Treffer & Abseits

Am Anfang ist das Ei. Daraus entsteht Leben. Das Magazin „StadtAnsichten“ zeigt zum Jahresanfang auf dem Cover ein Ei. Sonst nix. Wer die monatlich erscheinende Zeitschrift aus der Autostadt Wolfsburg kennt, weiß: die Kunst der optischen Reduktion ist eines ihrer Markenzeichen. Mehr als zwanzig monothematische Ausgaben (Copy-Preis 6 Euro) sind bislang erschienen. Es geht um „Vertrauen“ und „Heimat“, um „Glück“ und „Toleranz“ oder wie in der aktuellen Ausgabe – um den „Anfang“. Der Redaktion um Maria Schneider gelingt immer wieder ein überraschender journalistisch-optischer Mix, der auf inhaltliche Qualität setzt – und dennoch auf Lesespaß nicht verzichtet.

Das Heft ist edel, aber nicht elitär; intelligent, aber nicht intellektuell; modern, aber nicht zeitgeistig. Selbstbewusstes Format, hochwertiges Papier, spannende Texte mit Erkenntniswert, brillante Fotos, dazu ein unaufgeregtes Layout, das ebenso zurückhaltend wie opulent den Leser führt und verführt. Beispielhaft die Foto-Reportage „Sieben Menschen, sieben Orte – um 7 Uhr morgens“ von Stefan Pielow, die zeigt, wie unterschiedlich der alltägliche „Anfang“ sein kann. Kompliment an Clemens Maurer (Art-Direktion) und die Gestalter vom Berliner werk-c.

Was dem Heft fehlt? Alles, was mit den Tiefen und Tragödien menschlicher Existenz zu tun hat, kommt im Heft nicht vor. Oder – um in der Sprache der Autostadt zu bleiben – sie werden großräumig umfahren. Dabei hat doch schon der große Journalist Egon Erwin Kisch gesagt, dass nichts so spannend ist wie die Wirklichkeit. Zuruf nach Wolfsburg: Hallo, liebe Redaktion: bei allem Faible für das Wahre, Schöne, Gute, wie wäre es beispielsweise mit einem Titel „Absturz“? Ein ganzes Heft über VW-Betriebsräte, den Kollegen Hartz und den Rotlicht-Korruptionssumpf. Wäre doch ein „Anfang“ – oder? stadtansichten@autostadt.de

Kennen Sie „Player“? Ein Jahr hat das Magazin seine Leser begeistert – mit Fußball. Überraschend, life-stylig, glamourös. Hier wurden Themen und Helden neuartig inszeniert. Im Jahr eins nach der WM-Euphorie versucht das Blatt sich neu zu positionieren. Als Zielgruppe gilt nun der junge konsumfreudige Mann. Die Redaktion will entdeckt haben, dass der deutsche Michel von heute „vielschichtig“ ist. Will heißen: die Erde doch kein Ball ist. „Player“ ist also ab sofort ein Männermagazin (4 Euro) und sieht auch so aus: Coole Jungs zeigen coole Mode, brustfreie Mädels springen übermutig ins Wasser, wie weiland in einer DDR-Zeitschrift für Freikörperkultur. Davor, dazwischen und danach die übliche Mischung: Sport, Autos, Computerspiele, Handys, Mode, Erotik. Gähn! Die „laute“, aber insgesamt gekonnte Optik von Thorsten Lange (… muss durchgängiger Flattersatz sein?) kann die inhaltlichen Schwächen nicht kompensieren. Leider. „Player“ spielt sich gerade ins Abseits. Ein Verlust? www.playermag.de.

Die Musikbranche macht es seit Jahren vor: unterschiedliche Interpreten werden unter einem Motto als Sampler auf eine CD gepresst. Selten künstlerisch wertvoll, dafür aber höchst lukrativ. Die Rechte sind günstig zu haben, die Zweitverwertung einfach zu produzieren. „Modern Times“, ein in Wien erscheinendes Magazin für Mastercard-Kunden, hat dieses Erfolgsprinzip für Print entdeckt. Texte, Essays, Reportagen aus „Geo“, „Stern“, „Cicero“, „mare“ oder „Die Zeit“ werden recycelt und samt Fotomaterial neu inszeniert. Die Herausgeber formulieren ein ehrgeiziges Ziel: sie wollen das „redaktionell anspruchvollste, grafisch konsequenteste – sprich schönste Heft der Welt“ bauen. Dagegen wird niemand protestieren. Doch etwas mehr Bodenhaftung kann dabei ganz nützlich sein. Vor allem die Blatt-Dramaturgie ist optimierbar. Fazit: „Modern Times“ ist bestes gedrucktes Infotainment, aber noch fehlt der wirklich originäre Auftritt.

www.moderntimesmedia.at

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „“ auf Seite 49 bis 49. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.