehören gerade die nachhaltige Berichterstattung und das kontinuierliche Nachhaken zu den zentralen Aufgaben des Lokaljournalismus. Dass dies auch in Zeiten schrumpfender Redaktionen möglich ist, zeigen Beispiele aus der aktuellen „drehscheibe“. So begleitet die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ (HNA) ein ganzes Jahr lang eine Bauernfamilie, die „Westdeutsche Zeitung“ testet Schulen, die „Schweriner Volkszeitung“ spürt der lokalen Graffiti-Szene nach und die „Dewezet“ den Mängeln im Hamelner Stadtbild.

Lokaltipp des Monats:

Das Jahr des Bauern. Das Berufsfeld des Landwirts lässt sich nicht in einem kurzen Artikel beschreiben. Jeden Monat stehen andere Aufgaben an, jede Jahreszeit bringt neue Herausforderungen. Daher wählte die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ (HNA) das Format einer begleitenden Serie: In zwölf monatlich erscheinenden Teilen schildert die „HNA“ den Arbeitsalltag einer Bauernfamilie aus dem nordhessischen Kaufungen. Seit Beginn des Jahres besuchte Redakteur Thomas Stier die Familie ein Mal im Monat für ein bis zwei Stunden und ließ sich die jeweils anstehenden Arbeitsschritte und Aufgaben erklären. Auf diese Weise erhielt der Autor Einblicke in den Alltag eines Landwirtes: von der Klauenpflege über künstliche Befruchtung bis hin zu Problemen bei der Umsetzung von EU-Richtlinien. „Darüber hinaus ging es aber auch um die Sorgen und Nöte der Bauernfamilie“, sagt Stier. „Was die leisten, sieben Tage die Woche, ohne Urlaub, das ist schon beachtlich.“ Kontakt: Thomas Stier, Tel. (0561) 203 15 25, eMail: tom@hna.de

Ideenbörse:

Schul-TÜV. Eine Woche lang stand Redakteurin Barbara Leesemann morgens vor den Toren von vier weiterführenden Schulen in Kempen und verteilte Fragebögen – Datenerhebung für den großen Schul-Test der „Westdeutschen Zeitung“. Was sagen die Schüler zu Ausstattung und Zustand der Schulen, zu Freizeitangeboten und zum Thema Unterrichtsausfall? Welcher Lehrer macht den besten Unterricht? Die Ergebnisse fasste die Redakteurin ein Mal wöchentlich im Blatt zusammen. Pro Schule eine Seite. Tags darauf erschien dann ein Interview, in dem der jeweilige Schulleiter zu den Ergebnissen Stellung nehmen konnte. Kontakt:

Barbara Leesemann, Tel. (02152) 40 85, eMail: barbara.leesemann@westdeutsche-zeitung.de

Bunte Wände. Schmierereien oder Kunst? An den Graffitis im Schweriner Stadtbild scheiden sich die Geister. Redakteur Philip Schroeder widmet sich auf einer Sonderseite in der „Schweriner Volkszeitung“ diesem anhaltenden Reizthema. Dazu nahm er über das Internet Kontakt zu einem Sprayer aus Schwerin auf und befragte diesen zu seinen Motiven sowie zur lokalen Szene. Eine Woche Überzeugungsarbeit per eMail musste Schroeder leisten, bis sich der Sprüher zu dem Gespräch bereit erklärte. Weitere statistische Informationen zu den Delikten und zum strafrechtlichen Hintergrund erhielt der Redakteur von der zuständigen Kripo-Dienststelle. Aus diesem Material gestaltet Schroeder einen Bericht, der das brisante Thema kritisch von verschiedenen Seiten aus beleuchtet. Kontakt: Philip Schroeder. Tel. (0385) 63 78 662, eMail: phil@svz.de

Schandflecke der Stadt. Die Hamelner Fußgängerzone ist ein „Mosaik aus Schlampigkeit und Unordnung“, so das Fazit von Redakteurin Brigitte Niemeyer, nach einem Stadtrundgang der etwas anderen Art. Auf einer Doppelseite im Lokalteil der „Dewezet“ beschrieb sie die offensichtlichen Mängel und Vernachlässigungen im Hamelner Stadtbild: Müllberge etwa, beklebte Laternenpfähle oder nicht ins Farbkonzept passende Bänke. Aufhänger für die auch grafisch aufbereitete Geschichte ist die aktuelle Debatte um die Erneuerung der Fußgängerzone in Hameln. In einem eigens eingerichteten Blog konnten Leser zu diesem Thema Verbesserungsvorschläge einreichen. Kontakt: Brigitte Niemeyer, Tel. (05151) 200 410, eMail: b.niemeyer@dewezet.de

Tipp

Weitere interessante Beispiele aus der lokaljournalistischen Praxis finden Sie in der aktuellen „drehscheibe“.

Kontakt: Redaktion „drehscheibe“, Raufeld-Medien, Mehringdamm 57, 10961 Berlin, Tel. 030 / 695 665 22, eMail: info@drehscheibe.org, Homepage: www.drehscheibe.org

Erschienen in Ausgabe -1/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 82 bis 82 Autor/en: Jan Steeger. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.