Was in Zahlen alles steckt

Statistiken sind mit Vorsicht zu genießen und mit Verstand einzusetzen“, sagte dereinst schon der VW-Autobauer Carl Hahn. Zahlen und Statistiken können für Journalisten jedoch hoch spannend sein, auch wenn eine gewisse Skepsis ratsam ist. Beispielsweise teilte das Statistische Bundesamt gerade mit, dass in Deutschland mittlerweile 28 Prozent der Kinder mit Kaiserschnitt auf die Welt kommen. Die Zahl ruft geradezu nach personifizierten Geschichten … Welche Themenfülle für Zeitungen in nackten Statistiken stecken kann, zeigen auch diese drei kreativen Beispiele: Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ macht sich Zahlen und Fakten auf besondere Weise zunutze und erstellt in jedem Quartal ein „Köln-Barometer“. Der „Tagesspiegel“ und die „Stuttgarter Zeitung“ blickten dagegen hinter die Hartz IV-Statistiken und gaben mit unterschiedlichen Reportagen den Zahlen Gesichter.

Lokaltipp des Monats:

> Druckmesser. Die Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeigers“ sah die Sachthemen der Lokalpolitik bedingt durch einige Skandale lange Zeit zu sehr in den Hintergrund gedrängt. Mit dem „Köln-Barometer“ wird dem etwas entgegengesetzt. Mit einem Ranking von zwanzig aktuellen Projekten der Kölner Kommunalpolitik sollen die Leser auf dem Laufenden gehalten und über Fortschritt bzw. Stillstand informiert werden. Die Redakteure erkundigen sich bei der Verwaltung immer wieder nach dem aktuellen Projektstand und bewerten den Fortschritt regelmäßig quartalsweise anhand einer Skala. Das Barometer ist in die drei Abschnitte „Das wird diskutiert“, „Das ist beschlossen“ und „Das läuft “ unterteilt. „Die Gewichtung der einzelnen Projekte ist sicherlich subjektiv“, sagt Peter Berger, Ressortchef Lokales, „aber da wir uns täglich mit allen Facetten der städtischen Politik beschäftigen, fühlen wir uns recht sicher in unseren Urteilen.“ Ein Interview oder ein Gastbeitrag eines außen stehenden Experten ergänzen jeweils das zweiseitige Barometer aus Grafiken und Bildern.

Kontakt: Peter Berger, Tel. (0221) 22 428 63, eMail: peter.berger@mds.de

Ideenbörse:

> Vielschichtige Armut. Dass Armut ein relativer Begriff ist, beschrieb der „Tagesspiegel“ in Berlin. Eine Mitarbeiterin klingelte an den Türen eines unsanierten Mietshauses in Friedrichshain und fand sechs Bewohner, die alle unterhalb der offiziellen Armutsgrenze von 938 Euro leben, aber in völlig unterschiedlichen Situationen: Da ist das Punkerpärchen, das den Schulabschluss nachholt, die Modedesignerin, die Tag und Nacht an ihrer Kollektion arbeitet, der letzte Stellmacher Berlins, der gerade seine Werkstatt auflöst und ein Paar aus den Niederlanden, das sich sozial engagiert. Zu den Kurzporträts wurden jeweils Fotos der Menschen und des Hauses gestellt.

Kontakt: Gerd Nowakowski,

Tel. (030) 26 00 95 05,

eMail: Gerd.Nowakowski@tagesspiegel.de

> Gesicht zeigen. Beim Besuch einer „Tafel“, die kostenlose Speisung für Bedürftige, stellte der Chefreporter der „Stuttgarter Zeitung“ eine bemerkenswerte Veränderung fest. Während früher Obdachlose die soziale Einrichtung aufsuchten, findet man dort heute schon einmal eine ehemalige Chefsekretärin und einen Dolmetscher, der seinen Traum von einem neuen Leben in Italien begraben musste. Beiden widmete Reporter Josef-Otto Freudenreich ein Porträt und ließ auch den Pfarrer zu Wort kommen, der die Tafel betreibt. Und er räumte mit dem Klischee auf, dass Stuttgart eine reiche Stadt ist: Mittlerweile gibt es in der 600.000-Einwohner-Stadt bereits 40.000 sogenannte Hartz IV-Empfänger, nicht wenige davon aus der sogenannten Mittelschicht. „Ich wollte denen ein Gesicht geben und mich nicht akademisch an der Unterschichtendebatte beteiligen“, sagt der Redakteur.

Kontakt: Josef-Otto Freudenreich,

Tel. (0711) 72 05 11 64,

eMail: j.freudenreich@stz.zgs.de

Tipp

Weitere interessante Beispiele aus der lokaljournalistischen Praxis finden Sie in der aktuellen „drehscheibe“.

Kontakt: Redaktion „drehscheibe“,

Raufeld-Medien, Mehringdamm 57, 10961 Berlin, Tel. 030 / 695 665 22, eMail: info@drehscheibe.org,

Homepage: www.drehscheibe.org

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 64 bis 64 Autor/en: Bernd-Volker Brahms. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.