Fakten gegen die Kameraden!

Warten Sie es doch ab: Wenn der erste Reporter umgelegt ist, der erste Richter umgelegt ist, dann wissen Sie, es geht los. Reporter, Richter, Polizist, Sie!“ Neonazi Jürgen Rieger machte bereits Anfang der 1990er-Jahre keinen Hehl aus seinem Hass gegen Journalisten. In der 2006 erschienenen rechten Schrift „Volk in Bewegung“ bezeichnet der Neonazi-Stratege Lars Käppler die Medien als „schlimmsten Feind eines nationalen Erwachens“, die ins „Lager der Todfeinde“ einzuordnen seien. Schon früh wird jungen Rechtsextremisten durch Schulungen beigebracht, sich in der Opferrolle gegenüber „Hetzern“ der „Systemmedien“ zu sehen.

Auf Kurs zur „Schutzmacht“. Rechte Ideologen wie Jürgen Gansel, NPD-Fraktionsmitarbeiter im sächsischen NPD-Landtag, haben Schwächen der Gesellschaft erkannt, geschickt versuchen sie, den „Nationalismus als Schutzmacht der kleinen Leute“ auszubauen. Öffentlichkeitswirksam prangern NPD-Politiker die politische Glaubwürdigkeit etablierter Parteien an und verstärken eigene regionale Bürgerarbeit. Skins in Nadelstreifen sprechen soziale und regional-spezifische Unzufriedenheiten an. Scheitelträger mit Sprengstoff-Vergangenheit spielen Vertreter für den Mittelstand. Im Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern ging diese Taktik auf, die NPD konnte ihre Stammwählerschaft behaupten.

Kritische Medienberichterstattung stört da nur. Es wird wieder selektiert: NPD-Parteitage sind konspirativ, unliebsamen Pressevertretern wird mit Bezug auf das Hausrecht der Zugang verwehrt oder sie werden vor den Augen der eigenen Kollegen ausgesondert und des Saals verwiesen. Wer den Braunen nicht gehorcht, wird mit Gewalt vom NPD-Ordnerdienst entfernt, wie beim Bundesparteitag im November 2006 in Berlin. Ob am Wahl-abend in Schwerin oder nach einem Neonazi-Konzert im schleswig-holsteinischen Neufeld, Neonazis bedrohen verstärkt auch TV-Teams. Dieser Strategie der Verängstigung muss entschieden journalistisch entgegengetreten werden.

Erfolgsmasche. Mitgelenkt werden rechtsextreme Einschüchterungsversuche vom „Deutschen Rechtsbüro“, einem Zusammenschluss nationaler Rechtsanwälte. Auf der Internet-Homepage werden die Kameraden gegen Journalisten aufgebracht, dort heißt es: „Wenn jemand (bei Demonstrationen) zu Unrecht fotografiert wird, ist er berechtigt, Notwehr zu leisten“. In der Praxis sieht es bereits so aus: Neonazis nehmen Fotografen folgsam Filme und Fotos weg, dabei darf es laut „Rechtsbüro“ auch zur Sachbeschädigung kommen dürfen. Oft sind Polizei und Behörden überfordert und lassen sich von rhetorisch geschulten Neonazi-Anführern beeindrucken. Es droht zunehmend die Gefahr, dass sich national-beherrschte Zonen ohne kritische Medien in bestimmten Regionen durchsetzen. Recherche gegen Rechts ist gefährlich geworden.

Mehr Selbstbewusstsein! Dabei ist investigative Recherche genau das Schlüsselwort, welches Neonazis so fürchten. Medien dürfen sich Themen und Berichterstattung nicht von menschenverachtenden braunen Strategen diktieren lassen, müssen sich Gesprächspartner selber auswählen können. Aber um im Umgang mit Rechtsextremen selbstbewusst und auch mal ironisch agieren zu können, sollten Journalisten sich schulen. Mobile Beratungsteams oder Weiterbildungsangebote von Gewerkschaften und Präventionseinrichtungen stehen zur Verfügung. Verborgene Hinter-und Abgründe der Szene werden ihnen so offenbar. Der Blick hinter braune Kulissen schadet NPD und Kameradschaften, mehr als kurzfristige Berichterstattung in den Nachrichten. Sie haben viel zu verbergen, wie einige Beispiele zeigen: So entpuppten sich sächsische Landtagsabgeordnete als Kinderporno-Liebhaber und Hitler-Fanatiker. Ein Hamburger NPD-Anführer fühlte sich von der satanischen „Thelema-Sekte“ angezogen, ein Thüringer erwies sich als Großbetrüger und einer aus München als Hartz IV-Abzocker. Dank investigativer Recherchen erfährt die Öffentlichkeit von militärisch geprägten Kinderlagern, Waffendepots und dem blutigen Mord an einem eigenen Kameraden in der Neujahrsnacht 2007 in Wismar. Solche Geschichten enttarnen die Kameradschaft der braunen Szene als das, was sie ist: ein Mythos.

Lesetipp:

„Braune Kameradschaften – Die militanten Netzwerke im Schatten der NPD“, Hrg. Andrea Röpke/Andreas Speit, 2. Aufl. 2005,

Fachorgan: „Blick nach rechts“, www.bnr.de

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „Standpunkt“ auf Seite 19 bis 21 Autor/en: Andrea Röpke. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.