Blasen und Phrasen

„Das ist noch nicht spruchreif“

Lieber Journalist: Glückwunsch! Sollten Sie in einem Interview diese Antwort auf eine Frage erhalten, haben Sie einen Volltreffer gelandet. An der Sache, zu der Sie eine neugierige Frage gestellt haben, ist was dran. Lieber Interviewpartner: Ebenfalls Glückwunsch! Sie haben den Journalisten nicht angeschwindelt, wie es manche Ihrer Kollegen gelegentlich nicht lassen können. Und das haben Sie sogar aus gutem Grund nicht getan: Sind es nicht Verschwiegenheitsverpflichtungen, die Sie daran hindern, Klartext zu reden, profitieren auch Sie von dieser Antwortvariante. Ist etwas „noch nicht spruchreif“, wird im Hintergrund zumindest daran gearbeitet, dass die Ernte bald eingefahren werden kann. Also alles paletti? Nicht ganz. Der Schuss kann für den befragten Manager auch nach hinten losgehen. Denn wenn ein Deal zu lange „nicht spruchreif“ ist, wird er irgendwann faul.

„Wir haben uns einmal fest in die Augen geschaut“

Trennungen sind immer ganz schwierige Kisten, auch in der Außendarstellung. Da helfen nur souveräne Sprüche weiter. Verlässt ein Mitarbeiter, der im Licht der Öffentlichkeit steht, das Unternehmen, muss die Botschaft lauten: Freundschaft, Fairness, Geradlinigkeit. „Fest in die Augen schauen“ bedeutet: Wir setzen beide unseren Weg fort, aber getrennt. Ohne Reue, no hard feelings, wie man so sagt. Ob man tatsächlich betreten zu Boden geblickt hat oder gar nur noch über die Anwälte miteinander verkehrt, ist zweitrangig. So wahren beide Parteien ihr Gesicht und die Karriere kann weiter ihren Lauf nehmen, gelästert wird hinterher sowieso. Diese Phrase funktioniert vor allem gut, wenn Männer übereinander sprechen. Frauen, die sich fest in die Augen schauen, wissen womöglich zu gut, dass das nur Theater für die Kameras dieser Welt ist. Oder springen sich gleich an die Gurgel.

„Und das ist gut so“

Den Spruch kann nun wirklich niemand mehr hören: Seitdem der Möchtegern-Kennedy und Berlins Erster Bürgermeister Klaus Wowereit öffentlich bekanntgab, auf Männer zu stehen und das seinerseits selbstzufrieden mit „Und das ist gut so“ kommentierte, wird diese zugegeben sehr griffige Formel in jedem zweiten öffentlichen Statement verblasen. „Die Einkaufsstraße bleibt für Autos gesperrt – und das ist gut so“, „Das deutsche Reinheitsgebot bleibt unangetastet – und das ist gut so“, „Die Fußball-WM war ein Erfolg – und das ist gut so“. Auch im privaten Kreis setzen Spaßvögel die Wowereitsche Sentenz gerne zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ein. Bei Wowereit noch clever platziert, bemüht sich inzwischen jeder dahergelaufene Provinzpolitiker, seine Rede mit der zur Phrase erstarrten Redewendung rhetorisch aufzupeppen. Unsere Botschaft an alle Redekünstler: Jetzt ist es mal gut. So.

„Zwischen uns passt kein Blatt Papier“

Man kann es auch andersrum machen und eine etablierte Redewendung mit einer einzigen Äußerung entwerten. Gerhard Schröder bemerkte einst, zwischen ihn und Oskar Lafontaine passe kein Blatt Papier. Das war schlicht gelogen, und man hat es auch irgendwie gemerkt. Umso erstaunlicher, dass diese Plattitüde immer noch von Zeit zu Zeit angebracht wird. So sagte im August vergangenen Jahres Karl-Heinz Rummenigge über das Verhältnis zwischen Bayern München und seinem Trainer: „Zwischen uns und Felix Magath passt kein Blatt Papier.“ Ende Januar gab der Fußballklub die Trennung von Magath bekannt. In einem Internet-Forum stellte vor einiger Zeit ein sogenannter Insider fest, auch zwischen den damaligen Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und René Obermann passe nun wirklich nichts. Das war wohl etwas voreilig. Merke: Wo auch immer zwei Menschen angeblich so dicke miteinander sind, dass kein (hoffentlich holzfreies) Blatt Papier zwischen sie passt, wird geheuchelt, dass es nur so qualmt.

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 65 bis 89. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.