Kräftig gedichtet

Grrr…

Grundsätzliche Zweifel an Günther Jauchs Eignung für den Posten des Leiters im öffentlich-rechtlichen Ersatzparlament „Christiansen“ wurden im gewaltigen Medienecho um seine Zu-und Absage an die ARD nur selten laut. Etwa von Harald Keller, der den „Teflon-Mann“, an dem „nichts haften“ bleibt (2006 im „Freitag“), schon länger gering schätzte, etwa weil die „Born-Affäre“ „die schwerste Erschütterung des deutschen Journalismus‘ seit den Hitler-Tagebüchern“ „nicht zuletzt auch eine ,stern tv‘-Affäre war und übrigens nicht der erste Skandal in Jauchs Wirkungsgeschichte“ („Frankfurter Rundschau“). Das Format, auch gewieftesten Talkshow-Talkern auf Augenhöhe begegnen zu können, besitzt der eloquente Entertainer aber. Zweifel zerstreute er spätestens, als er nach seiner Absage mit einem Feuerwerk an Interviews die Deutungshoheit übernahm und der ARD Attribute entgegenschleuderte, die ihr noch lange anhaften werden.

Mit lesbarer Wut im Bauch redete er gegen „Profilneurotiker“ an, die sich seinethalben „einfach auch mal zu Wort melden wollten“ (Jauch zum Deutschlandfunk) bzw. „ihren Namen einmal in der Zeitung gedruckt sehen“ wollten (zur „FAZ“) und über „die negative Begleitmusik“ (zu „Stern.de“) aus der „zweiten oder dritten Reihe der ARD“ (zu „Welt.de“) sowie „dem einen oder anderen Rundfunkrat“ (ergänzend zur „Bild“-Zeitung). Die Top-Metapher platzierte der Medienprofi exklusiv im „Spiegel“: „Hunderte von Gremien-Grummlern“ aus den „Gremien voller Gremlins“ müssen den RTL-Star mächtig vergrault haben.

Vielleicht erklärt vieles schon der Gegensatz vom Jauch’schen Stabreim zum unter ARD-Intendanten beliebten schlichten Endreim. Peter Voß (SWR), bekanntlich selbst(ernannter) Dichter, variierte die vom ARD-Vorsitzenden Fritz Raff noch vor (!) Jauchs Absage im „Spiegel“ geäußerten Zeile „Ohne Jauch geht die ARD-Welt nicht unter“ zu: „Ohne Jauch geht’s auch“. Derbere Wortspielchen erlaubt der Name aber ebenfalls. Als „Jauch-Grube“ stellte die „FTD“ den Gremiengrummler-Verbund ARD vor.

Die Braue

Wie auch immer, die ARD hat aus dem Trubel gelernt und inszenierte um den Jauch’schen Christiansen-Posten eine publizistisch stark begleitete Nachfolgediskussion. Das Ergebnis (Will, aber auch Plasberg) ließ die „taz“ von einem „verdammt guten Tag für die ARD“ sprechen: „Denn mit Anne Wills leicht hochgezogener Augenbraue hat auch die Ironie ihren Platz im deutschen Fernsehen gefunden“. Lyrik, die nicht ironie-, aber völlig reimfrei funktioniert, hat einen Platz zumindest im „FAZ“-Feuilleton: „Die Natur hat ganz von selbst dafür gesorgt, dass unter den hundert Nachrichtengesichtern, die in unseren Fernsehanstalten kommen und gehen, nur ein einziges das Antlitz der Erde umgestaltet: ebenjenes von Anne Will“, schwärmte Christian Geyer. Indes reimte Michael Hanfeld auf der „FAZ“-Medienseite: „Volle Kanne, Anne“.

Die Braten

Oldschool-Sprachbilder aus ungefähr dem vorletzten Kriege pflegt es zu hageln, wenn es um das bekannte „Sturmgeschütz der Demokratie“ geht. „Der ,Spiegel‘ in Stahlgewittern“, schrieb die „FAZ“ zum 60. Geburtstag des Magazins, währenddessen der interne Wahlkampf um die Mitarbeiter-KG läuft. Der werde, so Manfred Bissinger in der „Zeit“, „darüber entscheiden, ob Europas größtes Magazin als eines von vielen letztlich im Zeitschriftenmeer versinkt oder ob es der Leuchtturm bleibt“, der als Allegorie natürlich auch immer taugt. Andere Metaphern gehen durch den Magen. Klaus Harpprecht brachte die Bedeutung des Magazins in der „Süddeutschen Zeitung“ so auf den Punkt: „Der bundesdeutsche Alltag ist ohne das Montagsheft so wenig zu denken wie ohne den Braten am Sonntag und den Italiener um die Ecke …“.

Wer den Vergleich etwas uncool findet, muss falsch liegen. Wollte doch der für seine Coolness bekannte Chefredakteur Ulf Poschardt (wiederum im „Spiegel“) auf seine „Vanity Fair“ so Appetit machen: „Im Moment habe ich das Gefühl, dass uns die Sorbets sehr gut gelungen sind. … Ich bin aber auch froh, dass wir ein paar anständige Sauerbraten, Schweinsbraten und halbe Hähnchen haben.“ Wer da keinen Hunger kriegt …

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „Chronik“ auf Seite 15 bis 15 Autor/en: Christian Bartels. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.